„Man muss Dinge nicht horten, denn nicht die Dinge selbst, sondern das, was man mit ihnen erlebt, hat Bedeutung. Das Erlebte bleibt erhalten.“
Man sagt, Gene speichern auch. Manchmal hat eine Urenkelin dieselben Angewohnheiten wie eine ihrer Vorfahren.
„Es könnte aber auch ein und dieselbe Seele sein.“
Die Energie ist ja ein und dieselbe. Aber was bedeutet das? Letztens sagten wir, dass nicht alles Eins ist, aber die Energie ist ein und die selbe. Also unterscheidet sich doch etwas.
„Das muss es auch, sonst wäre alles Leben nichts als Chaos. Und ganz so daneben ist der Mensch auch nicht, denn manchmal hat er einen Geistesblitz, der der Wahrheit ziemlich nahe kommt. Nur – vieles an der Metaphysik ist zu abstrakt, um es auch zu verstehen.“
Paradox ist das Wort, das ich eben gesucht habe. Paradoxien sind die Grenzen des Verstandes. Und dass alles ein und dieselbe Energie und doch unterschiedlich ist, ist für mich nun mal paradox.



„Weißt du, was das Wichtigste von Don Juans Lehre ist? Es ist die Ablenkung von der eigenen Person. Also nichts mit 'In-sich-hinein-hören', sondern eher ein 'Nach-außen-hören', aber eigentlich ist es keins von beiden.“
Erst wenn du innerlich still bist, spricht das gesamte Universum zu dir. Ich bin schon lange weg von diesem Trip, sich zu sehr mit sich selbst zu beschäftigen. Welcher Typ bin ich? Empathisch, sympathisch oder wie auch immer? Derartige Beschäftigungen ermüden wirklich. Wie soll ich sein? Wie bin ich wirklich? Führt alles zu nichts.
„Wohin soll es auch führen?“
Die Frage ist viel mehr: Wohin soll überhaupt was führen? Fakt ist für mich noch immer, dass man bereit sein muss und alles kommt immer im rechten Moment. Es lässt sich nichts erzwingen, auch wenn dir der alte Indianer erzählt hat, dass einige aus seinem Volk es probiert haben und davon einige daran gestorben sind.
„Sie sind nicht wirklich gestorben. Sie sind verloren gegangen und müssen wahrscheinlich irgendwo irgendwas von vorne beginnen. Manchmal ist die Kraft unbarmherzig.“
Der Grund ist die Vereinigung und das Eintauchen in die Quelle. Das Ende des Universums. Aber warum wir beide und nicht die anderen?
„Lass die Anderen beiseite. Die gehen uns nichts an. Die haben andere Wege.“
Heißt das, es ist dann nur für uns so, dass das Universum endet und irgendwann mal wieder ein neues beginnt.
„Lass Zeit und Raum beiseite. Es gibt kein Irgendwann und auch kein Irgendwo. Es gibt auch kein Ende und keinen Anfang.“
Mich würgt noch immer die menschliche Bewusstseinsblase. Vergiss das nicht, Kim.
„Es ist doch nur ein Gedankenspiel. Und vielleicht kannst du dich hinein denken in dieses Nichts, das im Grunde genommen alles ist.“
Das sind auch so blöde Sprüche, mit denen ich nichts anfangen kann. Viel lieber möchte ich jetzt endlich diesen Ort – auch wenn es keiner ist – genießen und mich in diesem mir so bekannten Gefühl auflösen. Wer braucht schon Persönlichkeit, wenn er so ein Gefühl kennt? Ich hatte es schon so lange nicht mehr, dieses: Es-kann-dir-nichts-passieren-Gefühl. Diese Gewissheit, für immer und ewig geborgen zu sein und es absolut keinen Grund gibt, vor irgendetwas Angst zu haben.
„Ja, es gibt Orte, wenn man sich an ihnen niederlässt, wenn man sich auf sie einlässt, die einem die wahre Natur näherbringen.“

Wieso lässt sich das so besondere Gefühl nicht für immer einstellen – zumindest solange dieses Leben dauert? So weit ich mich zurück erinnern kann, hatte ich es auch als Kleinkind – bis zur Schulzeit. Ganz besonders stark war dieses Gefühl, dass mir nie etwas passieren kann, in der Wachau bei meinem Opa. Als Pubertierende hatte ich es auch, als ich in Graz zur Schule ging. Später kam es immer seltener. Später kam die Angst.
„An diesem Gefühl ist nichts Besonderes dran, solange es dir verhältnismäßig gut geht. Erst wenn etwas geschieht, was normalerweise Panik auslöst und du dieses so besondere Gefühl noch immer hast, ist es echt. Aber solange rundherum Friede, Freude, Eierkuchen zelebriert wird, hat dieses Gefühl absolut keine Bedeutung.“
Deshalb sagt man, man soll sich der Angst stellen – dorthin gehen, wo man Angst hat, das machen, was einem Angst macht.
„Sagt man. Ja. Das kann aber die Angst auch verstärken.“
Was also tun?
„Nichts. Warten, bis sich dieses Gefühl von selbst einstellt Und das tut es. Hab Geduld. Und wenn es wenige Sekunden vor deinem Tod ist.“
Es ist das Zerbrechen der menschlichen Bewusstseinsblase – das so genannte Ende des menschlichen Bewusstseins.
„Dieses Gefühl, von dem du sprichst (schreibst) leben nicht viele Menschen. Aber es sind Menschen, die sich selbst aufgegeben haben – die ihr Selbst sozusagen gegeben haben. Zur sicheren Aufbewahrung.“
Sie haben sich der Kraft, der Quelle ergeben. Nur dadurch stellt sich das echte Gefühl ein. Dann war und bin ich meilenweit davon entfernt.
„Als Kind hattest du noch ein Urvertrauen – egal zu wem. Da warst du dir sicher, dass jemand auf dich aufpasst und dir deshalb nichts passieren kann. Aber mit der Zeit schwindet das Urvertrauen – warum auch immer, - vielleicht weil dich die Person, der du dein Leben anvertraust, enttäuscht hat – mit dir nicht mehr zufrieden ist, wie es deine Mutter aufgrund deiner schulischen Leistungen war. Dann kommt die andere Seite – die Unsicherheit und mit ihr die Angst.
Aber versuch dich mal hier hinein zu denken: Egal, was du empfindest, welches Gefühl im Augenblick dominiert, was auch immer geschehen mag, es geschieht. Verstehst du? Deine Gefühle beschleunigen nichts und sie verhindern nichts. Und wenn du das erkennst – dass keines deiner Gefühle irgendeine Wirkung hat, könntest du vielleicht diese wunderbare, innere Ruhe erlangen. Und das hat mit Gefühlen, die ohnehin nur störend sind, absolut nichts zu tun.“

