Kim 10.Buch

Am nächsten Morgen, nachdem Maggie zu Elmar in die Stadt gefahren war, kam Kim noch etwas verschlafen in die Küche. Er wirkte ruhiger als sonst. Er war nicht verschlossen wie früher, sondern ruhig und nachdenklich. Ich fühlte, daß er nach den richtigen Worten suchte. Äußerlich war er wirklich ruhig, aber seine innere Sorge und Unruhe machte mir Sorgen. Der Traum der letzten Nacht ließ ihn nicht zufrieden.
"Du hast dich noch immer nicht richtig ausgesprochen, Kim. Ich fühle, daß dich noch immer etwas quält", sagte ich, nachdem wir uns umarmt und geküßt hatten.
Kim lehnte sich lässig an die Arbeitsplatte und sah mich prüfend an.
"Ich habe mich schon richtig ausgesprochen, aber du hast mich nicht richtig verstanden, Maria. Oder - du wolltest mich nicht richtig verstehen."
"Doch Kim, ich habe dich richtig verstanden. Du hast Angst, daß deine Kräfte Oberhand bekommen und du sie nicht mehr in Zaum halten kannst, wenn du bedroht wirst.
Du hast einmal gesagt, daß du immer dein Herz behalten willst, - heute mehr denn je, - also warum solltest du ausgerechnet jetzt aggressiv werden, wo du deinem Herzen viel näher bist, als früher?"
Kim stöhnte auf und warf seinen Kopf in den Nacken, daß er fast an die Küchenschränke hinter ihm gestoßen wäre.
"Ich habe mir früher immer gewünscht, ein normaler Mensch zu sein, der die selben Rechte hat, wie jeder andere, - nicht mehr und nicht weniger. Ich wollte ein bißchen Anerkennung, - ich wollte Freunde und geliebt werden. Ich wollte ganz einfach akzeptiert werden. War das denn zu viel, was ich wollte?
Okay, das habe ich jetzt in Überfluß. Ich habe wohl die höchste Anerkennung unserer Freunde, die ich eigentlich gar nicht will. Ich bin ihnen wirklich dankbar, daß sie so treu zu mir halten, und ich freue mich auch, daß mich meine Fans so lieben.
Aber jetzt wurden mir all meine Kräfte bewußt, die ich nie haben wollte."
"Du bist dir jetzt bewußt, wer und was du bist, Kim. Darüber haben wir letzte Nacht doch schon gesprochen. Du bist durch und durch ein Leuchtendes Wesen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als du mir auf Fuerteventura deine Lebensgeschichte erzählt hast und andauernd gegen die Gesellschaft gewettert hast. Du wirst dieses System niemals verstehen, - nicht einmal richtig fühlen können. Es ist nicht deine Welt, Kim.
Und jetzt weiß ich auch, daß du immer ehrlich warst und nichts und niemanden ausgenutzt hast. Du warst stolz und hast nie etwas von den Menschen angenommen, sondern es tausendfach zurück gegeben.
Du lebst noch immer bescheiden, obwohl du wie ein Krösus leben könntest. Und ich weiß auch, warum du noch immer all diese Geschäfte machst, obwohl sie dir verhaßt sind, - nur, damit es unsere Mädchen einmal leichter haben und sich keine Geldsorgen machen müssen, - daß sie die Zeit dazu haben, das Wesentliche, nämlich ihr Herz, zu finden.
Du bist gut, Kim. Du hörst auf dein Herz, und du kennst deinen Weg. Es ist auch logisch, daß man bei dieser Aufgabe mehr kämpfen muß und mehr an sich arbeiten muß, als alle anderen. Gott hat sich nicht geirrt, Kim. Er war wohl der einzige, der gesehen hat, wie sehr du mit dir gekämpft hast. Mit dir, Kim und nicht gegen deine Peiniger! Und das muß man erst einmal richtig verstehen, um dich auch zu kennen. Der große Schöpfer liebt dich wohl mehr als seinen Sohn."
"Seinen Sohn?", fragte Kim und sah mich mit großen Augen an.
"Ja, seinen Sohn Jesus!"
Kim lächelte und schloß kurz seine Augen.
"Kim, du hast mehr gelitten, als Jesus. Du warst einsamer und hast Schmerzen auf dich genommen, wie kein anderer. Das hätte kein Mensch und kein anderes Wesen ausgehalten.
Unsere Welt ist nicht gut, Kim. Sie gehört schon zu sehr zum Bösen. Das ist eben das einzige, das du wirklich nicht verstehen und schon gar nicht fühlen kannst. Das ist dein einziges Problem. Ja, du magst alles verstehen, - das gesamte Universum mit seinen Lebewesen und auch Gott, den du die Quelle der Kraft nennst, - aber das Böse, Kim, - das wirst du in aller Ewigkeit niemals verstehen.
Sei doch stolz auf dich und laß dich nicht mehr von den deinen Zweifeln und deiner Angst beirren."
Kim lächelte bitter und setzte sich an den Tisch.
"Du kannst das nicht verstehen, Maria. Wir reden aneinander vorbei. Meine Kräfte sind unvorstellbar. Sie wachsen noch immer. Wenn ich im Reich des Böse kämpfe, oder mich, wie hier auf der Erde, bei den Tourneen verausgabe, bin ich müde und habe meine Kräfte erschöpft. Aber, was ich gegeben habe, das kommt viel stärker zurück. So gesehen wachsen meine Kräfte ständig.
