1.) Gespräch

Hallo Kim!

„Hallo du!“

Es scheint zu funktionieren!

„Was scheint zu funktionieren?“

Die Kommunikation zwischen uns.

„Warum sollte sie nicht funktionieren? Was meinst du, woher all dein Wissen über mein Leben stammt?“

Es ist Fantasie! Was denn sonst?

„Nun, es könnte durchaus auch eine Art Gedankenübertragung sein.“

Von woher?

„Aus einer anderen, sehr weit entfernten Dimension.“

Aber du weißt schon, dass ich es bin, die deine Worte tippt, oder?

„Klar, anders würdest du deine Gedanken nicht zu Papier bringen können, Mädchen.“

Nenn mich nicht Mädchen. Ich denke, für diese Benennung bin ich etwas zu alt.

„Weißt du, dass ich gar nicht mehr weiß, wie alt ich bin? Vielleicht habe ich die Millionengrenze bereits überschritten und das nicht einmal gefeiert?“

Kim lacht.
Warum lachst du?

„Willst du das wirklich wissen?“

Sonst würde ich nicht fragen.

„Okay, Mädchen! Oh, du willst ja nicht, dass ich dich Mädchen nenne. Wie soll ich dich nennen?“

Nenn mich Mädchen, Kim.

„Oder soll ich dich alte Frau nennen?“

Tu das lieber nicht. Bis jetzt warst du mir sehr sympathisch, aber wenn du mich alt nennst, glaube ich nicht, dass ich dich weiterhin sympathisch finde.

Kim lacht wieder.
Warum lachst du jetzt?

„Weil deine Sympathie mir gegenüber davon abhängt, wie ich dich nenne. Wie alt bist du denn?“

Es ist unhöflich, eine Frau nach dem Alter zu fragen. Also, ich bin nicht mehr jung und auch noch nicht alt.

„Soll ich dich älteres Mädchen nennen?“

Nenn mich einfach nur Mädchen, wenn du das wirklich passend findest.

„Passend? Es ist mir scheißegal, wie ich dich nenne. Weißt du das?“

Musst du diese Kraftausdrücke verwenden? Ausgerechnet du, der das Universum gerettet hat?

„Meinst du, Kraftausdrücke, wie du das nennst, haben etwas mit der Rettung des Universums zu tun? Außerdem, wie kannst du wissen, dass ich das Universum bereits gerettet habe? Weißt du denn, in welcher Zeit du mit mir sprichst?“

Ich denke, ich spreche in der Zeit mit dir, wo all das, was ich über dich geschrieben habe, bereits passiert ist.

„Oh, das denkst du?“

Ja! Ist es so?

„Mag sein. Du weißt ja, ich stehe über der Zeit. Für mich ist nur das Jetzt wichtig – und jetzt spreche ich mit dir. Wie – das ist mir aber ein Rätsel.“

Warum ist dir das ein Rätsel?

„Weil ich diese Dimension, in der du lebst, niemals betreten habe. Ich kenne nur eine Dimension der Erde und das ist die, in der ich lebte oder lebe – ganz wie du willst. Du weißt ja, ich stehe über der Zeit.“

Du wiederholst dich, Kim. Du sagst bereits zum zweiten Mal, dass du über der Zeit stehst. Wie meinst du das?

„Ich meine das so: Wenn du mit mir sprichst, kannst du wählen, in welcher Zeit du mit mir sprechen willst. Wenn du, z.B., mit mir über meine Musik sprechen willst, werde ich vor dir in der Dimension der Erde erscheinen, in der ich gelebt habe und eben Musik machte. Noch ein anderes Beispiel. Wenn du mit mir über meine Kindheit sprechen willst, werde ich Kind in England sein.“

Das heißt, dass du dann genau in diesem Alter und an diesem Ort bist, worüber wir eben sprechen?

„Genau, deshalb sage ich nun zum dritten Mal: Du weißt ja, ich stehe über der Zeit.“

Denkst du dich in diese Zeit zurück, oder bist du in dieser Zeit?

„Die Zeit ist in mir. Das ist wohl auch der Grund, warum ich zuerst gelacht habe. Wie könnte ich die Zeit in mir feiern?“

Sozusagen hast du das Wissen von jetzt auch in dir, egal, über welche Zeit wir sprechen?

„Als ich damals als Kind in England lebte, war ich mir meiner Zukunft nicht bewusst. Trotzdem steckte die Zukunft schon damals in mir, aber im Unbewussten. Wenn ich heute als Kind in England bin, steckt die Zukunft genauso in mir – aber bewusst.
Es wäre auch für dich kein Problem, dir deiner Zukunft – nennen wir es einfach Zukunft, obwohl es das eigentlich nicht ist...“

Was ist es dann?

„Hast du Carlos Castaneda gelesen?“

Sicher, Kim!

„Hast du gelesen, was die Ganzheit des Selbst ist?“

Ja, habe ich.