„In der Sinnlosigkeit oder im Unterbewusstsein lässt sich auch das Wahre erkennen.“
Und das wäre, Kim?
„Reine Wiederholung. Immer wieder diese Wiederholungen. Aber genau sie dienen dazu, das ins Alltagsbewusstsein zu holen, was im Unterbewusstsein verborgen ist.
Das Wahre wäre Kraft, Energie. Und du weißt, was ich damit meine. Weder Strom oder sonst welche Energien, sondern wahre Energie.“
Du klingst heute so pathetisch.
„Ich imitiere die Meister der Erde. Meistens lächeln sie lieblich, während sie rezitieren.“
Lächelst du auch?
„Im Moment nicht.“
Vergeht dir das Lächeln?
„Manchmal schon. Vor allem damals, wenn ich mitbekam, wie manche Schafe den Wölfen folgten und ihnen alles in den Rachen steckten. Erkenntnis lässt sich nicht kaufen. Sie kommt, wann sie es will.“
Wie war das? Die Kraft verabscheut Freiwillige. Sagt zumindest Meister Carlos. Vielleicht war er in seinen letzten Jahren auch so was wie ein Wolf, dem die Schafe folgten. Das mag ein Grund sein, warum ich die Rekapitulation auf meine Art mache und Riten sowieso für unnötig halte. Sie waren vielleicht in alten Zeiten wirkungsvoll, als die Menschen noch glaubten. Aber heute, wo jeglicher Glaube verloren gegangen ist, sind sie nur noch lächerlich.



Zusammenfassung?
„Was willst du zusammen fassen?“
Das bereits Geschriebene oder Besprochene. Ja, auch wenn es keinen Sinn macht! Irgendwie habe ich heraus gehört, - was nichts Neues ist, denn das sagen die alten Esoteriker auch, - dass das höhere Selbst oder die Seele (sozusagen das Geistige), das materielle Leben, wie etwa mich, plant und ich nichts dagegen tun kann. Es heißt, es ist schon alles passiert. Nur weil es der Plan des höheren Selbst ist? Ein Plan alleine macht nicht das Geschehen aus.
„Theorie. Sonst nichts. Es gibt auch andere. Aber was kannst du wissen?“
Ich? Nichts. Ich kann nur sagen, zu welcher Theorie ich tendiere, was absolut nichts aussagt. Im Moment sollte ich Gelassenheit üben.
„Wie das?“
Bei uns ist Regenwetter und die Katze will rein und raus und rein und raus. Bei diesem Katzenjammer – dem andauernden 'Miau' – braucht es Gelassenheit, weil ich nicht gewillt bin, die Balkontür ständig auf und zu zu machen.
Kim lacht schallend.
Es ist nicht witzig. Es nervt.
„Das wirkliche Leben!“
Scheint so. Da hilft nicht mal die tiefste Vorstellungskraft – sprich Phantasie. Und mit der Konzentration beim Schreiben ist es auch vorbei.
„Also keine Zusammenfassung?“
Schreiben um zu schreiben.