Ich bin und war nie ein gutgläubiges Leuchtendes Wesen, Maria. Ich kenne das Böse wie kein anderer. Ich bin auch ein Mensch, und ich habe den Stein der Könige in mir. Diese drei Seiten sind in mir und noch vieles mehr. Verstehst du das nicht? Die größte Sorge macht mir die menschliche Seite, so sehr ich sie mir immer gewünscht habe. Ich war nicht immer so konsequent, wie du denkst, Maria. Ich habe dir doch erzählt, daß ich in London mit einem Springmesser herum gelaufen bin. Ich habe mich mit den Kids auf der Straße geschlagen."
"Du hast andere Kids verteidigt, Kim. Du hast dich nicht deinetwegen mit den Kids geschlagen, sondern schwächeren Kids geholfen. Und du hast nie getötet, Kim. Du hattest schon damals deine Kräfte im Griff. Du wolltest dein Herz nie verlieren. Das hast du auch nie getan. Das waren doch deine Worte."
Kim schüttelte verzweifelt seinen Kopf.
"Maria, ich habe Kräfte in mir, mit denen ich das gesamte Universum zerstören könnte."
"Das willst du doch nicht, oder?"
"Natürlich nicht!", fuhr er auf. "Aber ich fühle, daß diese Gewalt in mir steckt. Ich will diese Kraft nicht. Sie zerstört mein Herz, Maria."
"Du spürst die Kampfkraft in dir, die du nur im Reich des Bösen brauchst. Deine Kraft ist größer geworden und somit auch deine Kampfkraft. Leuchtende Wesen können nicht kämpfen und kennen keine Gewalt. Aber du bist durch deine Aufgabe dazu gezwungen. Deshalb hast du auch den Stein der Könige in deinem Herzen, der dir Kampfkraft gibt. Du bist ein Leuchtendes Wesen, das dazu gezwungen ist, zwei fremde Seiten in sich aufzunehmen. Die erste Seite ist der Stein der Könige, und die zweite Seite ist der Mensch in dir, der die grausamen Regeln der Menschen aufnehmen und danach leben muß. Aber dein Herz muß doch die wahre Seite in dir erkennen. Dein Herz ist nur gut und kann mit der Kampfkraft nichts anfangen. Das erschreckt dich immer mehr und macht dich nachdenklich."
"Wenn ich mich erschrecke, oder mich bedroht fühle, weiß ich nicht mehr, wie ich reagiere, Maria. Dann setzen meine Kräfte blind und unbewußt ein, und das wäre eine Katastrophe. Die letzten Träume haben es mir gezeigt. Ich sehe den Käfig nicht mehr, und ich weiß nicht, ob das so gut ist. Er hat meine Kräfte immer gebändigt und mich demütig gemacht, - nicht nur mein Herz. Aber jetzt ist der Tiger frei und kann seine Krallen zeigen."
"Es ist ein neues Gefühl für dich, Kim. Du mußt dich erst daran gewöhnen, daß du frei bist Du kannst deinen Gefühlen freien Lauf lassen und brauchst dich nicht mehr zu verstecken."
"Maria, meine Gefühle bestehen auch aus Haß und Gewalt."
"Nein, Kim, - du sagtest selbst, daß wir beide nicht hassen können, - höchstens verachten. Ja, du kannst wütend und sogar zornig werden, aber du kannst niemals hassen. Das Leuchtende Wesen in dir, - das Wahre, würde es niemals zulassen. Es würde dich töten, so wie du das in deiner Vergangenheit richtig gefühlt hast.
Du hast dich nicht verändert, Kim. Nichts kann dich verändern."
Kim erhob sich seufzend und lehnte sich wieder an die Arbeitsplatte. Ich stand auf und ging zu ihm. Sanft legte ich meine Arme um seine schmalen Hüften und streichelte unter seinem Pulli seine weiche Haut. Langsam tastete ich zu seiner Brust hoch. Als ich seine Brustwarzen fühlte, die bei dieser zarten Berührung sofort steif wurden, zuckte ich zurück.
"Verzeih, Kim. Das wollte ich jetzt nicht", sagte ich leise.
"Doch, Maria, - tu es", flüsterte er heiser und nahm meine Hände, um sie zu seiner Brust zu führen. "Berühre mich. Ich brauche jetzt deine Liebe mehr denn je. Nur damit kannst du mir helfen."
"Finde endlich zu dir, du sanftes Elfenwesen. Du sagtest doch selbst, daß du alleine kämpfen mußt, um endlich frei zu sein", sagte ich sanft.
"Ich kämpfe, mein Mädchen. Ich tu, was in meiner Macht steht. Spürst du denn nicht, daß du immer zu viel von mir verlangst?", sagte Kim stöhnend, als ich mit beiden Händen seine Brustwarzen streichelte.
"Du verlangst zu viel von dir, Kim. Nur du."
Er legte seinen Kopf in den Nacken und stöhnte wieder genüßlich auf.
"Mach meine Jeans auf. Berühre mich, mein Mädchen...."
"Jetzt? Hier?", fragte ich und sah Kim groß an.
"Ja, - jetzt und hier, - bitte....", hauchte er stöhnend.