„Carlos sieht das irgendwie so ähnlich. Ja, so ähnlich könnte man es nennen. Aber ich will da noch weiter ausschweifen. Die Ganzheit des Selbst ist für mich das gesamte Sein – von Anbeginn des Universums bis zum Ende des Universums.“

Sozusagen wolltest du vorhin sagen, dass es für mich auch kein Problem wäre, mir der Ganzheit meines Selbst bewusst zu sein.

„Nun ja, ganz so ist es nicht, da ich mir der Ganzheit meines Selbst nicht vollkommen bewusst bin. Immerhin kann ich über das Ende des Universum nichts sagen.“

Also nennen wir es Zukunft.

„Sagte ich doch!“

Aber du sagtest auch, daß wir es nur so nennen, obwohl es das nicht ist.

„Sagen wir, für dich ist es noch die Zukunft, und für mich ist es ein Teil der Ganzheit des Selbst.“

Wie wäre mir das möglich, Kim?

„Das weiß ich nicht – ich bin nicht du.“

Warum sagst du dann, daß es für mich kein Problem wäre, diesen Teil der Ganzheit des Selbst zu erfassen?

„Ich denke es mir eben, weil du die Gabe hast, in andere Dimensionen zu blicken. Immerhin hast du über mein Leben geschrieben.“

Es war mir nicht bewusst, daß ich in andere Dimensionen blickte, Kim.

„Das ist mir auch klar. Du dachtest wohl – du hast mich erfunden, was?“

Kim lacht wieder.
Ich hoffte, daß es dich gibt, Kim.

„Aber du warst oder bist dir nicht sicher, obwohl du jetzt mit mir sprichst.“

Genauso ist es.

„Du kannst meine Existenz weder leugnen, noch beweisen.“

Ja!

„Weißt du, dass es die Narren so machen?“

Ich habe darüber gelesen. Carlos Castaneda schrieb es in einem seiner Bücher. Er nannte es „Die drei schlechten Gewohnheiten“. Die erste wäre, das, was geschehen ist, zu leugnen und so zu tun, als wäre nichts geschehen. So machen es die Bigotten. Zweitens können wir alles unbesehen akzeptieren und so tun, als wüssten wir, was geschieht. So machen es die Frommen. Und drittens kann uns ein Ereignis zwanghaft beschäftigen, weil wir es weder leugnen noch rückhaltlos akzeptieren können. So machen es die Narren.

„Es gibt aber noch etwas, Mädchen. Oder?“

Ja, es gibt noch eine vierte Möglichkeit, nämlich die Art des Kriegers: Ein Krieger handelt so, als sei überhaupt nichts geschehen, weil er an gar nichts glaubt, und doch akzeptiert er alles unbesehen. Er akzeptiert, ohne zu akzeptieren, und leugnet, ohne zu leugnen. Nie tut er so, als wisse er, noch tut er so, als sei nichts geschehen. Er handelt so, als ob er die Situation in der Hand hätte, auch wenn ihm vielleicht die Hosen schlottern. Diese Art zu handeln vertreibt die zwanghafte Beschäftigung mit den Dingen.

„Das könnte direkt von mir sein, Mädchen! Dann halte dich doch an die vierte Möglichkeit.“

2.) Gespräch

Es ist doch so, dass man das Wahre eines Menschen erst in Extremsituationen erkennen kann. In dieser Hinsicht gibt es nur zwei Arten von Menschen, nämlich die anständigen und die unanständigen Menschen. Direkt gesagt gibt es nur die guten oder die bösen Menschen.
Jede Handlung geht vom Menschen aus, denn er selbst führt sie aus. Es ist ja nicht so, dass die Tat ihn führt. Wenn es so wäre, könnte man behaupten, dass nur die Tat gut, oder böse ist, aber nicht der Mensch. Der Mensch drückt sich also durch seine Tat aus - aber nicht die Tat durch ihn.
Es ist logisch, dass Menschen nicht immer nur gut, oder immer nur böse sind, aber ich glaube, in letzter Instanz, also wenn es darum geht, die eigene Haut zu retten, drängt sich die wahre Seite des Menschen in den Vordergrund, und das ist nun mal entweder das Gute, oder das Böse - oder das Anständige, oder Unanständige.

„Verurteilst du den so genannten unanständigen Menschen?“

Ich würde sagen, dass ich einem anständigen Menschen mehr Vertrauen schenke, als einem unanständigen Menschen.

„Und du meinst, das lässt sich nie wieder ändern?“

Es ist sicher schwer für so einen Menschen, aber ich würde eine Veränderung für möglich halten. Nur, wie könnte er mir seine Veränderung glaubhaft machen. Die meisten Menschen schreiben so einen sicher für immer ab, weil sie ihn fürchten.

„Also liegt es nicht nur an ihm, sondern auch an dir, wenn ich das richtig verstehe, weil du gesagt hast, dass ihn die meisten Menschen sicher meiden, weil sie ihn fürchten. Und wovor fürchten sie sich?“

Dass er sie, wie schon einmal, wieder hineinlegt, sie ausnimmt, betrügt, hintergeht.