Du bist kein Tropfen Wasser im Ozean, du bist der gesamte Ozean in einem Tropfen. (Rumi)
„Und?“
Das nur zu meiner Wunschtheorie, die besagt, dass ich nur ein Tropfen Wasser im Meer bin. Ich glaube, bin mir aber nicht sicher, Armin Risi sagte einst, dass es dabei um Qualität und Quantität geht. Es mag dieselbe Qualität sein, aber eine Welle hat mehr Quantität als ein Tropfen.
„Krishna würde sagen, du bist nicht mal das Schwarz unter dem Fußnagel seines kleinen Zehs.“
Immer diese Religionen. Was wäre gewesen, wenn Eva Adam nicht zur verbotenen Frucht verführt hätte? Ich hab mal ein Bild gemalt, Adam und Eva, alt und runzlig, das Paradies kahl bis auf einen ebenso kahlen Baum, auf dem nur eine einzige reife Frucht hängt.
„Was sagt uns das?“
Ich denke während dem Malen nicht nach und male einfach drauf los. Ich weiß nicht wirklich, was das Bild ausdrücken soll. Vielleicht, dass es gut war, die verbotene Frucht zu essen und aus dem so genannten Paradies vertrieben worden zu sein?
„Du solltest besser mehr malen als schreiben, da du dann weniger nachdenkst. Und ja, ich sehe es auch so, dass es gut war. Warum sonst wurde alles verdorrt, Adam und Eva mit eingeschlossen, bis auf den Apfel, der angeblich gar keiner war.“
Was dann? Ach ja, in der Bibel wird kein Apfel erwähnt, nur 'verbotene Frucht'. Dann hätte ich noch eine Textstelle aus den Evangelien, wo Jesus von Satan versucht wird. Die erste Versuchung war, aus Steinen Brot werden zu lassen. Damit wäre der Hunger aller Menschen aus der Welt geschaffen worden. Die zweite Versuchung war Macht und Besitz. Alle hätten ein Dach über dem Kopf und jeder hätte was zu sagen. Die dritte Versuchung besagt meiner Meinung nach Unverletzlichkeit, da Satan Jesus sagte, er solle sich vom höchsten Tempel stürzen und Engel werden ihn auffangen.
„Man sollte religiöse Schriften nicht allzu wörtlich nehmen.“
Das denke ich auch. Außerdem wurden sie mehrmals übersetzt und da wurde sicher einiges falsch verstanden, was schon einer unserer Pfarrer mal zu mir sagte. Man kann Hebräisch oder Aramäisch, wie Joshuas Muttersprache war, nur schwer ins Deutsche übersetzen. So, wie es im Englischen Phrasen gibt, die auf deutsch lächerlich klingen und auch nicht wirklich übersetzt werden können.
Und was ist nun mit Krishna?
„Ein Avatar Gottes. Aber hat Gott noch Platz in deiner Theorie?“
Schwer vorstellbar, vor allem wenn er persönlicher Art ist. Und wenn, ist er höchstwahrscheinlich sowohl als auch – persönlich, wie auch unpersönlich.
Aber was, wenn es weder noch gibt? Was, wenn sich tatsächlich, wie knochentrockene Wissenschaftler sagen, alles aus dem Urknall entwickelt hat? Wenn der Mensch als einziges Lebewesen der Erde so was wie Bewusstsein aus seinem hoch entwickelten Gehirn erzeugt hat? Was, wenn tatsächlich zuerst die Materie und dann der Geist war? Es wäre auf jeden Fall leichter vorstellbar. Und auch wenn der Mensch so hoch entwickelt ist, müsste es einen gewaltigen Dämpfer für sein Ego sein, da einmal nichts von ihm übrig bleiben wird als Moder in der Erde oder ein Häufchen Asche.
„Das ist ebenso auch nur eine Theorie.“

Wenn alles aus ein und der selben Energie besteht, dann bin ich du – dann bin ich alles und alles ist ich. So in der Art sagt es Herr Karl auch. Die Ganzheit, die direkt aus der Quelle strömt, spielt uns alle und das unterschiedslos.
„Sobald du etwas benennst, benennst du Gott. Also doch kein nüchternes Aus und Vorbei?“
Ich kann weder dies noch das wissen, Kim. Und ich bin auch kein Schamane, der mit Geistern kommunizieren kann.
„Ich bin doch dein Geist.“
Der genauso viel oder besser gesagt, der genauso wenig weiß wie ich selbst.
„Dann lass es doch dabei zu sagen, dass alles bloß leere Theorien sind, die man glauben kann oder auch nicht. Egal, wie es läuft, wissen tun wir nichts.“
Und der Sinn von all dem? Evolution?
„Warum nicht? Vom Urknall bis zur unendlichen Ausdehnung. Oder war es nicht so, dass es den Raum schon immer gab und erst durch die Materie, die den Raum durchschreitet, kam die Zeit hinzu. Raumzeit.“



Was, wenn es keinen Körper und keine Seele gibt?
„Dann kommen wir der Wahrheit vielleicht ganz nah.“
Sich zum Nichts reduzieren. Wäre eine Meditation wert. Nur ein Punkt. Sich auf einen Punkt konzentrieren, als wäre man selbst nicht mehr als bloß dieser Punkt, der sich schließlich auch auflöst.
„Und dann?“
Ist man weg. Dort, wo man hingehört.