Kim 10. Buch

Es war Nacht.
Kim und ich bereiteten uns für einen Kampf im Reich des Bösen vor. Nackt standen wir mitten im Schlafzimmer, nahmen uns an den Händen und konzentrierten uns. Sekunden später befanden wir uns auf dem schlammigen Boden zwischen den häßlichen, fleischigen Pflanzen, die ihre giftigen Ranken nach uns ausstreckten. Ich zuckte zusammen, als ich vor uns eine riesige Gestalt sah. Es war Galdron, unser Freund.
In diesem Moment dachte ich, daß Kim gar nicht böse sein kann. Er hätte Galdron vernichten können, als er den Planet der Takinos gerettet hatte, aber durch seine Liebe blieb der Dämon verschont, als Kim spürte, daß er nicht mehr gefährlich war. Ein anderer hätte Rache genommen, - nur Kim nicht, weil er spürte, daß dieser Dämon die Chance hatte, ein Lebewesen zu werden.
Ich sah Kim an und verging fast unter seiner strahlenden Schönheit. Sein leuchtender, vollkommener Körper war noch muskulöser geworden. Das lange, goldblonde Haar berührte fast den Boden. Seine Augen stachen in meinem Kopf und durchdrangen mich schmerzlos wie Speere. Ich liebte diese golden glänzende Farbe seines Haares und die bernsteinfarbenen, leuchtenden Augen unter den schwarzen Brauen und den dichten, schwarzen Wimpern. Seine Nacktheit wirkte noch erotischer, als auf der Erde. Ich schämte mich ein bißchen, als ich in diesem Moment das Verlangen nach diesem göttlichen Wesen spürte.
Kims Augen wanderten über meinen Körper. Dann lächelte er sanft und gab mir zu verstehen, daß ich mich nicht schämen soll, - für Liebe darf man sich niemals schämen....
Galdron, der Hüne mit dem flammend roten Haar, kam langsam auf uns zu und zeigte stumm mit dem rechten Arm auf die Seite. Dort lauerten im Dickicht der Schlammpflanzen unzählige Dämonen. Die Kraft hatte uns doch wieder zum rechten Zeitpunkt informiert.
Plötzlich flog ein riesiger Dämon auf uns zu. Als sein Schatten über mir lag, lähmte er mich. Ich stand wie angewurzelt da und konnte mich nicht mehr bewegen. Galdron ging es ebenso. Auch er stand bewegungslos, wie eine Statue, da. Nur Kim konnte dieser Schatten nichts anhaben. Er spreizte seine Finger mit den überlangen Krallen und fletschte seine Zähne, wie ein Raubtier, dem Ungeheuer entgegen. Ein leichter Windhauch wehte durch seine goldene Mähne. Die Muskeln seines herrlichen Körpers waren angespannt. Der Ausdruck in seinen Augen war angsterregend und todesmutig. Dann nahm ich einen lauten, unmenschlichen Schrei wahr, der tief aus Kims Kehle kam. Mit einem weiten, hohen Satz stürzte er sich auf den Dämon und zerriß ihn mit seinen Krallen in der Luft. Aber schon war ein zweiter Dämon da, der uns abermals lähmte und ein nächster und wieder ein nächster, bis uns sicher 20 dieser grauenhaften, fliegenden Bestien umzingelt hatten.
Kim lehnte hilflos an den graubraunen, nackten, kalten Felsen. Die Dämonen kümmerten sich nicht um uns. Sie hatten es nur auf Kim abgesehen. Wenn sie ihn erst einmal getötet haben, wäre es nur mehr ein Kinderspiel für sie, uns zu vernichten.
Auf einmal breitete ein Dämon seine flügelartigen Arme aus. Aus seinen dürren Fingern schossen glühende Eisendrähte, die sich um Kims Arme wickelten und ihn an den Felsen schmiedeten. Aufschreiend vor Schmerz warf Kim seinen Kopf in den Nacken. Im nächsten Moment, als er seinen Kopf wieder vorneigte, sah ich all seine fürchterliche, tödliche Kraft in seinen Augen. Sie wurden ganz schmal und sandten Blitze auf die näherkommenden Dämonen, daß sich die meisten sofort auflösten. Unter Kims fletschenden Lippen erschienen riesige, spitze Zähne, die mich an den schwarzen, riesigen Panther erinnerten, in den er sic damals vir Armin verwandelte, um ihm damit Kraft zu geben, seine Liebe zu ihm leichter zu ertragen. Kim wirkte mehr als angsteinflößend, aber trotz allem noch immer wunderschön wie ein göttliches Fabelwesen.
Gerade, als sich drei Dämonen auf ihn stürzen wollten, dehnten sich seine Brustmuskeln, und mit einem gewaltigen Ruck riß er sich vom Felsen los. Ich wollte schreien, aber meine Lähmung ließ es nicht zu. Ich spürte den unmenschlichen Schmerz fast selbst, als ich sah, daß sich Kim bei seiner Befreiung beide Arme an den Schultern abgerissen hatte. Sie hingen noch immer angeschmiedet an den Felsen, während sein Körper mit dem Kopf voraus auf die Dämonen stürzte. Kim wirbelte armlos herum, bohrte seinen Kopf in die ekligen Wesen, zerfetzte sie mit seinem Raubtiergebiß, trat mit den Beinen um sich, an deren Zehen ebenso lange Krallen waren wie an den Fingern und zerstörte einen Dämon nach dem anderen.
Jetzt erkannte ich, welche Kraft in ihm steckte, die er nie zuvor so eindrucksvoll demonstriert hatte. Nicht einmal damals, als er über sich hinaus wuchs und die Dämonen mit einem Schlag erledigte und Kathys Seele damit rettete. Jetzt reagierte wirklich der Haß über ihn, und das trieb all seine Kraft aus seinem schönen Körper, was Galdron und ich staunend und ängstlich zugleich mit ansehen mußten. Kim wirkte wie ein reißendes Tier. Seine unheimliche Schnelligkeit, sein gewaltiges Gebiß und seine stechenden Augen erinnerten mich nicht mehr an den sanften, zärtlichen Mann, mit der tiefen, sonoren Stimme. In diesem Moment hatte ich wirklich Angst, daß seine Kampfkraft Überhand nehmen könnte und er nicht mehr von Freund und Feind unterscheiden könnte. Denn auch als er kurz zu uns herüber blickte, veränderte sich seine wütende Grimasse keineswegs.
Kim räumte mit den Dämonen unerbittlich auf. Seine Schmerzen waren unerträglich, aber sie hinderten ihn nicht, einen nach dem anderen zu zerfetzen. Dabei bekam er auch einiges ab.
Beim letzten Dämon konnte er kaum mehr stehen. Er packte das unförmige Wesen mit seinen Beinen und riß es zu Boden. Der Dämon wäre fast entkommen, wenn Kim nicht sein Raubtiergebiß in den ekligen, stinkenden Körper gehauen hätte. In diesem Moment löste sich die Bestie auf, und Kim lag erschöpft und wimmernd, mit unvorstellbaren Schmerzen, am Boden. Somit war auch unser Bann gebrochen, und Galdron und ich konnten uns wieder bewegen. Kim war kein Leuchtendes Wesen mehr, das mich gleichzeitig an den schwarzen Panther erinnert hatte – Kim war wieder zum Menschen geworden …
Galdron löste schnell Kims Arme von dem Felsen, die auch menschlich geworden sind und schon fast blutleer an den Ketten hingen und legte sie an sein Schultern. Kim krümmte sich am Boden und schrie laut vor Schmerz auf, als ich vorsichtig über seine Wunden streichelte, die sich sofort wieder schlossen. Bei seinen Armen ging ein kalter Schauder durch meinen Körper, als ich sie an die Schultern drückte und hoffte, daß sie wieder anwachsen. Selbst Galdron drehte seinen Kopf zur Seite, da er Kim genauso wenig leiden sehen konnte, wie ich. Meine Heilkraft siegte, und zusammen mit Galdron half ich ihm auf die Beine. Als wir ihn los ließen, war er wieder ein Leuchtendes Wesen. Aber seine Leuchtkraft war um vieles schwächer geworden. In diesem Kampf hatte er auch einiges seiner Kraft eingebüßt.
Noch etwas unsicher auf seinen Beinen, ging er langsam auf den Ausgang zu. Galdron und ich folgten ihm. Kim warf dem Hünen nur einen dankbaren Blick zu.
In der nächsten Sekunde befanden wir uns in unserem Schlafzimmer, und Galdron war auf die Leuchtende Welt zurück gekehrt.

Kim 11. Buch

Als wir zur Garage hochfuhren, sahen wir das Auto unseres Hausarztes Doktor Schäfer vor dem Tor stehen.
Im Vorzimmer begrüßte uns Maggie stürmisch.
"Warum ist Doktor Schäfer hier?" fragte ich?
"Warum hast du ihn jetzt im Wohnzimmer eingesperrt?" stellte Kim die Frage.
"Er wollte alleine sein, bis ihr kommt."
Kim nickte stumm und ging ins Wohnzimmer.
Ich warf Maggie einen fragenden Blick zu und folgte Kim.