„Sie haben Angst um sich selbst, wenn ich dich richtig verstehe.“

Natürlich.

„Dann sind sie für mich um nichts besser als der unanständige Mensch, der ja auch nur Angst um sich selbst hat, wenn er sich in einer Extremsituation befindet, um seine eigene Haut zu retten.“

Würdest du dich denn ständig hintergehen lassen?

„Ich hätte nichts zu verlieren, weil ich nichts besitze.“

Was ist mit deiner Würde?

„Was ist Würde? Ich kann auch mit Würde verlieren - mich mit Würde hintergehen lassen. Und ich würde sagen, daraus kann ich nur lernen.“

Was kannst du daraus lernen?

„Man kann aus allem etwas lernen, - aus dem so genannten Guten, wie aus dem so genannten Bösen, und genau aus diesem Grund unterscheide ich nicht. Natürlich werde ich nicht masochistisch nach einem Menschen suchen, der mich ständig ausnützt und betrügt, aber wenn mir das Leben die Aufgabe stellt, werde ich sie nicht ignorieren und mich auch nicht grün und blau ärgern. Und wenn ich sozusagen ständig das Pech habe, auf solche Menschen zu treffen, wäre es sinnlos zu klagen, weil das nun mal Tatsachen sind. Ich ziehe solche Menschen an, also werde ich diese Aufgabe auch bewältigen.“

Dann würde man sagen, dass du blöd bist, weil du dich ständig mit solchen Menschen abgibst.

„Es ist mir sch… es ist mir egal, was die anderen von mir sagen. Deswegen geht es mir nicht besser, oder schlechter. Ich könnte vielleicht der Meinung sein, dass es nur solche Menschen gibt, die darauf aus sind, andere auszunützen, und ich der einzige bin, der so etwas nicht im Sinn hat. Und wenn dem so ist, muss ich nun mal damit leben, oder mir die Kugel geben. Die Entscheidung liegt bei mir. Also, was mache ich? Sehe ich den Tatsachen ins Auge und mache das Beste daraus - oder mache ich allem ein Ende, indem ich mich selbst eliminiere? Ich könnte ebenso den Tatsachen ins Auge sehen und jeden Menschen, der mich hintergeht, eliminieren, aber dann wäre ich ja nicht mehr der einzige, der nicht darauf aus ist, andere auszunutzen. Dann hätte ich, wie ich das nenne, mein Herz verloren.“

Danke, dass du diesmal einen deiner Kraftausdrücke ausgelassen hast.
Das, was du eben sagtest, kommt mir bekannt vor. Das hört sich ganz nach deiner Vergangenheit an.

„Du hast ganz richtig gehört. Und du weißt, ich bin der Ansicht, dass kein Mensch von Grund auf böse ist. Genauso wenig ist er von Grund auf gut. Er ist einfach nur Mensch, und zum Menschsein gehört alles, was sich dem Menschen bietet. Nebenbei weiß ich, dass sich dem Menschen mehr bietet, als er wahrnehmen kann, nämlich Energien, die ihn beeinflussen, gegen die er sich nur schwer wehren kann, weil er sie logischerweise nicht erkennt. Würde er sie erkennen, würde er wissen, was seine Gefühle wirklich sind. Natürlich hört sich das für dich abstrakt an, weil du keine Beweise für dieses Wissen hast, und deshalb unterscheidest du noch immer zwischen gut und böse, oder anständig und unanständig. Und deshalb sagst du auch, dass der Mensch immer der Ausgangspunkt seiner eigenen Taten ist, was von dir aus gesehen sicher richtig ist - nur von meiner Seite sieht es ganz anders aus, weil der Mensch meistens von den Energien, die ihn treffen, zur Tat getrieben wird. Und so gesehen kann ich nicht sagen, dass sich der Mensch durch seine Tat ausdrückt, denn es ist nicht die Urenergie des Menschen alleine, sondern auch die jeweilige Energie, die ihn beflügelt. Der Mensch wird erst wirksam, wenn er sich in seine Umgebung mit einbezieht. Und schon ist er nicht nur Mensch alleine, sondern auch all das, was ihn umgibt. Und so gesehen sind all deine Urteile, wo immer du sie auch fällst, stets relativ.“

Das klingt, als hätte der Mensch selbst keine Schuld, da es ja Energien sind, die ihn zu bestimmten Taten verleiten.

„Kommen wir zu der Frage: Hat der Menschen einen freien Willen? Ich würde strikt – nein – sagen. Der Mensch kann sich nur zwischen dem, was er wahrnimmt, entscheiden. In diesem Fall bestehe ich auf einen Unterschied, nämlich den zwischen Wille und Entscheidung.“

Was ist Wille für dich, Kim?

„Ich stelle Wille mal mit Absicht gleich. Du erinnerst dich sicher an die Textstelle in einem der Bücher von Carlos Castaneda, als sein toltekischer Lehrer, Don Juan, in seiner Hand ein höchst seltsames Tier erscheinen ließ. Es glich einem Nagetier, aber es hatte eine Brille auf der Nase.“

Du meinst, Wille ist etwas zu tun, was unmöglich ist?