Ich – Wir – Ich.
„Ja?“
So wie die Blume eine Blume eine Blume ist. Zuerst das Ego-Ich – liest sich blöd, geht aber nicht anders. Und ja – hatten wir auch schon! Schließlich das Wir in der so genannten Ursuppe, dem Energiemeer, in dem wir unser Ego im wahrsten Sinne des Wortes ein-büßen. Immerhin bestrafen und loben wir uns immer selbst und das dürfte nach dem Sterben kaum anders sein, solange noch ein Ego anhaftet und falls es so was wie ein Nach-dem-Sterben gibt.
„Oh, Madame Zweifel ist wieder da!“
Sie ist immer da. Sie bleibt nie außen vor. Nun weiter! Und schließlich geht das Wir in die Quelle ein und ist wieder ein Ich – One – Eins. Nur kann ich mir nicht vorstellen, dass während einer Meditation dieser One-Zustand erreicht werden kann.
„Schon mal versucht?“
Meine Meditation ist das morgendliche Schreiben. So wie jetzt. Ich meditiere über das Ich – Wir – Ich.
„Ich verstehe unter Meditation ein Versenken in sich selbst. Absolute Ruhe im Körper und im Geist.“
Meditation kann vieles sein.
„Irgendwo gelesen? Irgendwer geschrieben, der wahrscheinlich genauso faul ist wie du.“
Könnte sein, Kim.
„Deshalb auch die Zweifel.“
Würde ich mich in mich selbst versenken und diese absolute Ruhe erreichen, würde mir das absolut nichts sagen. Ich wüsste noch immer nicht, ob das was mit der Quelle oder einem Überich zu tun hat. Genauso wie die Nahtoderlebnisse nicht wirklich aussagen, was nach dem Sterben passiert. Jene Menschen, die darüber berichten, kommen wieder zurück. Ihnen wurde das allerletzte Geheimnis nicht offenbart.
„Und was ist mit den Reisen durch den Tunnel und das Licht, das dann wahrgenommen wird, das so anders ist als alle Lichter? Immerhin erlebte das nicht nur eine Person, sondern mehrere.“
Das menschliche Bewusstsein ist nun mal so gestrickt.
„Ach, du meinst, das alles wird vom Bewusstsein vorgegaukelt, bevor dann plötzlich alles aus und vorbei ist?“
So in der Art meine ich das.
„Und wer steuert das Bewusstsein?“
Das Gehirn. Was sonst? Immerhin ist dieses menschliche Bewusstsein ein Produkt des menschlichen Gehirns.
„Heute sind wir aber nicht nur fest am Erdboden verankert – wir sind hilflos eingegraben!“
Es gehört Mut dazu, sich einzugestehen, dass der Mensch am Ende nichts mehr wert ist und es so auch nie war, sondern vielmehr eine Geißel für die Natur.

Was ist der Mensch? Was ist das Tier? Was ist die Pflanze? Was sind die Elemente? Was sind die Planeten? Was ist das Universum?
„Energie!“
Alles ein und dieselbe Energie?
„Wenn es den großen Geist – die Quelle der Kraft gibt, dann ja.“
Wenn?
„Ich beziehe deine Zweifel mit ein.“
Ja, wir wollen vorsichtig sein mit unseren Aussagen. Und wissen tu ich noch immer nichts, obwohl ich glaube, dass sich der Mensch nicht unbedingt wichtig nehmen muss, wenn er erkennt, dass alles ein und dieselbe Energie ist und er auf eine gewisse Art göttlich ist.
„Wie bitte?!“
Na ja – ich meine das anders, denn irgendwie sind dann Tiere und Pflanzen ebenso göttlich und wir wissen ja nicht, was in ihnen vorgeht. Vielleicht wissen sie mehr als wir Menschen?
„Und wenn?“
Wenn man Tieren in die Augen sieht und ich an all die Dokus denke, die ich über Tiere gesehen habe, müsste ich schon glauben, dass sie mehr wissen als wir. Für sie ist alles viel einfacher. Und wieder denke ich an die Textstelle im Evangelium, was Joshua angeblich über die Vögel, die nicht sammeln und doch vom Vater im Himmel versorgt werden, sagte. Und über die Lilien auf dem Felde, die prachtvoller gekleidet sind als Salomon es je war. Aber die Menschen sorgen sich und sammeln.
„Die Kümmerer!“
So nennt es Herr Karl, in dessen Bücher ich wieder mal lesen sollte. Sie verbreiten so viel Leichtigkeit.
„Die Bücher?“
Das, was drinnen steht, du Narr!
„Apropos Narr! Narren sind wahrscheinlich die wahren Erleuchteten. Sie kümmern sich um nichts.“
Meinst du?
„Die echten, die wahren Narren sicher nicht. Sie erkennen die Theaterbühne und ebenso die ganz schlechten Schauspieler. Das sind übrigens jene, die ihr Spiel viel zu wichtig nehmen.“
Die schlechten Schauspieler?
„Ja, genau die! Die echten Sammler und Kümmerer. Sie meinen immer viel zu wenig zu haben und befürchten ständig viel zu wenig herzuzeigen, was sie alles haben und was sie alles können.“

„Du weißt, wie ich zu höher und nieder stehe. Mir ist auf Augenhöhe lieber, denn jeder Aspekt hat seine Aufgabe zu erfüllen und manchmal muss er ganz schön an die Grenzen und manchmal auch darüber hinaus gehen. Und schließlich sind wir zur Übereinkunft gekommen, dass es nur ein Selbst gibt, das sich – linear gesehen – mit der Quelle vereinigt, um wieder aus ihr hervorzuquellen und sich wieder vereinigt und wieder aus ihr ...“
Schon verstanden! Aber es gibt doch untere Welten, wo die Lebewesen weit vom Selbst und der Quelle entfernt sind.
„Ich habe das Wort – linear – erwähnt. Aber das Universum ist nicht immer linear. Es kann auch anders wahrgenommen werden.“
Deshalb meine ich ja, dass manche Lebewesen weiter sind.
„So gesehen hast du natürlich recht. Linear gesehen. Ja, da klettern sie von Welt zu Welt, von Lebewesen zu Lebewesen an den Leitern der Universen empor.“
Aber die höheren Lebewesen, die schon nah am Selbst sind, falls sie nicht bereits das Selbst sind, so wie du, erkennen, dass alles gleichzeitig passiert. Da fällt mir ein, dass Herr Karl mal meinte, dass das Wort – gleichzeitig – auch nicht gilt, weil 'Zeit' darin enthalten ist und jene Wahrnehmung mit Zeit und Raum nichts mehr zu tun hat.
„Falls sie nicht bereits das Selbst sind. Der Satz war gut. Und wie meinte oder meint Herr Karl noch? Sein, was du nicht nicht sein kannst. Sozusagen bist du ja schon alles. Also hängt sich das mit der Leiter auch wieder auf. Alle und alles ist/sind immer das Selbst. Es kommt stets auf die Perspektive an.“
Und so genannte höhere Wesen erkennen das.
„Es soll doch auch unter den Menschen welche geben, die das erkennen. Aber du zählst Menschen nicht zu den so genannten höheren Wesen.“
Ich glaube nicht, dass es Menschen gibt, die das wirklich so wahrnehmen.
„Wahrnehmen vielleicht nicht, aber erkennen.“
Und wie erkennen sie es?
„Ich glaube, das ist individuell verschieden und das so lange, bis sie ihre Individualität ablegen und sich der Tropfen in das unendliche Meer einfügt, wo er schon immer war.“
Wir haben das Meer nie verlassen.
„So in der Art.“
Ich bin wieder auf den Kurs gestoßen, bzw. auf einen, der den Kurs erklärt. Er sagt, die Welt ist eine Illusion, aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir in dieser Realität leben. Paradox, nicht wahr?
„Es muss also einen Grund geben, warum du hier bist.“
Jetzt sag ich – so in der Art. Aber ich erkenne keinen Sinn. Auch nicht im ewigen Öffnen und Schließen der Quelle und dem Emporklettern der Leiter.
„Muss es denn einen Sinn geben?“
Vielleicht ist ja doch der einzige Sinn die Freude an der Sache. Einfach nur Spaß haben.
„Alle und alles auf einmal?“
Funktioniert auch nicht. Dann seh ich wirklich keinen Sinn.
„Dann bist du wieder mal eine Sprosse höher geklettert, falls du die Leiter noch immer siehst.“