Unser Hausarzt stand sofort auf, als wir eintraten.
"Es tut mir leid, daß ich so plump eingedrungen bin", entschuldigte sich der nette Mann.
Kim lachte und bot ihm wieder Platz an.
"Wie oft bin ich denn bei ihnen eingedrungen?"
"Das war etwas anderes, Kim. Immerhin war ich dein Arzt und war gerne für dich da. Das weißt du hoffentlich."
"Hat ihr Besuch einen besonderen Grund?", fragte ich.
"Eigentlich nicht. Ich wollte Kim nur wieder sehen", sagte Doktor Schäfer. "Damals, als er so oft zu mir kam, war das wirklich eine schöne Zeit für mich. Der berühmteste Mann der Welt hat mich gebraucht.
Das hat mir sehr viel bedeutet, Kim. Ich erinnere mich gerne an diese Zeit, obwohl sie für dich nicht so schön war."
"Sie war schön. Die Zeit, in der ich bei ihnen sein durfte, war wirklich schön für mich", sagte Kim leise.
"Du hast mir alle deine Probleme erzählt, - deine Träume und hast mir deine Seele offenbart, wie keinem anderen Menschen", sprach der Arzt weiter. "Ich glaube, daß ich dich durch und durch kenne. Du hast mir sehr viel anvertraut, und ich habe dein Vertrauen niemals gebrochen.
Wissen sie, Maria, - Kim hat damals sehr oft bei mir übernachtet. Er schlief sogar nackt neben mir im Doppelbett. Ich habe diese Situation niemals ausgenutzt, weil ich Kims Schmerz kannte.
Ich hatte nie Kinder, aber Kim gab mir damals das Gefühl, einen Sohn zu haben, der mich braucht. Das bedeutete mir viel mehr, als sein Körper, - ohne ihn jetzt zu verschmähen.
Aber das weißt du selbst, Kim. Wer begehrt dich nicht?
Wir haben oft zusammen gefrühstückt. Dann war für uns beide die Welt in Ordnung.
Ich möchte dir auch für alle CDs danken, die du mir signiert geschickt hast, wie du es versprochen hast. Diese Werke riefen allen Erinnerungen in mir zurück. Wenn ich auf dem Fauteuil saß und deine Musik hörte, war es, als ob du neben mir auf der Couch liegen würdest, wie früher.
Aber jetzt brauchst du mich nicht mehr. Jetzt hast du endlich deine Maria. Das macht mich glücklich, denn ich wollte immer, daß du einen Menschen findest, der dich so liebt, wie du bist. Einen Menschen, - der deine Seele liebt, nicht nur deinen Körper.
Ich kann ihnen sagen, Maria, - dieser Mann hat eine Seele, die kostbarer ist, als der wertvollste Edelstein dieser Welt.
Ich ging vor einem Jahr in Pension", sprach Doktor Schäfer nach wenigen Sekunden weiter. "Jetzt fühle ich mich eigentlich ziemlich einsam und nutzlos. Das soll kein Vorwurf sein, Kim. Ich möchte dir damit nur sagen, daß du damals keine Last für mich warst, sondern mir die schönsten Stunden meines Lebens gegeben hast."
Kim stand vom Fauteuil auf und setzte sich zu Doktor Schäfer auf die Couch. Sanft nahm er dessen Hand und sah ihn prüfend an.
"Was ist los? Das ist doch nicht der einzige Grund, warum sie gekommen sind."
"Bist du jetzt wirklich glücklich, Kim?", fragte der Arzt leise.
"Wenn ich es nicht wäre, hätten sie wieder schlaflose Nächte", meinte Kim lächelnd.
Doktor Schäfer wandte sich zu mir.
"Werden sie immer für ihn da sein, Maria?"
"Darauf können sie sich verlassen. Ich würde Kim nicht einmal ein Haar krümmen. Ich werde seine empfindsame Seele so behandeln, daß er nie mehr traurig sein muß. Kim hat jetzt wirklich alles, wovon er schon immer geträumt hat."
"Dann ist ja alles gut. Das wollte ich wissen. Ich könnte es nämlich nicht mehr ertragen, wenn dieser gute Junge noch immer leiden muß. Falls ihr mich einmal braucht, - wenn ich auch schon in Pension bin, möchte ich trotzdem für euch da sein."
"Wir hätten niemals an jemand anderen gedacht", sagte Kim lächelnd.
Doktor Schäfer nickte zufrieden und erhob sich langsam. Plötzlich zuckte der alte Mann zusammen und begann fürchterlich zu husten. Kim stützte ihn und half ihm, sich wieder zu setzen.
"Sie sind krank!", stieß Kim hervor und kniete sich besorgt vor dem Arzt auf den Boden.
"Ja, ich bin krank", stöhnte Doktor Schäfer erschöpft nach dem Hustenanfall. "Ich werde nicht mehr lange leben."
Kim schloß seine Augen. "Und das wollten sie mir nicht sagen...", flüsterte er und schluckte seine Tränen.
Ich spürte, wie sich ihm das Herz zusammen zog. Der Schmerz, zu erfahren, daß ein Mensch, der sein ganzes Vertrauen hatte, bald sterben muß, quälte Kim zutiefst.
"Ich wollte dich nicht beunruhigen, Kim. Ich fühle doch, daß du mich magst, sonst wärst du nie zu mir gekommen. Ich wollte dich nur noch einmal sehen, - das war alles."
Kim stand langsam auf und ging zum Fenster, um seine Tränen zu verbergen.
"Wann müssen sie ins Krankenhaus?", fragte er leise, ohne sich umzudrehen.
"Im wenigen Tagen."
Kim atmete tief durch und wischte sich die Tränen ab. Dann drehte er sich um und sah Doktor Schäfer entschlossen an.
"Ich werde mitkommen und nicht von ihrer Seite weichen. Tag und Nacht werde ich bei ihnen im Krankenhaus bleiben."
Der dickliche, kleine Mann stand auf und warf sich in Kims Arme.
"Ich hätte nie gewagt, diese Bitte zu äußern. Es war mein innigster Wunsch, neben dir zu sterben, Kim."
Ich mußte das Zimmer verlassen. Diese Traurigkeit, wie sich beide Freunde weinend in den Armen lagen, konnte ich nicht ertragen. Kim mußte wieder einen Menschen verlieren, den er in sein Herz geschlossen hatte. Wie oft wird das noch passieren? Ich hatte wieder Angst vor der Zukunft...


Kim hielt sein Versprechen. Am Morgen des 4. Febers fuhren wir beide zu Doktor Schäfer und brachten ihn ins Krankenhaus. Kim hatte schon am Vorabend alles mit den Ärzten im Krankenhaus geregelt. Sie gestatteten ihm, bei unserem Hausarzt zu bleiben.
Zwei Betten standen im Krankenzimmer. Eines für Doktor Schäfer und eines für Kim.
Tagsüber blieb ich bei den beiden im Krankenzimmer. Nachts war ich zu Hause, - alleine. Diesmal war der Trennungsschmerz nicht so groß. Die Trauer um unseren Arzt war größer...
Von Tag zu Tag verschlechterte sich sein Zustand.
In der vierten Nacht war Doktor Schäfers Todesstunde.
Kim schlief in den Nächten kaum. Das kleinste Geräusch ließ ihn hoch fahren und er mußte immer besorgt auf seinen alten Freund schauen.

In dieser letzten Nacht spürte Kim, daß es so weit war. Er legte sich nicht mehr ins Bett, sondern blieb auf einem Sessel neben Doktor Schäfers Bett sitzen und beobachtete ihn.
Der Arzt blickte auf. Er spürte ebenso, daß der Tod in greifbarer Nähe war, und er spürte die Angst davor. Mit schwacher Stimme bat er Kim, sich zu ihm zu legen und ihn in seinen Armen zu halten.
"Ich will jetzt deine Nähe spüren, - deinen Körper, nach dem ich mich immer so gesehnt habe. Aber ich wollte dir nie weh tun...."
Kim nickte und legte sich auf das Bett zu Doktor Schäfer. Er drückte den alten Mann fest an sich, als ob er ihn vor dem Tod beschützen wollte. Aber der Tod hatte keinen Respekt vor dem König des Universums. Keine Kraft konnte ihn bremsen.
Langsam spürte Kim, wie der Körper des alten Mannes schwach wurde und die Lebenskräfte aus ihm wichen. Kim wollte vor Schmerz aufschreien und drückte Doktor Schäfer noch fester an sich. Damit schenkte er ihm einen kleinen Teil seiner Kraft, der ihm den Weg ins Reich der Toten erleichterte.
Lautlos weinend stand Kim vom Bett auf.
Er stand fast eine Stunde am Fenster und sah zum Sternenhimmel hoch, bevor er nach dem zuständigen Arzt läutete. Dann packte er seine Tasche zusammen. Als der Arzt und die Schwestern kamen, verließ Kim wortlos das Zimmer und fuhr nach Hause.