„Nicht direkt! Don Juan setzte seinen Willen ein, indem er etwas kreierte, was es in der menschlichen Welt nicht gibt. Das ist durchaus nicht unmöglich. Unmöglich ist es nur, wenn du glaubst, dass es unmöglich ist. Ich würde Wille ebenso mit bedingungslosem Glauben gleichsetzen. Stell dir vor, kein Mensch zweifelt daran, dass er eigenständig fliegen kann. Jeder würde sich in die Lüfte erheben und fliegen. Menschen zweifeln zu viel an sich selbst. Deshalb haben sie keinen Zugang zum wahren Willen und beginnungslosen Glauben.“

Du schweifst vom Thema ab, und wirst etwas zu fantastisch, Kim.

„Weißt du, ich spreche nicht so gerne über Schuld. In der Welt der Menschen hat alles eine Ursache. Wie ist es damit, wenn ein Mensch in einen reißenden Fluss stürzt und darin ertrinkt? Trägt der Fluss die Schuld an seinem Tod?“

Wohl eher der Mensch, weil er unachtsam war.

„Und wenn der Mensch von einem wilden Tier verfolgt wurde und ihm keine andere Möglichkeit mehr blieb, als in den reißenden Fluss zu springen?“

Kim, das ist etwas ganz anderes, als wenn ein Mensch böswillig einen anderen Menschen betrügt oder gar tötet.

„Was ist daran anders? Der Fluss ist genau an der Stelle, wo der Mensch in ihn hineinspringt, höchst gefährlich. Bei Menschen ist es nicht anders. Sie sind manchmal auch höchst gefährlich.“

Und es liegt an den Energien. Das ist Schwachsinn, Kim.

„Alles ist Energie, Mädchen! Du auch! Und all das, was dich umgibt. Der Unterschied besteht nur darin, ob du etwas persönlich oder unpersönlich nimmst. Der Fluss wäre für dich auf jeden Fall unpersönlich, aber der Mensch, der einen anderen betrügt, oder gar tötet, wäre persönlich. Das würde ich Schwachsinn nennen.“

3.) Gespräch

Die Welt um uns herum ist schlecht. Die täglichen Nachrichten beweisen es.

„Dann glaub einfach nicht, was in den Nachrichten steht oder gesagt wird. Sie werden nur durchgegeben, damit das Volk denkt, wie gut es ihm geht und wie gut es ist, dass es niemals einen Mord oder einen Diebstahl begehen könnte und es sich fragt, wie ein Mensch nur so grausame Taten vollbringen kann.“

Das ist nicht dein Ernst, Kim.

„Das ist er!“

Was? Wovon sprichst du?

„Von Ernst.“

Was meinst du damit?

„Ernst ist ein Junge, den ich auf einem Planeten kennen gelernt habe.“

Ich meinte das anders, Kim.

„Ich weiß, aber als du eben – Ernst – erwähnt hast, musste ich an diesen Jungen denken.“

Wann hast du ihn kennen gelernt

„Ich lebte damals noch als Musiker auf der Erde. Es war ungefähr um die Zeit, nachdem wir Xilar, unseren flauschigen Zwerg, verloren haben.“

Hat Maria Ernst auch kennen gelernt?

„Nein, sie wusste nichts von Ernst, sonst hätte sie ihn in ihren Aufzeichnungen erwähnt.“

Warum? War er so etwas Besonderes?

„Er war ein Aspekt meiner Ganzheit.“

Wie ist das möglich?

„Alles ist möglich, Mädchen.“

Ich meine, es ist schon sehr seltsam, wenn man sich plötzlich selbst gegenüber steht.

„Ich stand nicht mir selbst gegenüber, sondern einem Aspekt meiner Ganzheit. Niemand kann sich selbst gegenüber stehen. Nicht einmal vor dem Spiegel stehst du dir selbst gegenüber. Du glaubst nur, dass du das bist und so aussiehst. Du siehst im Spiegel nur ein Gefühl deines Selbst. Oder passiert es dir nie, dass du dich manchmal überhaupt nicht schön findest?“

Ja, du hast Recht. Manchmal, wenn ich nicht gut drauf bin, bin ich auch mit meinem Spiegelbild nicht zufrieden.

„Siehst du?“

Ich denke, manchmal ist es besser, nicht allzu genau auf Kims Aussagen einzugehen…oder, um ehrlich zu sein, meine Gedanken nicht allzu genau zu verfolgen…
Warst du dir damals bewusst, daß du einem Aspekt deiner Ganzheit gegenüber stehst?

„Natürlich nicht. Damals wusste ich nicht, daß meine Ganzheit multidimensional ist. Das wusste ich erst viel später auf der Leuchtenden Welt. Eigentlich hat es auch keine Bedeutung, denn wir stehen ständig anderen Teilchen unserer Ganzheit gegenüber.“

Darf ich dir noch eine Frage – eine sehr kühne Frage stellen?