„Wahren Seelenfrieden gibt es also nur, wenn man der Welt entsagt.“
Zwangsbeglückung?
„Nun ja, in welche Richtung tendierst du? Aber lass diesmal die Faulheit aus dem Spiel!“
Irgendwie in beide Richtungen. Zwang bringt nichts. Wenn das Herz nicht dabei ist, wird alles wieder wie es war. Andererseits hemmen weltliche Besitztümer. Sagte doch schon Joshua in den Evangelien, dass kein Reicher jemals ins Himmelreich kommen kann, solange er sich an seinen Reichtum klammert. Entweder oder gibt es da nur.
„Sozusagen ist dein Herz nicht dabei und will gar keinen Seelenfrieden.“
Und wie es Seelenfrieden will! Aber ich glaube, den gibt es nur in den letzten Augenblicken des Todes, wenn der Kampf aufhört und man erleichtert loslässt. An irgendetwas klammert man sich doch immer und wenn es bloß ein Gedanke ist.
„Oder ans Ich.“
Das auf jeden Fall.



Alles zerfällt, setzt sich wieder zusammen, zerfällt wieder, usw. Die Wirklichkeit verwirklicht sich dadurch, indem sie Formen annimmt und wieder zerfällt, bis sie wieder Formen annimmt, usw. Herr Karl sagt auch sehr gerne, dass er Selbstgespräche führt, wenn er den Leuten in seinen 'Talks' Frage und Antwort stellt. Ich bin du.
„Wäre das nicht etwas zu einfach?“
Finde ich nicht. Ich bin da ganz auf seiner Seite. Es ist nur schwer, zu verstehen, warum ich mir nur dieses Lebens bewusst bin?
„Weil du linear wahrnimmst. Würdest du multidimensionales Bewusstsein entwickeln, wäre da schon mehr Wahrnehmung. Dennoch ist es noch immer nicht DAS, obwohl du DAS bist, sondern noch immer nur Verwirklichungen und nicht die Wirklichkeit.“
Entwickeln?
„Ein Versprecher. Ich sollte sagen: Würdest du dich im multidimensionalen Bewusstsein befinden, wäre da schon mehr Wahrnehmung.“
Und mit – DAS – meinst du die Quelle?
„Eher das Meer, denn die Quelle ist in unserer Theorie eher so was wie Energiespender. Das ewige Fließen oder viel mehr der ewige Kreislauf. Sie spült uns vielleicht nur durch.“
Egal! Das mit der Wahrnehmung war wichtig. Irgendwie kann ich jetzt verstehen, warum ich nur ich bin, obwohl ich alles bin.
„Nicht du bist alles. Die Wirklichkeit ist alles, indem sie sich zu allem verwirklicht. Das Energiemeer materialisiert sich. Aber das ist auch wieder linear und deshalb mit dem gewöhnlichen menschlichen Bewusstsein nicht verständlich.“
Ja, weil ich mir vorstelle – hier das Meer aus Energie und dort das materialisierte Meer. Also immer zwei Seiten oder eben nur eine, indem es entweder nur ein Energiemeer oder nur ein Materiemeer gibt. Wir erfinden schon wieder Wörter.
„Man braucht auch neue Wörter für neue Theorien.“
Sind sie denn neu?
„Was ist schon neu? Heißt es nicht: Alles schon da gewesen und bloß neu entdeckt?“
Auf jeden Fall finde ich Herrn Karls Ausführung nicht schlecht.Vielleicht sogar die am besten erklärte Version des Advaita.

