Korn für Korn weben sie dahin, die Stürme der Endzeit. Düster plustern sich die schwarzen Wolken auf und zerren wie Wind an den letzten Blättern der Bäume. Wenn die Vergangenheit größer wird als es die Zukunft je sein kann, hat uns bald die letzte Stunde geschlagen. Hört ihr schon die große Himmelsglocke schlagen?

In allen Lebenslagen und in allen vier Jahreszeiten, liegt ein kleiner Tropfen Wahrheit. Mehr nicht. Gerechtigkeit muss sein, deshalb gibt es für jeden nur ein Tröpfchen. Wer nicht mehr daraus machen kann, ist selber schuld. Und warum? Weil sich alle mit Nichtigkeiten beschäftigen.

Die Wahrheit bleibt stets auf der Stecke. Man will ja keinem zu nahe treten. Im wahrsten Sinne der Worte. Wäre ja auch ungut, dieser Schweißgeruch schon am Morgen. Die stickige Luft in den Büros und der Lärm in den Fabrikhallen. So schön warm war es im Bett. Noch immer ein wenig umnebelt von den Träumen der Nacht, die manchmal viel wahrhaftiger wirken als das so genannte reale Leben.

Manche sagen, es sei von Anfang der Wurm drin. Der Wurm nagt und frisst sich dick und fett, bis er zum Drachen wird, der Feuer speit. Die Hand, die dich füttert, sollst du nicht beißen. So sagten die alten Leute damals. Und wenn du beißt, bist du nichts wert. Warum haben sie das nicht sofort erkannt, als der Wurm das erste Mal zuschnappte und vielen Menschen ihrer Freiheit beraubte?
Aber es ist ja alles gut. So lange wir ein Dach über den Kopf und genügend Nahrung haben, ist alles gut. Niemand fragt in guten Zeiten, wie lange sie noch gut sind, diese Zeiten. Zeitlosigkeit oder Gleichzeitigkeit kennt man noch nicht. Die Ewigkeit des Augenblicks erst recht nicht.

Sicher können wir träumen und alles schön reden. Niemand scheint den Schock zu fürchten, wenn der Weckruf schrillt und wir vor die Tatsachen gestellt werden. Welche Tatsachen? Es hat uns niemand etwas gesagt. Mit einer Lüge gelebt? Eher mit vielen Lügen und das von Anfang an. Verdammt, warum haben sie uns das nie gesagt?

Schön war es, als wir der Stimme der Großmutter lauschten, wenn sie uns Märchen vorlas. Manchmal erkannten wir den Unterschied zwischen Gedicht und Gebet gar nicht. Erst als der Zeigefinger sich erhob und man sich der Gotteslästerung schuldig machte. Das Gesetz gibt es jetzt übrigens nicht mehr. Eine Lüge weniger. Und eine Angst weniger. Jetzt dürfen wir morden und rauben, denn einen strafenden Gott gibt es nicht. Wie nett!

Und schließlich der allerletzte Sturm. Wie einst die Sintflut. So verkehrt sind diese Geschichten gar nicht. Es dürfte ein Weiser gewesen sein, der sie geschrieben und den Menschen gewarnt hat, sich selbst ja nicht zu verlieren. Steh aufrecht, selbst im Sturm. Auch wenn sie dir sagen, man sollte sich klein machen, sich ducken. Hör nicht auf sie. Sie haben schon immer gelogen. Sei anders bedeutet sei du selbst. Immer und immer wieder. Du selbst bist die Arche, die jeder Sintflut und sogar jedem Sandsturm trotzt.

An manchen Worten beißt man sich die Zähne aus. Innovation oder Nachhaltigkeit. Alles neu macht der Mai. Diesmal passiert es alle paar mal in einem Monat. Nicht nur im Mai. Viele neue Worte werden erfunden und alte vergessen. Schade drum. Es waren Wertworte. Sie waren tatsächlich etwas wert. Etwa Freundlichkeit, keine aufgesetzte, sondern eine, die aus dem Herzen kommt. Weil man andere Menschen gerne hat.

Heute ist es schwer, andere Menschen gerne zu haben. Man wird zu schnell ausgenutzt. Man will helfen, wenn ein Mensch auf der Straße liegt und wird überfallen, weil der auf der Straße liegende Mensch eine Falle war. Gib einem Bettler etwas zu essen und er wird dich verächtlich ansehen, da es ihm nur um Geld geht. Natürlich trifft das nicht auf alle zu. Man kann ja auch nicht alle in einen Topf werfen, obwohl es das Beste wäre. Rein in den Topf, Feuer darunter und ab in die Hölle, wenn es denn eine gibt.