„Ich liebe kühne Fragen!“

Bin ich ein Teil deiner Ganzheit?

„Wärst du stolz, wenn es so wäre?“

Natürlich!

„Dann sag ich es nicht.“

Ist es nicht gut, wenn man stolz auf etwas ist?

„Es bindet dich zu sehr. Du möchtest doch frei sein.“

Aber ich hänge noch an vielen anderen Dingen, also wäre es egal.

„Woran hängst du denn?“

An meinen selbst geschriebenen Büchern.

„Verbrenne sie!“

Das kannst du nicht von mir verlangen, Kim.

„Warum nicht? Du wärst frei, wenn es sie nicht mehr geben würde. Außerdem sind sie in dir – also gäbe es überhaupt nichts zu verlieren.“

Bin ich ein Teil deiner Ganzheit, Kim?

„Einmal bist du es.“

Das weiß ich selber, aber...

„Du weißt es nicht, Mädchen. Du glaubst ja nicht an solche Dinge. Du glaubst, wenn du stirbst, ist alles aus und vorbei. Nicht wahr?“

Manchmal glaube ich das, weil ich mir nicht vorstellen kann, wie es weiter gehen soll.

„Du wirst dir dessen nicht bewusst sein, das ist alles. Oder ist dir jetzt bewusst, dass du schon mehrmals gelebt hast?“

Sagst du mir nicht, ob ich ein Aspekt von deiner Ganzheit bin?

„Es hätte keinen Sinn, Mädchen. Soll ich dir nicht lieber von Ernst erzählen?“

Hatte er wirklich diesen irdischen Namen?

„Hatte er – und es kam mir selbst höchst seltsam vor, denn die anderen Bewohner dieses Planeten hatten vollkommen unaussprechliche Namen. Ich kann mich nur an einen erinnern – das war der Vater von Ernst – er hieß – nun, ich kann diesen Namen nicht aussprechen.“

Buchstabiere den Namen, Kim.

„Okay! Bist du bereit?“

Ja, Kim.

„G F R Y L M K“

Das ist wirklich ein sehr unaussprechlicher Name. Wie war die Sprache dieser Außerirdischeren?

„Genauso kompliziert. Ich brach mir beinahe die Zunge ab, aber ich schaffte es.“

Und warum schaffst du es jetzt nicht?

„Weißt du, ich vollbrachte viele Dinge in meinem langen, langen Leben, von denen ich heute nicht mehr weiß, wie ich sie geschafft habe. Wenn ich das alles heute noch mal machen müsste – ich könnte es nicht mehr.“

Du machst wieder Witze, Kim.
Was war nun mit Ernst?

„Eigentlich gar nichts.“

Ich dachte, du willst mir eine Geschichte über ihn erzählen.

„Über Ernst?“

Ja, Kim.

„Ach, das ist eine fade, belanglose Geschichte. Es wäre schade um jedes Blatt Papier, das du damit vergeudest.“

Tu es trotzdem, Kim.

„Kannst du das verantworten? Ich meine, übernimmst du die Verantwortung?“

Ja, Kim!

„Okay! Es war nachts, als mich dieser Planet rief. Maria bekam von alledem nichts mit. Sie schlief wie ein Bär neben mir. Weißt du, daß sie fürchterlich geschnarcht hat?“

Nein, Kim.

„Sie schnarchte, als ob sie Riesenbäume zersägen müsste.“

Hast du nie geschnarcht?

„Nur wenn ich verkühlt oder stockbesoffen war.“

Hast du so viel getrunken?

„Ich war Alkoholiker – und zwar ein ganz schlimmer Alkoholiker. Ich brauchte schon morgens meine Ration Whisky.“

Das ist vorbei, Kim.

„Meinst du? Ich könnte jederzeit wieder dieses widerwärtigste, ekligste Geschöpf werden. Weißt du, wie ich damals ausgesehen habe?“

Ich kann es mir vorstellen, weil ich darüber geschrieben habe.

„Du hast es sehr schonend geschrieben – Maria ebenso.“

Und du übertreibst, Kim. Du hast schon immer übertrieben – auch damals, als du Maria deine Vergangenheit offenbart hast. Als du mit 14 heroinsüchtig wurdest, hättest du Ringe unter den Augen gehabt und wärst furchtbar hässlich gewesen.

„Das war ich auch, Mädchen. Und als Alkoholiker sah ich noch hässlicher aus. Mit 14 wuchs mir noch kein Bart, aber als Alkoholiker schon – und damals war ich ständig unrasiert und mehr als ungepflegt. Weißt du, wie grässlich ich aussehe, wenn ich unrasiert bin? Wenn du mich nur einmal so zeichnen würdest, würdest du es wissen.“

Das sagst du nur, weil du damals dein wirkliches Ich noch nicht kanntest.