Lässt sich das Ego tatsächlich reduzieren oder gar gänzlich entfernen, außer durch den Tod?
„Gut gesagt – außer durch den Tod, denn er zermalmt das Ego tatsächlich. Und ich fürchte, er ist auch der Einzige, der das kann.“
Wissen wir das?
„Natürlich nicht, aber durch all die heiligen und spirituellen Schriften kann man durchaus darauf schließen, dass der Tod das Ich auflöst. Sogar dein Freund Carlos schreibt, dass der Adler, falls die Rekapitulation nicht gut genug ausgefallen ist, dein Leben, quasi, dein Ich, mir nichts, dir nichts verschlingt.“
Mein Leben ist mein Ego?
„Ich lebe. Ich erlebe. Ja, würde ich schon so sagen.“
Würde ich an Demenz erkranken, wäre mein Ich ja auch weg.
„Nein, denn du erlebst ja noch immer etwas, wenn auch etwas chaotisch und undurchschaubar. Dein Leben geht weiter, aber eben anders als bisher. Vergangenes vergessen bedeutet nicht sein Ich zu vergessen. Das ist immer da, denn es ist ja das, was etwas erlebt – was sozusagen wahrnimmt.“
Also ist es Quatsch, was die heiligen und spirituellen Schriften aussagen, da sie ja auch empfehlen, das Ich auszulöschen. Na ja, nicht alle, aber wohl die meisten.
„Nicht das Ich, sondern den Egoismus. Don Juan spricht ja auch vom Eigendünkel, den die Zauberer vollkommen abgelegt haben, was nicht bedeutet, dass sie das Ego abgelegt haben.“

Klar komme ich immer wieder auf gewisse Themen zurück, da sie ja nie ausdiskutiert wurden.
„Bis ins kleinste Detail. Bis nichts mehr übrig bleibt.“
Genau so! Und vor allem aus Freude am Schreiben.
Das schöne Zen-Zitat mit der Blume, die eine Blume ist und eine Blume ist, ist doch so, dass die dritte Blume mit der ersten Blume gar nichts mehr gemeinsam hat. Die dritte Blume ist gar keine Blume mehr, da sie frei von Werten und Benennungen und und und ist.
„Genau so! Dasselbe betrifft dein ich-wir-ich.“
Ich bin da wieder auf etwas Paradoxes gestoßen. Wenn ich sage: Ich bin du, oder viel mehr: ich bin alles, - erkenne ich schließlich, dass es sich dabei um Verwirklichungen der Wirklichkeit handelt. Das zweite Ich hat also mit dem ersten auch nichts zu tun, denn hier kann 'ich' nicht mehr sagen, dass ich alles bin, denn 'ich' bin die Wirklichkeit. Zuerst bin ich alles, dann bin ich auf einmal nichts von all dem.
Seltsam, heute morgen, nach dem Aufwachen, erschien es mir klarer.
„Solange du wahrnimmst, bist du Teil einer Verwirklichung. Du nimmst nicht nur die so genannte Außenwelt, sondern auch dich selbst wahr. Alles Wahrnehmungen. Alles bloß Konzepte, den ein großer, aber unbekannter Regisseur in Szene setzt.“
Die Blase, in die wir fallen und die uns zu einer bestimmten Wahrnehmung zwingt. Wer tut so was? Wer erschafft so was wie diese blöden Blasen?
„Wer erschafft das blöde Universum?“
Wer ließ den blöden Urknall zu?
„Du siehst, wohin wir uns drehen und wenden – alles nur Konzepte, Theorien, Gedankenspielereien.“
Und nie und nimmer kommt man da auf den Punkt.
„Der Punkt, der sich schließlich selbst auflöst oder die Leiter, die schließlich weggeworfen wird. Und dennoch geht es weiter. Ein neuer Punkt formt sich und eine neue Leiter wird gezimmert. Der Zimmermann bleibt nicht aus. Auch nicht der, der dann wieder mal die Särge schnitzt.“

Bei meinem Schreibprogramm steht als Synonym zu Metaphysik 'Übersinnliches'. Das ist das, was über unsere 5 menschliche Sinne hinaus geht.
„Ich glaube, ich weiß, das übersinnlich bedeutet.“
Klar wissen wir das. Oder doch nicht?
„Nun ja, man kann sich nie sicher sein. Deshalb ist es gut, wenn man seine Sinne schärft, um dann vielleicht als Leuchtendes Wesen die ersten Hürden bereits hinter sich zu haben.“
Ach komm, nicht schon wieder Phantasie!
„Sagte nicht einer eurer berühmtesten Wissenschaftler, dass Phantasie wichtig ist? Und wenn du jetzt sagen willst: Bring doch nichts! Es bringt nie irgendwas was. Oder ist es nicht doch die Freude am morgendlichen Schreiben?“
Was mir manchmal schon zwanghaft erscheint.
„Es erscheint nur. Alles ist bloß Erscheinung, nicht nur dein zwanghaftes Schreiben, was dir aber zugleich auch Spaß macht. Selbst die Leuchtende Welt ist Erscheinung. Das gesamte Universum erscheint nur. Alles ist wie ein Film, der auf eine Leinwand gestrahlt wird.“
Die Leinwand ist der leere Raum. Der Film sind wir – also das Universum, samt Lebewesen. Aber was ist das, was ausstrahlt? Die Quelle oder das Energiemeer?
„Es ist einerlei, woher das Strahlen kommt. Nenn es Quelle, nenn es Seelenmeer oder Energiemeer oder wie auch immer. Du kannst es auch Gott oder Göttin nennen, aber das würde ich bleiben lassen, da ich auch Götter und Göttinnen zu den Erscheinungen zähle.“
Und jetzt sag noch mal, dass ich selbst das Strahlen bin! Und genau das ist es, was ich nicht verstehe. Ich versteh es schon, aber nicht so, wie es im Advaita erklärt wird. Ich bin bloß ein Teil dessen, was auf der Leinwand flimmert. Ein winziger, ein winzigster Teil!
„Warst du in dieser Beziehung nicht schon mal weiter?“
Ich entsinne mich nicht.
„Dann entsinne dich mal dieses Dialogs:
Es ist nur schwer, zu verstehen, warum ich mir nur dieses Lebens bewusst bin?
„Weil du linear wahrnimmst. Würdest du multidimensionales Bewusstsein entwickeln, wäre da schon mehr Wahrnehmung. Dennoch ist es noch immer nicht DAS, obwohl du DAS bist, sondern noch immer nur Verwirklichungen und nicht die Wirklichkeit.“
Nun?“
Du sagtest damals aber auch, dass nicht ich alles bin, da die Wirklichkeit alles ist und ich bloß ein Teil der Verwirklichung bin.
Übrigens, ich hab eben das Wort – entsinne – gebraucht, was mir höchst seltsam vorkommt. Sage, bzw. schreibe ich doch stets 'erinnere'.
„Das Unterbewusstsein spielt einem halt immer wieder kleine Streiche oder es möchte dich auf etwas aufmerksam machen. Aber wie gesagt, es geht darum, deine Sinne zu schärfen, sie zu erweitern. Lineare Wahrnehmung ist dabei leider nicht hilfreich.“
Multitasking. Im Vorspann einer Krimiserie ist die Protagonistin zu sehen, wie sie mit der linken Hand Wörter und mit der rechten Hand Zahlen schreibt. Hab ich mal probiert und bin gescheitert.
Ich werde also nie wahrnehmen, DAS zu sein.
„Nein, weil du DAS BIST. Das ist ja das Paradoxe und vielleicht auch der Grund, warum der Herr Karl so viele 'Talks' abhaltet, weil dieses Phänomen so schwer zu verstehen ist.“
Wenn überhaupt.
„DAS oder die Quelle oder als was auch immer du es benennen magst, nimmt nicht wahr. Es IST und es strahlt das aus, was es IST.“