Ich hörte ihn, als er die Treppen hoch kam. Es war 2 Uhr morgens. Kim sah mich traurig an, als er sich zu mir legte. Ich respektierte sein Schweigen und hielt ihn nur fest, als er sich nach langer Zeit wieder einmal in den Schlaf weinte...


In den nächsten Tagen war Kim schweigsamer als sonst. Er war nicht einmal daran interessiert, wie die Reaktionen auf seine Rede im Fernsehen waren. Die Menschen hatten sich seine Worte zwar zu Herzen genommen, aber sie liebten Kim nach wie vor und ließen sich ihre Träume und Illusionen nicht nehmen.
Ich verstand sie, und vielleicht stieg gerade deshalb wieder auch in mir eine gewisse Traurigkeit hoch. Ich müßte stolz sein, daß gerade ich von Kim geliebt werde, aber das war ich nicht mehr. Ich fühlte mich bevorteilt, denn unzählige Menschen, wahrscheinlich alle, würden sich wünschen, Kim an ihrer Seite zu haben und vielleicht auch in seinen Armen sterben zu können, wie Doktor Schäfer.
Kims Liebe war mir immer heilig. Ich brauchte sie wirklich, aber stolz konnte ich nicht mehr sein.

Kim 11. Buch
4 Textstellen



Kaum, daß wir mit dem Essen fertig waren, läutete es draußen am Tor. Maggie war wieder bei Elmar und unsere Mädchen bei Freundinnen. Es mußte also jemand Fremder sein.
Ich sah zur Haustür hinaus. Drei uniformierte Männer standen draußen am Tor und winkten mir zu. Ich drückte auf den Knopf. Langsam kamen sie zur Haustür hoch. Sie grüßten mich höflich und fragten nach Kim.
"Was wollt ihr von ihm?", fragte ich.
"Das ist streng geheim. Wir dürfen nur mit Kim reden."
"Was gibt's?", hörte ich Kim hinter mir.
"Wir müssen dich bitte, mit uns zu kommen."
"Warum? Habe ich etwas angestellt?", fragte Kim und blickte auf die Uniformen, die ihm und auch mir fremd waren.
"Wenn du nicht freiwillig mitkommst, müssen wir Gewalt anwenden", sagte einer der Männer und faßte an seinen Gurt, an dem eine Pistole steckte.
"Um Gottes Willen! Warum denn? Okay, ich bin gestern mit meiner Harley vielleicht etwas zu schnell gefahren und das ohne Sturzhelm, - aber das ist doch kein Grund, mich zu verhaften", sagte Kim lächelnd, aber sein umwerfender Charme zog bei diesen Männern nicht.
"Wir sind weder von der Straßenpolizei, noch von anderen üblichen Polizeieinrichtungen. Unsere Mission wird von US-Streitkräften und der Wissenschaft für Medizin und Forschung ausgeführt. Wenn du auf Ausweise Wert legst, - bitte", sagte der Mann kalt und reichte Kim einen Ausweis und einen Bescheid für Hausdurchsuchung und einen Haftbefehl.
Kim las sich alles durch und atmete dann tief durch.
"Okay, ich komme mit", sagte er leise und holte sich seine Lederjacke.
Unsere Freunde kamen neugierig zur Tür und sahen mich fragend an. Ich zitterte am ganzen Körper und hatte furchtbare Angst um Kim.
"Darf ich mitkommen?", fragte ich die Männer.
"Nein! Es ist strengstens geheim. Wir müssen das auch vor den Medien geheim halten, - wenigstens bis zum Abend, wo wir schon mehr wissen werden", sagte der Mann und packte Kim brutal am Arm.
"Moment!", sagte Kim hart und riß sich energisch los. "Ich komme freiwillig mit! Faßt mich nie wieder an!"
Sein Blick sprühte Feuer und duldete keine Widerrede, daß sogar dieser strenge Uniformierte zurück zuckte.
Kim hauchte mir einen Kuß auf die Lippen.
"Mach dir keine Sorgen um mich, mein Mädchen. Ich bin bald wieder zurück", sagte er leise und ging mit den Männern zum Auto.

*

Ich zitterte jeder Minute entgegen und sah andauernd nach draußen, ob Kim schon zurück kommt. Wir mußten lange warten, - bis 22 Uhr.
Ich war unseren Freunden dankbar, vor allem Kerstin und Andy, die ihre Zwillinge inzwischen einem Babysitter überlassen mußten. Aber in diesem Moment war ihnen Kim wichtiger.
Er sah sehr angekämpft aus, als er nach Hause kam.
"Zuerst brauche ich einen starken Kaffee, dann erzähle ich euch alles", sagte er und warf sich müde auf die Couch.
Maggie machte Kaffee für uns alle.
"War es schlimm?", fragte ich Kim und nahm seine Hand.
"Irgend jemand hat eine Videokassette an diesen Verein geschickt. Es kommen nur Leute in Frage, denen Ian damals dieses zauberhafte Geschenk gemacht hat. Robert, Ewald, Sarah und Gregor. Von den anderen weiß ich, daß die Kassetten vernichten wurden."
"Was ist das für ein Verein?", fragte Peter.
"Genaues kann ich dir nicht sagen. Es ist eine Art Geheimbund, der von Amerika ausgeht und auf der ganzen Welt verstreut ist. Es ist alles legal, - das ist sicher. Also kann mich kein Gericht der Welt aus ihren Klauen befreien.
Sie haben das Video genau studiert, - in allen Einzelheiten, - und alle sind sich einig, daß kein Mensch diese Verletzungen überleben kann. Ich mußte mir das Video auch ansehen. Nebenbei haben sie meine Gehirnströme gemessen und mich an x-beliebige Geräte angeschlossen. Sie haben mir Blut, Urin und sogar Samen abgenommen. Ich wurde gründlichst untersucht."
"Was kam dabei heraus?", fragte ich.
"Nichts! Ich habe keine Verletzungen und keine Narben mehr. Durch Akes Vernichtung wurde mein Körper wieder wie neu", sagte Kim grinsend.
"Was passiert jetzt?", fragte Kerstin bange.
"Morgen früh holen sie mich wieder ab. Sie wollten mich heute schon dort behalten, aber ich habe mich dagegen gewehrt. Ich sagte, daß ich ihnen schon nicht weglaufe. Also haben sie mich nach Hause gefahren."
"War es nur wegen der Videokassette?", fragte ich.
Kim zuckte mit den Achseln.
"Sie haben mir nicht viel gesagt. Wir haben uns das Video angesehen, und sie haben mich gefragt, ob es echt ist. Es hätte keinen Sinn gehabt, wenn ich gelogen hätte, da ihre Computer hochtechnisiert sind und sie damit ohnehin herausgefunden hätten, daß es echt ist.
Ein Typ sagte zu mir, daß sich das nun aufhören wird, daß ich die ganze Welt verrückt mache und sie gegen alle Regierungen aufhetze. Ich fragte ihn, ob er meine Rede im Fernsehen nicht gehört hat. Er meinte, das wäre nur eine Geheimbotschaft von mir gewesen und daß ich die Menschen damit nur noch mehr aufgehetzt habe. Ich hielt es dann für besser zu schweigen, da sie mir jedes Wort im Mund umdrehten."