„Mein wirkliches Ich? Oh, Mädchen, was meinst du, was alles zu meinem wirklichen Ich gehört? Dieser widerwärtige, eklige Alkoholiker gehört genauso zu meinem wirklichen Ich, wie der gestörte, heroinsüchtige Strichjunge. Das ist in mir, Mädchen. Deshalb sage ich immer, dass du keinen Menschen verurteilen sollst, weil du dich damit nur selbst verurteilst. Wir alle neigen und neigten dazu, uns gehen zu lassen, um ein wenig Mitleid zu erhaschen. Wir alle sind schwach und träge.“

Hast du heute keinen guten Tag, Kim?

„Heute habe ich den besten Tag meines Lebens. So klar und nüchtern habe ich noch nie in mich gesehen. Ich sehe ja nicht nur die so genannten negativen Teile in mir. Ich sage bewusst – negativ – was ja nicht schlecht bedeutet. Wenn wir nur dazu stehen, was wir sind, ist alles okay. Schlimm ist es nur, wenn wir diese Teile leugnen, was ein Zeichen dafür ist, dass wir damit nicht klar kommen. Wir müssen unsere negativen Teile genauso lieben und akzeptieren wie unsere positiven. Das ist nun mal die Ganzheit unseres Selbst. Wir sind all das, was wir wahrnehmen. Also schließe nichts aus und sag niemals, dass dir dieses oder jenes, was dir missfällt, nicht passieren kann. Es kann schneller passieren, als du denkst, Mädchen.“

Stehst du wirklich dazu, Kim?

„Voll und ganz!“

Bist du auch stolz darauf?

„Ganz und gar nicht, aber ich akzeptiere es genauso wie die Dinge, die ihr gut genannt habt. Glaub nicht, dass ich stolz darauf bin, weil ich das Universum gerettet habe. Ich akzeptiere es – das ist alles. Außerdem hatte ich unzählige Helfer, ohne die es mir ohnehin nicht gelungen wäre.
Weißt du nicht mehr, daß ich es stets vermieden habe, auf irgendeine Eigenschaft meinerseits stolz zu sein?“

Ja, das weiß ich. Vielleicht hattest du Angst, daß du zu stolz wirst.

„Diese Angst war berechtigt, Mädchen. Und es war auch ein Anflug von Stolz in mir.“

Ist Stolz schlecht?

„Nichts ist schlecht, aber Gefühle, die dich übermäßig anziehen, von denen du himmelhoch jauchzend begeistert bist, sind sehr gefährlich. Sie reißen dich in eine Welt hinein, die du nicht mehr durchschauen kannst. Was meinst du, wie schlimm es nachher ist, wenn du erwachst und erkennst, dass nichts so war wie es schien? Ging es dir nicht ebenso, als du mit deinen Büchern fertig warst? Zuerst der Stolz, es endlich geschafft zu haben und dann die Frage, was du nun mit deinem jämmerlichen Leben anfangen sollst?“

Es stimmt schon – ja, ich fühlte nach dem Schreiben eine Leere in mir, aber das ließ ich nicht lange zu, denn ich suchte weiter.

„Dann warst du zu dieser Zeit ziemlich stark, aber es gibt auch Teile in dir, wenn sie zu dieser Zeit an der Oberfläche gewesen wären, die dich in eine tiefe Depression oder gar in den Tod getrieben hätten.“

Hängt es wirklich von unseren inneren Teilchen ab, die wir, deiner Meinung nach, in uns haben, wie wir unser Leben meistern?

„Gut, daß du das erwähnst – das – meiner Meinung nach. Ja, ich würde schon sagen, dass es von diesen Teilchen abhängt, denn die Ganzheit des Selbst sieht bei jedem Lebewesen vollkommen gleich aus. Kein Lebewesen kommt umhin, all das zu erleben, was auch andere Lebewesen erlebt haben.“

Was war nun mit Ernst, Kim?

„Ich habe dir eben seine Geschichte erzählt.“

Du meinst, Ernst war so ein Lebewesen, das mit seinen negativen Teilchen nicht klar kam?

„Nein, ich meine, Ernst war so ein Lebewesen, das von manchen Dingen so überwältigt war, dass er sein gesamtes Leben darauf projizierte – und als seine Aufgabe vorbei war, war er vollkommen leer. Gewissermaßen war er tot – innerlich mausetot. Man konnte nichts mehr mit ihm anfangen. Ernst war so etwas wie ein Held.“

War Ernst ein Krieger?

„Nein.“

Helden retten etwas. Das meinte ich mit Krieger.

„Ernst rettete überhaupt nichts. Er verfing sich in etwas – das war alles.“

Was bedeutet es für dich, ein Held zu sein?

„Na, eben das – wenn man sich für eine Sache voll und ganz einsetzt, und wenn man sie hinter sich hat, weiß man nicht mehr, was man mit sich selbst anfangen soll, wofür man überhaupt noch lebt, weil man anscheinend den Höhepunkt seines Lebens ohnehin hinter sich hat.“

Das sind für mich keine Helden, Kim.