So ham (ich bin er). Mein morgendliches Ritual, nachdem ich mich angezogen habe. Aber ich werde nie 'er' sein, weil ich immer nur die Verwirklichung sein werde.
„Noch immer nicht verstanden?“
Ich bin der Traum. Ich bin die Geträumte. Ich bin ein winzigstes Teilchen der Verwirklichung und nicht mehr und nicht weniger.
„Ja, weil du dich als das wahrnimmst. Nur – Wahrnehmung ist Illusion. Sein wirst du immer DAS.“
Warum nennen wir es jetzt 'DAS'?
„Es ist einfacher als Quelle oder wie auch immer. Bei Quelle stellt man sich stets etwas vor, wo was herauskommt. Energiemeer oder Seelenmeer ist etwas, das gespeist werden sollte. DAS ist neutral. Du könntest es auch TAO oder ZEN nennen, - eben das, was nicht benannt oder erklärt werden kann, weil es sich selbst durch Verwirklichungen erklärt.“
Gut, und ich bin ein winzigster Teil dieser Verwirklichung.
„Nein, du nimmst dich als solchen wahr. Du BIST DAS und das wird immer so sein. Alles IST DAS - alles und jeder und jede. Aber es nimmt sich als Verwirklichung wahr. Hier die Wahrnehmung und dort das Sein. Das Sein kannst du nicht leben, auch nicht sterben. Das Sein kannst du nur SEIN.“

„Du wirst immer für oder gegen etwas sein. Kaffee oder Tee am Morgen? Weiß- oder Schwarzbrot? Marmelade oder Käse? Und so geht es den ganze Tag weiter. In jedem Moment entscheidest du dich für oder gegen etwas.“
Das ist ja logisch, denke ich mal. Sonst könnte ich gleich im Bett bleiben.
„Schon das ist ein Für oder Gegen. Du entscheidest dich dafür, im Bett zu bleiben.“
Ja klar! Aber es ist doch etwas anderes, als sich für zwei sich streitende Parteien einzusetzen.
„Tust du ebenso. Krieg oder Frieden? Was ist dir lieber?“
Natürlich Frieden!
„Siehst du! Es ist also unmöglich für dich weder für noch gegen zu sein, wie die alten Weisen gerne predigen.“
Sie sind in anderen Welten, wenn sie das selbst wirklich können.
„In Samadhi. Das ist der Zustand, wo die Welt das ist, was sie ist. Es gibt keine anderen Welten.“
Das sagtest du schon mal.
„Es gibt andere Planeten und vielleicht andere Universen, aber die Welt ist immer das, was sie ist.“
Und was?
„Die Verwirklichung der Wirklichkeit. Wie lange dauert es, bis endlich etwas in dein Bewusstsein sickert, dass es da auch bleibt?“
Das nennt man Manipulation.
„Sagten wir nicht auch schon, dass das ganze Leben – von Geburt bis zum Sterben – Manipulation ist? Von klein auf wird dir alles eingeredet. Von klein auf wird dir die Welt erklärt.“
Und ich glaube das, was mir von klein auf erklärt wird. Damals war ich noch leichtgläubig. Heute stelle ich alles in Frage und kann nichts mehr glauben.
„Nichts – würde ich nicht sagen. Du glaubst noch immer das, was dir erklärt wurde. Zuerst war das Huhn, dann das Ei. Oder?“
Der westliche Geist ist nun mal so. Leider – sage ich. Mir gefällt ja auch die östliche Anschauung besser. Zuerst das Ei, dann das Huhn, das aus dem Ei schlüpft, so wie die Materie sich aus dem Geist entwickelt. Aber im westlichen Denken dominiert nun mal nur das, was man mit seinen gewöhnlichen, fünf menschlichen Sinnen wahrnehmen kann, auch wenn es sehr oft heißt, dass Wahrnehmung täuscht.
Wenn mir also bewusst ist, dass all das hier nichts als eine Illusion – sozusagen eine …
„Lassen wir das mit der Illusion, solange du noch immer meinst, dass Verwirklichung wirklich ist. Es mag zwar bedeuten, dass es so was wie Illusion ist, aber wie du stets sagst, du bist nun mal hier und nimmst das alles als gegeben hin.“
Als was soll ich das alles hier sehen? Reine Wahrnehmung?
„Ob rein oder unrein, bleibt dir überlassen. Aber ja – das alles hier ist Wahrnehmung. Du nimmst wahr und beginnst darüber nachzudenken. Indem du nachdenkst, sinkst du tiefer in das hinein, was du wahrnimmst. Durch das Denken machst du es persönlich und schon steckst du mitten im Dilemma, was wir einst die menschliche Bewusstseinsblase nannten.“
Ich habe eben einen deiner Sprüche gesucht und gefunden, den du mal vor langer, langer Zeit sagtest: „Wahrnehmung kann nicht täuschen. Was täuscht, sind die Interpretationen dazu.“
„Deshalb sagte ich vorhin, dass du den Begriff 'Illusion' beiseite lassen solltet.“
Und – dass, wenn das Denken einsetzt, die Persönlichkeit, das Ich die Führung übernimmt. Aber das Ich werde ich auch nicht los.
„Na und? Das ist nun mal die Verwirklichung der Wirklichkeit! Akzeptiere! Oder mach es so, wie Don Juan predigte: Akzeptiere ohne zu akzeptieren.“