*

Maggie nahm mich an der Hand und führte mich ins Wohnzimmer. Sie schaltete den Fernseher ein. Es lief gerade ein Video von Kim, - ein Konzertausschnitt, als ich Kim noch auf der Bühne bewundern konnte.
"Sie bringen die Neuigkeit alle halbe Stunde. Jetzt ist es wieder so weit", sagte Maggie, als der Song ausklang.
Der Nachrichtensprecher erschien auf dem Bildschirm.
"Die neuesten Untersuchungen der Geheimorganisation verliefen erfolglos. Kim ist tot...."
Der Mann stockte, und ich sprang auf.
"Ruhig, Maria! Hör doch zu!", ermahnte mich Maggie und zog mich auf die Couch zurück.
"Dieser Mann, der sich als Kim ausgibt, ist nichts anderes als ein Betrüger", sprach der Mann am Bildschirm unter Tränen weiter. "Er weist keine Verletzungen und Narben auf. Seine Wunden, die man ihm bei einem Versuch zugefügt hatte, verheilen nicht. Man versuchte aus diesem Mann, der Kim verblüffend ähnlich sieht, die wahre Identität heraus zu bekommen. Vorerst schweigt er noch. Er hat sich alle Papiere von Kim angeeignet und lebt sogar in seinem Haus. Nun vermutet man, daß Kims Tod lange Zeit verschwiegen werden wollte, um die Fans zu beruhigen. Man hoffte, daß Kim in Vergessenheit gerät und niemand auf seinen Tod stößt. Wir werden noch Näheres erfahren, da bereits einige Reporter auf den Weg zu Kims Frau und ins Studio zu Kims Manager, sind."
Das nächste Video von der Band "Kim" wurde gespielt, wobei es ohnehin immer nur um Kim selbst ging, was ihn stets ärgerte und er betonte, dass Kim keine Einmannband ist.
"Aber das gibt es doch nicht! Man muß doch Kims Ausstrahlung spüren!", sagte ich verzweifelt.
"Kim hat eben besondere Kräfte", sagte Maggie geheimnisvoll.
"Du meinst, er kann seine Ausstrahlung wegnehmen? Er spielt diesen Mann nur und will die Menschen dazu bringen, zu glauben, Kim sei tot?"
"Wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt, Maria, - dann wird er das tun. Du hast doch selbst gehört, Kim ist tot und dieser Mann sieht ihm nur verblüffend ähnlich."



April 1998
Kerstin und Andy kamen zum Kaffee.
"Für einen Toten bist du ganz schön lebendig", lachte Andy.
"Mach keine Witze darüber", sagte Kim ernst. "Mir ist wirklich nicht ganz wohl bei der Sache. Die Menschen da draußen leiden. Das wollte ich nicht. Ich habe das nicht für mich getan, Andy. Ich mußte das tun. Die Menschen hätten mich nie in Ruhe gelassen und immer nach meinem unergründlichen Geheimnis gesucht, bis sie wirklich auf etwas gestoßen wären. Ich habe es wegen der Menschen getan, um meine Aufgabe ungehindert zu erfüllen. Ich wünsche mir wirklich, daß ich noch einmal zu ihnen sprechen könnte und ihnen diese qualvolle Trauer abnehmen könnte. Aber sie sind noch nicht bereit für Wunder. Sie würden nichts verstehen. Leider..."
"Wie bist du eigentlich auf diesen Richard Roming gekommen? Hat er wirklich gelebt?", fragte Kerstin.
"Ja, - das ist doch auch nachgewiesen worden. Seine Eltern hatten außerhalb von Rosenheim eine Prachtvilla. Es waren reiche Leute, die völlig abgeschieden lebten und nur sehr wenig Freunde hatten. Als Richard 18 Jahre alt war, starben seine Eltern. Er verkaufte die Villa und trampte mit dem Geld durch die USA. Niemand kann sich an diesen einsamen Tramper erinnern, und niemand weiß so genau, wie er wirklich ausgesehen hat."
"Nicht einmal die Freunde seiner Eltern?", fragte Andy.
"Das ist schon zu lange her. Damals hatte Richard kurzes Haar und obendrein eine Brille. Außerdem hatten diese Freunde keinen Kontakt zu Richard, weil er ein Außenseiter war. Er verließ nur selten sein Zimmer und ging auch nie in eine Schule. Seine Eltern besorgten für ihn einen Privatlehrer, der vor einem Jahr gestorben ist. Also kann man ihn nicht mehr befragen, ob ich wirklich dieser Richard bin. Er wäre übrigens der Einzige, der sich wirklich an Richards Aussehen erinnern könnte.
Wie ihr also seht, gibt es da kein Problem. Es gibt niemanden, der Richard identifizieren kann."
"Was geschah mit Richard? Ist er wirklich tot?", fragte Kerstin.
"Ja, er starb in der Wüste, - einige Kilometer von L.A. entfernt. Er trampte immer alleine und achtete auch nie auf seine Gesundheit. Das Wüstenklima brachte ihn um. Irgendwo in den Bergen, wo es keine Menschen und kein Wasser gibt, brach er zusammen und starb in Einsamkeit."
"Hat man seine Leicht nicht gefunden?", fragte Andy.
"Sie liegt in unserem Grab am Friedhof", sagte Kim leise.
Kerstin und Andy sahen Kim groß an.
"Wie hast du das gemacht? Ich meine, - die Leiche, die Papiere und das alles? Wie konntest du Richards Leben und Tod sehen?", fragte Andy verblüfft.
Kim lächelte nur, und unsere Freunde wußten Bescheid.... jegliche Erklärung würde fehlschlagen, da es auch hier um Phänomene geht, die das menschliche Bewusstsein nicht erfassen kann.
"Jetzt bist du also 23 Jahre alt", sagte Andy nach einer Weile." Wie soll das weitergehen? Immerhin alterst du nicht, und wenn nun dieser Richard die Jugend auch für immer gepachtet hat, wird dieser Schwindel wohl auch aufgedeckt werden."
"Ich hoffe, daß sich die Menschen nicht lange um Richard kümmern werden. Immerhin ist er nur ein ganz gewöhnlicher Mensch, und da zählt Publicity nicht mehr. Die Geschäfte werden ich bald meinen Kindern überschreiben. Dann werden sich Maria und ich ganz von der Öffentlichkeit zurück ziehen.
Ich habe Kim schon einen Großteil überschrieben und ebenso Eric, die ihre Arbeit sicher gut machen werden. Der Rest, - das ist sicher nicht wenig, - wird auf Manola und Cora aufgeteilt, wenn sie 18 sind. Diese 8 Jahre, die mir noch bleiben, kann ich sicher noch jung aussehen, ohne, daß sich die Menschen Gedanken machen."
"Was ist mit dieser Videokassette? Willst du nicht nachprüfen, wer sie an diese Organisation geschickt hat?", fragte Kerstin.
"Ich weiß, woher sie gekommen ist. Es ist völlig unnötig, diesen armen Menschen in weitere Schwierigkeiten zu bringen. Es war ein Verzweiflungsakt, und es tut ihm heute sehr leid, daß er damit etwas aufgedeckt hat, was ihn mehr verletzte, als die ewige Sehnsucht nach mir, - nämlich meinen Tod."
"Wird er sterben?", fragte ich.
"Ja, - er wird sich erschießen, und ich kann nichts dagegen tun", sagte Kim leise.
"Was wollte er mit dieser Kassette erreichen?", fragte Kerstin.
"Ich weiß es nicht genau. Wahrscheinlich wollte er meine Aufmerksamkeit auf sich lenken. Vielleicht hoffte er, daß ich Nachforschungen anstellen werde. Ich weiß es wirklich nicht. Er war verwirrt, und ich sagte schon, daß es ein Verzweiflungsakt war. Man könnte fast sagen, daß er nicht mehr bei Sinnen war, als er das Video abgeschickt hat."