„Nicht für dich, aber für mich. Du weißt doch auch, dass Wort nicht gleich Wort für mich ist.“

Ja, ich kenne deine seltsame Ausdrucksweise.

„Es ist meine Ausdrucksweise, Mädchen – und sie ist keineswegs seltsam für mich. Vielleicht hast du einmal dieselbe Ausdrucksweise.“

Meinst du, dann wäre es mir auch nicht recht, wenn sie jemand seltsam nennt?

„Wenn du diese Ausdrucksweise einmal hast, Mädchen, ist es dir scheißegal, wie sie andere nennen. Und mir ist es ebenso scheißegal. Ich stehe zu mir. Ich weiß, wie ich bin. Ich kenne meine Teilchen ziemlich gut – die negativen wie die positiven. Aber deswegen werde ich nicht euphorisch. Diese Zeiten des Stolzes sind vorbei. Ich weiß, dass ich nicht besser oder schlechter bin als alle anderen. Es ist nun mal so. Alles ist nun mal so.“

Sozusagen kann dich überhaupt nichts mehr begeistern.

„Das gesamte Universum begeistert mich, weil es voller unergründlicher Geheimnisse steckt. Ich reiße ständig meine Augen auf und staune.“

Wenn dich alles begeistert, wie kannst du dann einen Unterschied erkennen?

„Unterschied zwischen was?“

Vielleicht zwischen Begeisterung und Langeweile?

„Siehst du, und genau darin besteht die große Kunst – und bis ich diese große Kunst begriffen habe, musste ich viele, viele Wege zurücklegen. Diese große Kunst ist das Mittelmaß. Denke einmal daran, wie es früher war, bevor ich Maria lieben und kennen lernte. Damals gab es nichts außer Musik. Für meine Musik wäre ich wirklich gestorben.“

Das war Leidenschaft, Kim. Selbst Don Juan sagte zu Carlos Castaneda, daß ein Mann Leidenschaft haben muss.

„Mädchen, ich bin weder Carlos Castaneda noch Don Juan.
Okay, du kannst Leidenschaft haben – für alles um dich, aber du sollst es nicht überbewerten. Du sollst dich in dieser Leidenschaft nicht gehen lassen, sonst frisst sie dich auf, und dann hast du nichts mehr.“

Wir haben ohnehin nichts - nicht einmal uns selbst.
Kim lächelt.

„Das ist ein schwieriges Thema. Aber, dass du Carlos in unser Gespräch mit einbezogen hast, ist gar nicht so schlecht. Carlos musste sich von allem befreien, um ein makelloser Krieger zu werden. Und doch durfte er Leidenschaft besitzen – aber Leidenschaft, um ein makelloser Krieger zu werden. Die Leidenschaft regiert unser Leben. Wenn du keine Leidenschaft hast, bist du innerlich tot. Das ist es ja, Mädchen! Du musst für jede Kleinigkeit Leidenschaft empfinden, um nicht in einem einzigen Ding zu versumpfen. Hänge deine Aufmerksamkeit niemals nur an ein Ding, denn das könnte dir das Leben kosten. So einfach ist das. Alles um dich ist wichtig, auch wenn es dir vorerst gar nicht auffällt. Deshalb kommt jetzt wieder mein Lieblingsspruch: Reiß die Augen auf und staune! Sobald du morgens munter wirst, solltest du das tun. Routine ist der Tod der Leidenschaft und kann der Tod unserer Herzen sein.“

Es hätte keinen Sinn, meine Bücher zu verbrennen. Ich hab sie auf Diskette.

„Nimmst du immer alles für bare Münze, was ich sage? Verbrenne sie innerlich! Glaube mir, wenn du dein Herz nicht mehr an diese Bücher hängst, geht es dir besser. Du wirst deine Angst verlieren, dass sie einmal verbrennen oder verloren gehen könnten. Es wäre dir buchstäblich scheißegal, wenn sie wirklich einmal verbrennen und verloren gehen.“

Was passierte nun mit Ernst? Starb er?

„Wo denkst du hin? Ich habe ihn natürlich gerettet.“

Wie denn?

„Indem ich ihm all das gesagt habe, was ich dir eben gesagt habe.“

4.) Gespräch

Ist die Welt für dich noch immer ein unergründliches Geheimnis, Kim?

„Wir sind das unergründliche Geheimnis - wir selbst - also, wie könnte ich es anders sehen? Ich habe noch immer Kinderaugen. Mein Tipp, dass du stets der kleine Peter Pan bleiben sollst, kommt nicht von irgendwoher. Und ebenso wenig der andere Tipp, dich endlich von dem Weltbild zu leeren, das man dir eingehämmert hat. Sieh dich doch um! Staunen die Erwachsenen? Nein, und wenn sie staunen, werden sie beinahe verrückt dabei. Sie fragen sich allen Ernstes, warum der Elefant dort rosa ist. Klar, ein Kind fragt auch ständig, und doch ist alles für ein Kind etwas Neues und gleichzeitig etwas, das nun mal so ist, wie es ist.“

Aber was ist mit dem Glauben - diesem unerschütterlichen Glauben? Kinder glauben doch an alles Mögliche, aber all dieses Mögliche wird durch die Erklärung der Erwachsenen zum Unmöglichen.