Die Hölle ist hier auf Erden, sage ich. Genauer gesagt sage ich, sie ist in mir. Sie ist auch in dir, in ihm, in ihr. Innen drinnen. Immer diese trostlose Traurigkeit nach dem Aufwachen. Wer kennt sie noch? Hoch die Hände! Ich will viele Hände sehen. Dann fühlt man sich nicht so allein, wenn es auch andere betrifft. Dann ist sie nicht mehr so trostlos. Und kurz darauf möchte man Bäume ausreißen. Natürlich nicht wirklich, aber man fühlt sich so. Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt. Eine Krankheit? Nein, nur eine Wirkung. Was ist die Ursache?

Zwang. Kein neues, aber ein ewig furchtbares Wort, das die Menschen von Geburt an begleitet: Zwang. Hört sich auch auf englisch grausam an: force. Forcieren: Schneller, höher, besser, schöner, reicher. Sei etwas, denn du bist sonst nichts, anstatt: „Du kannst das. Du bist du und somit ein Unikat. Du bist wertvoll.“ Aber das sollte ehrlich, voll Überzeugung gesagt werden.

Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt. Geht das noch? Aussteigen, ohne die nötigen Mittel zu haben? Oder ist es eher dies: Ich nehme mir einfach, was mir gefällt. Es geht, wenn man will. Alles geht, wenn man will. Man kann über Leichen gehen. Warum auch nicht? Wenn alle Religionen abgeschafft sind, gibt es kein Gewissen mehr. Ist das so? Keinesfalls! Hoffe ich doch, denn zur Zeit bringen Religionen Kriege. Eigentlich haben sie keine Schuld, sondern dienen nur zum Vorwand, wenn man genauer hinsieht. Aber nur dann.

Vieles habe ich über Götter gelesen und gehört, über gute und böse, innere und äußere, erfundene und wahre. Der Unterschied besteht in der Wahrnehmung, im eigenen Erfahren. Und natürlich im Schweigen, denn wehe dem, der seine Götter verrät.

Sie herrschen über uns, aber nicht dort oben in den Wolken. Es ist ein imaginärer Ort, der sich nur dem offenbart, der alle Hoffnung fahren lässt. Das, was einst Dante über den Toren der Hölle las, steht mit unsichtbarer Schrift in uns selbst geschrieben. Wer Unsichtbares lesen kann, der lese. Hören können wir alle, wenn auch nicht zuhören, denn die inneren Stimmen sind zu leise, um gehört zu werden.

Es wurde uns alles gesagt, was wir wissen oder auch nur erahnen. Aber was kommt aus uns selbst? Was kommt aus dem Nichts? Ja, verdammt, ich denke gerne darüber nach. Auch wenn es nichts bringt. Was soll es denn schon bringen? Was bringt überhaupt etwas? Oder kann einer von euch den Sinn dieses Daseins erkennen? Wenn mich jemand fragt, würde ich sagen: Die Götter (oder was auch immer) verarschen uns!

Rabenschwarz. Eingehüllt in dunkelgraue Nebeldecken. Dunkelgraue Lieder. Alles schon da gewesen. Auf den Kopf gestellte Kreuze und der Thron aus bleichen Menschenknochen. Angeklagt der Gottlosigkeit. Götter sind nun mal gottlos. Sie sind sich selbst genug.

Das Böse ist gut, weil es das Gute gut macht. Das Hässliche ist schön, weil es das Schöne schön macht. „Alter Hut“, kräht der Rabe. Aber es ist doch immer wieder gut, an die alten Sachen erinnert zu werden, bevor man in die Luft geht oder einem die Luft ausgeht.

Von allen Geistern verlassen. Nicht nur von den guten. Die alte Lotte hatte schon recht, als sie meinte, Geister kommen nicht mehr zu alten Menschen. Und warum? Weil sie darauf warten, dass du selbst zu Geist wirst.
Und der Rabe entschwebt auf leisen Schwingen, mit einem letzten Funken im schwarz leuchtenden Auge, das einst die Farbe eines tief türkisfarbenen Sees hatte. Lebe wohl, du, mein guter Geist und Beschützer, Lehrer und Gelehrter. Schon Edgar Allen Poe hat deine letzten Worte gehört: „Nevermore, nevermore...“

Sandstürme in der Wüste. Gibt es woanders noch Sand? Am Strand, was sich reimt, damit niemand was versäumt.
Unsinn reden. Sinn denken. Ein und dasselbe. Eine einzige Katastrophe, wenn man es persönlich nimmt. Wo ist die Person, die so was tut? Einerseits ist sie da, andererseits ist sie fort.
Maya oder das Spiel des Lebens. Wir wissen es nicht, möchten es aber gerne glauben.
Auf zum Fluss der Flüsse, ab ins Meer und nie wieder Sand. So sprach der Erleuchtete. Oder war es eher der Beleuchtete?
Om, Shiva, om Shakti. Oder so. Das ist mein voller Ernst. Wir können uns ja nicht über alles lustig machen, obwohl dies die wahre Sichtweise wäre.
Den Sandstürmen und Katastrophen ins Gesicht lachen. Und dann denken: Wir sind nur Requisiten.
Und noch mal ein leises Om, das summt wie ein Bienchen.