Kim 11. Buch

2 Textstellen

Kim war wirklich ein hervorragender Pilot. Ich hatte es auch nicht anders erwartet. Start und Landung waren das Wichtigste, - der Flug ging fast von alleine. Unsere Mädchen und ich spürten kaum etwas, als Kim unseren Privatjet wie auf Wolken aufsetzte, als wir in Cadiz landeten.

Mariella und Manuel wußten Bescheid, wann wir ankommen. Sie standen mit dem Auto schon am Flughafen bereit. Ich war zu neugierig auf ihre Reaktion, wenn sie Richard sehen.
Am Ausgang eilte ich Mariella entgegen und nahm sie in meine Arme. Sie war noch schlanker und hübscher geworden. Auch Manuel umarmte mich innig. Dann blickten beide auf Richard. Ihre Augen wurden größer und größer und ihre Münder blieben offen. Sie wußten nicht, was sie sagen sollten. Ob sie mir Beileid ausdrücken sollen, oder nicht. Auf jeden Fall sahen sie mich dann mitleidig an und gaben Richard nur zögernd ihre Hand.
Während der Fahrt zur prachtvollen Villa wurde kein Wort gesprochen. Nicht einmal unsere Mädchen sagten etwas, weil sie sich köstlich amüsierten, da Mariella und Manuel immer wieder prüfend durch den Rückspiegel auf Richard blickten.

"Ich bringe die Koffer auf euer Zimmer", sagte Manuel, als wir im Haus waren.
Die Mädchen halfen ihm.
Richard, Mariella und ich nahmen im Wohnzimmer Platz.
"Wollt ihr ein Zimmer gemeinsam, oder getrennte Zimmer?", fragte Manuel von oben herab und blickte prüfend auf Richard. "Ich habe in den Zeitungen gelesen, daß ihr im Haus auch getrennte Zimmern habt."
"Glaubt ihr das?", fragte ich lächelnd.
"Wir wissen überhaupt nichts mehr, Maria", sagte Mariella verzweifelt. "Die Medien und euer geheimnisvoller Anruf haben uns richtig verwirrt. Wir können uns das nicht erklären. Was ist mit Kim? Ist er wirklich tot? Dieser Mann hier sieht zwar aus wie Kim, aber es fehlt etwas, das mir sagt, daß er nicht Kim sein kann."
"Das ist Richard, - Kims Doppelgänger", sagte ich.
"Dann, - dann ist Kim wirklich tot?", fragte sie leise und schluchzte auf.
In diesem Moment ließ Kim seine Ausstrahlung voll heraus. Manuel, der noch immer auf der Treppe stand, zuckte zusammen und Mariella stieß einen lauten Schrei aus.
"Ich bin es, Mariella! Ich, Kim!
Es tut mir leid, daß ich euch erschreckt habe. Aber in der Öffentlichkeit muß ich mich verstellen, daß man glaubt, Kim ist wirklich tot. Wir werden euch alles genau erzählen. Aber zuerst möchten wir uns frisch machen und unsere Koffer auspacken, die ihr bitte in ein Zimmer stellt, - wenn euch das recht ist."
Mariella stürzte sich sofort in Kims Arme.
"Oh, mein Gott! Ich bin so froh, daß du nicht wirklich tot bist, Kim. Mir ist völlig egal, welches Geheimnis in dir steckt. Hauptsache, du lebst", schluchzte sie und drückte sich fest an Kim.
"Es freut mich, daß du so denkst, Mariella. Aber ich werde euch mein Geheimnis trotzdem anvertrauen, weil ich euch aus ganzem Herzen vertraue und weiß, daß ihr stark genug sein, um es zu verkraften", sagte Kim, und ich badetet wieder in seinen Worten, die er so zauberhaft auf spanisch aussprach.
Es lag nicht am Akzent, denn Kims Aussprache war perfekt, - es lag nur an seiner bezaubernden Stimme und dieser schönen Sprache.

Nachdem wir uns frisch gemacht und die Koffer ausgepackt hatten, gingen wir wieder ins Wohnzimmer, wo Mariella bereits Erfrischungsgetränke für uns bereit gestellt hatte. Die Mädchen liefen sofort in den Park, und Manola wurde von Cora zum Fußballspielen verurteilt....
Dann erzählte Kim seine lange Geschichte. Mariella unterbrach ihn zwar oft, aber Kim zeigte wieder seine unendliche Geduld und erklärte ihr alles ganz genau. Dabei hörte ich heraus, daß Mariella keineswegs dumme Fragen stellte, sondern das gesamte Geheimnis am besten von all unseren Freunden aufnahm.
Die Geschichte wurde nur kurz unterbrochen, als Mariella und Kim gemeinsam kochten. Nach dem Essen ging es wieder weiter.
Nachdem alles geklärt und verstanden war, herrschte in den ersten Minuten Stille.
"Es klingt wie ein wunderbares Märchen. Trotzdem glaube ich es", sagte Mariella. "Es kann gar nicht anders sein. Ich habe schon immer gewußt, daß du etwas Besonderes bist. Auch Donna Isabella wußte das. Sie sagte immer, - Kim ist viel mehr als ein Mensch. Er hat Fähigkeiten, die wir Menschen niemals verstehen können.
Als Donna Isabella starb, war ich bei ihr. Sie hatten keinen normalen Herzinfarkt, aber sie hat auch nicht gelitten. Es war mehr ein Einschlafen, - ein Eintauchen in eine andere Welt. Sie war sehr müde und nicht mehr richtig da, aber trotzdem fühlte ich, daß sie ganz bei Sinnen war. Sie hielt meine Hand. Ihre Augen waren geschlossen, als sie sagte, daß sie uns nun für immer verlassen wird. Ihre Hand war in diesem Moment völlig kraftlos, aber dann packte sie plötzlich zu und stieß deinen Namen aus, Kim. Ziemlich oft, als ob sie dich rufen würde. Dann lächelte sie. Sie sah so glücklich aus, wie noch nie. Ihre Augen öffneten sich, - sie blickte nach oben und streckte ihre Hand aus, als ob sie nach etwas fassen würde. Dann sprach sie wieder deinen Namen aus, - aber ganz leise.
Kim, - sagte sie, - Kim, du bist da, um mich zu holen. Wie schön du bist, - so strahlend.
Dann schloß sie ihre Augen und starb.
Jetzt, wo du alles über dich erzählt hast, weiß ich, daß Donna Isabella nicht phantasiert hat. Sie hat dich wirklich gesehen. Du warst es, der sie in den Tod begleitet hat."
Ich sah Kim fragend an.
"Hast du es wirklich gespürt?"
Kim schluckte.
"Ich war damals noch nicht so weit, um meine Kraft so gut zu verstehen, aber ich spürte, daß ein Teil von mir sich losgelöst hat und in eine andere Dimension vorstieß. Es war Isabellas Glaube, der mich zu ihr holte, aber ich spürte es nicht so bewußt."