Das ist auch so ein Paradoxon – akzeptiere ohne zu akzeptieren. Entweder oder!
„Sowohl als auch.“
Dann haben wir doch das 'Problem' gelöst, dass ich weder für oder gegen was bin. Ich bin für beides!
„Für Krieg und für Frieden?“
Manchmal sind Kriege nötig. Da brauchen wir uns gar nichts vormachen. Kriege gibt es, seit es Menschen gibt. Selbst unter Tieren gibt es Krieg, wenn sie ihr Revier verteidigen. Und Angreifer gibt es immer.
„Stimmt schon, denn auch Naturvölker, für die wir ja so sehr eintreten, führen so genannte Stammeskriege“
Na ja, ganz so sind wir aus der Sache nicht raus. Schon gar nicht beim Akzeptieren ohne zu akzeptieren.
„Die Welt ist eine Illusion. Akzeptierst du das?“
Jein.
„Okay, ich hätte es wissen müssen. Bleiben wir dennoch bei diesem Beispiel. Also, du akzeptierst, dass die Welt eine Illusion ist – du mit eingeschlossen natürlich und alles, was lebt und fliegt und schwimmt und wächst. Du weißt auch, dass Wahrnehmung täuschen kann, was dich noch mehr akzeptieren lässt, dass die Welt eine Illusion ist.“
Du redest um den heißen Brei herum. Gut, ich akzeptiere, dass die Welt eine Illusion ist, auch aus dem Grund, dass nichts so bleibt, wie es ist. Ständige Veränderung. Was wirklich ist, kann sich nicht verändern. Aber was gibt es da noch, was ich daran nicht akzeptiere?
„Es heißt ja nicht, dass du nicht akzeptieren sollst, sondern akzeptieren ohne zu akzeptieren. Es bedeutet nicht ja und nein zugleich, wie du oben meintest, das 'Prtoblem' gelöst zu haben.“
Das war nicht ja und nein zugleich, sondern zu beidem ja. Sozusagen sowohl als auch.
„Okay, dann ist es ein Missverständnis meinerseits. Aber ich glaube viel mehr, du meinst das ja und nein zugleich.“
Neti neti.
„Oh, du hast es also nicht vergessen. So kommen wir der Sache tatsächlich näher. Neti neti – nicht dies und nicht das.“
Es ist also die Verneinung. Während sowohl-als-auch das Ja ist, ist nicht-dies-nicht-das, das Nein.
„Wenn die Welt eine Illusion ist, ist sie nicht dies und nicht das.“
Das ist DAS auch nicht, denn über DAS lässt sich nichts sagen. Es lässt sich nicht wahrnehmen.
„So weit sind wir also schon?“
Sehr witzig.
„Mit diesem Satz hast du 'akzeptieren ohne zu akzeptieren' bereits erklärt. Jetzt könntest du es, wenn du tiefer gehst, verinnerlichen.“
Versteh ich nicht. Mal langsam. DAS (die Wirklichkeit) verwirklicht sich. Die Verwirklichung ist die Welt und alles, was darin lebt. Wird akzeptiert.
„Nicht wirklich, denn du weißt, dass DAS sich nicht fassen lässt. Du kannst nichts wirklich akzeptieren, was nicht wirklich ist. Also akzeptierst du ohne zu akzeptieren.“
Das ist an den Haaren herbei gezogen.
„Es ist ein Spiel. Nimm es also nicht so ernst. Wir wissen doch, dass all dieses Bemühen, auf den so genannten grünen Zweig zu kommen, der uns sicheres Land verspricht, nichts bringt, da es kein sicheres Land gibt.“
Und den grünen Zweig?
„Den gibt es! Der ist nämlich so was wie die Karotte, die man an einem Stock vor des Esels Maul bindet, damit er brav marschiert.“