In einer der nächsten Nächte riefen uns die bösen Mächte in ihr Reich. Es kam so plötzlich, daß ich momentan gar nichts begriff, als mich Kim aus dem Bett zerrte und sich mit mir mitten ins Zimmer stellte.

Aber als ich mich auf diesem ekligen, schlammigen Boden befand, war ich voll da. An diesen Duft werde ich mich wohl nie gewöhnen können. Er war mieser als faule Eier.
Als ich hinter mir Geräusche vernahm und mich umdrehte, stürmte Galdron an mir vorbei und stürzte sich todesmutig auf die Angreifer. Ich wollte auch nichts schuldig bleiben und sendete meine tödlichen Strahlen aus meinen langen Krallen auf die Dämonen, die sich sofort in nichts auflösten.
Kims Schrei riß mich aus der Konzentration. Ich blickte zur Seite und sah, wie sich ein riesiger Dämon mit seinen Klauenhänden an seinen Schultern festhielt und die Klauen hinten an den Schulterblättern rausragten. Kims Schrei hallte noch immer in mir nach, aber ich wußte, daß er stark genug ist und Galdrons und meine Hilfe nicht brauchte. Ich hatte recht! Denn augenblicklich, bevor der Dämon ihn ernsthaft verletzten konnte, verwandelte sich Kim zu einer riesigen, schwarzen Raubkatze mit fürchterlichen Pranken, an denen lange, spitze Krallen hervor blitzten.
Der Dämon ließ die Katze sofort los, da sich ihre Krallen in ihm verfingen und das Gebiß des Tieres ihn in Tausend Teile zerfetzte.
Kim hörte mit seiner Verwandlung nicht auf. Im nächsten Moment wurde er zu einem riesigen Raubvogel, dessen Adlerschnabel und mächtige Krallen sich in die Biester hackten und in einem Todesflug, in Windeseile, diese große Heerschar von Dämonen vernichtete, während Galdron und ich das Ganze nur staunend beobachten konnten.
Nachdem der schlammige Boden ächzend seinen letzten Dampf abgab, stand Kim in seiner wahren, leuchtenden Schönheit wieder vor uns. Wir konnten ihn nur ehrfürchtig ansehen. Galdron verneigte sich diesmal sogar demütig vor dem großen König des Universums, bevor er auf die Leuchtende Welt zurück kehrte.
Und wir eilten zurück in unser Schlafzimmer.

Ich drückte mich sofort an Kim. Er erwiderte meine Umarmung und streichelte mir sanft übers Haar. Ich wagte einen Blick in sein schönes Gesicht, das, wie mir schien, abermals an Schönheit zugenommen hatte. Zärtlich strich ich eine Haarlocke aus seiner Stirn und fand eine wunderschöne Adlerfeder.
"Der Todesadler", flüsterte ich und streichelte mit der Feder über Kims sinnliche Lippen. "Ich werde sie aufheben, und einmal werden sie Manola und Cora ihren Kindern als Erinnerung an ihren schönen Großvater weiterschenken. Manola und Cora werden ihren Kindern einmal bezaubernde und aufregende Gute-Nacht-Geschichten erzählen können. Meinst du nicht, Kim?"
"Das werden sie sicher", sagte er leise und trug mich in seinen starken Armen ins Bett.
"Kim, hast du eigentlich etwas dagegen, daß ich dich noch immer beschützen möchte?", fragte ich, als wir engumschlungen im Bett lagen.
Kim lächelte.
"Natürlich nicht. Es ist ein angenehmes Gefühl, zu wissen, daß es jemanden gibt, der sich aus Liebe Sorgen um mich macht. Es ist nur gefährlich, wenn du dich im Reich des Bösen durch meine Schmerzensschreie ablenken läßt. Du mußt nicht nur an dich, sondern auch an mich glauben, mein Mädchen. Aber das wirst du alles noch lernen. Du weißt noch nicht alles von deiner Kraft und daß davon ein Teil in dir steckt, den ich nicht haben kann. Wir werden alle noch lernen, und bis zum Endkampf werden wir ein perfektes Team sein. Verlaß dich drauf."
Einige Minuten lagen wir still nebeneinander.
"Nächstes Jahr ist das Jahr 2000, Kim. Ich glaube, jetzt ist es an der Zeit, daß ich mit dem Schreiben aufhöre. Dieses 11. Buch wird mein letztes auf der Erde sein. Es ist alles geschrieben, was geschrieben werden mußte.
Du hast es geschafft, Kim. Du bist aus dem dunklem Loch gekrochen, hast den Käfig hinter dir gelassen und verstehst jetzt deine Kraft voll und ganz. Du bist perfekt, Kim. Du mußt uns nur noch zum Endkampf führen und wir müssen siegen."
Kim schenkte mir sein unwiderstehlichstes Lächeln.
"Tu was du tun mußt, mein Mädchen", sagte er leise und küßte mich innig.
Ja, ich war wirklich glücklich und zufrieden, daß es Kim geschafft hat. Aber noch immer spürte ich in mir ein seltsames Gefühl, - eine Art Angst vor der Zukunft, und ich erinnerte mich wieder an diesen Science-fiction-Film, - wo an einer Tankstelle die Protagonistin einen aufkommenden Sturm fühlte und damit meinte, dass das wahre Abenteuer erst beginnt.
Was wird aus den Menschen werden? Werden sie Kim vergessen?
"Hab keine Angst vor diesem Sturm, mein Mädchen", sagte Kim sanft, als er meine Gedanken fühlte. "Er hat eine ganz andere Bedeutung, als du denkst.
Ich liebe dich, Maria. Unsere Liebe wird für immer unsterblich sein. Sie wird das Universum im Sturm erobern. Nur diesen Sturm sollst du sehen, nichts anderes."
Kim lächelte, legte sich auf mich und ließ uns beide in die Zukunftswelt der Liebe schweben...
Wir beide haben das Paradies schon in uns, und einige unserer Freunde kennen es ebenso. Es darf dem gesamten Universum nicht vorenthalten werden.
Ich liebe dich, Kim, - so sehr, daß es keine Worte mehr dafür geben kann. Ebenso glaube ich.
Und doch, - der Sturm ist nahe....