„Durch diese Erklärung wurde euch der Weg zum wahren Geheimnis versperrt, den ihr jetzt mühsam suchen müsst.“

Mir fehlt dieser unerschütterliche Glaube, und Glaube kann nicht erzwungen werden. Meine Welt steht sozusagen fest - sie unterscheidet sich von möglichen und unmöglichen Dingen, aber nicht, weil mir das so erklärt wurde, sondern weil ich es so wahrnehme.

„Bedenke die Wege, die du bereits zurückgelegt hast. Erstens, der Weg vom Säugling zum Kleinkind, zweitens, der Weg vom Kleinkind zum Teenager, und drittens, der Weg vom Teenager zum Erwachsenen. Auf diesen drei Wegen hast du mehr und mehr den unerschütterlichen Glauben verloren, der eigentlich mit dem Glauben, was Menschen allgemein unter ‚Glaube’ verstehen, nur wenig zu tun hat. Dieser unerschütterliche Glaube ist nichts anderes als eine Tür in dir, welche weit offen sein sollte.
Beim Säugling ist sie noch offen - aber was hat er davon? Sein Bewusstsein ist noch zu klein, um mit dieser Öffnung etwas anzufangen. Beim Kleinkind ist die Tür nicht mehr so weit offen, da das Kleinkind bereits Erklärungen entgegen nimmt. Und so geht es weiter, bis die Tür verschlossen und kaum mehr vorhanden ist.
Was passierte mit dir als Kleinkind? Dir wurde von deinen Eltern und deinen Lehrern in der Schule keine Welt erklärt, die alles offen lässt, keine Welt, in der man auf unergründliche Geheimnisse stößt. Keine noch so große Fantasie könnte dir weiter helfen, um das Unergründliche WIRKLICH wahrzunehmen. Es fehlen einfach die Wege. Die Wege der offenen Türen wurden versäumt, weil nun mal andere Wege eingeschlagen wurden, die ich sicher nicht falsch nennen möchte - sie waren eben anders, eben eine andere Wirklichkeit, von der es unzählige gibt.
Das heißt aber nicht, dass es dir nun verwehrt wird, eine andere Wirklichkeit wahrzunehmen. Wenn es auch unmöglich klingt, aber es wäre durchaus möglich, zum Ausgangspunkt zurück zu kehren. Und der Ausgangspunkt ist der Säugling. Du hast hier einen kleinen Vorteil, denn du bist kein Säugling mehr und kannst über dich selbst hinaus wachsen, um die offene Tür wieder zu sehen. Aber hier gibt es niemanden, der dir sagt, wie dies und das ist, oder wie du etwas zu tun hast. Hier bist du ganz auf dich alleine gestellt, was du hier und jetzt im Grunde genommen ja auch bist, bloß nimmst du es hier und jetzt nicht bewusst wahr. Und auf der anderen Seite - ganz auf dich alleine gestellt bist du nie, da alles immer Eins ist.
Aber lassen wir diese Science-Fiction-Philosophie, denn die Welt ist ja trotz allem noch immer ein unergründliches Geheimnis. Du wirst heim finden, denn das bist du ja schon, genauso wie ich.“

Lass uns trotz allem mit dieser Science-Fiction-Philosophie weitermachen, Kim - mit diesen vielen Wirklichkeiten, die wir uns selbst durch das Schließen der inneren Türen verwehrt haben. Da ja alles zum Staunen ist, ist es ja egal, worüber wir sprechen.
Es könnte doch Wesen geben, welche sich Dinge in ihren Köpfen vorstellen, und schon sind sie Wirklichkeit. Könnte das auch auf uns Menschen zutreffen? Immerhin wurde uns von klein auf die Welt erklärt. Die Art, wie wir die Welt nun wahrnehmen, ist sozusagen in unserem Kopf einprogrammiert. Das heißt, wenn wir mit einem rosa Elefanten konfrontiert werden, sagt uns unser Gehirn innerhalb kürzester Zeit, dass es sich hier um einen angemalten Elefanten, oder um eine Abnormalität handelt, denn rosa Elefanten gibt es nicht.

„Warum soll es keine rosa Elefanten geben?“

Weil noch kein Mensch einen Elefanten gesehen hat, der rosafarben auf die Welt kam.

„Oh, ich vergaß! Der Mensch ist ja das Maß aller Dinge und wenn er sagt, dieses oder jenes gibt es nicht, dann ist das auch so. Also, ich wäre mir nie sicher, ob es nicht doch rosa Elefanten gibt, auch wenn kein Mensch jemals einen gesehen hat.“

Menschen brauchen Beweise, Kim. Menschen fragen sich sogar, ob ein fallender Baum, wenn kein Beobachter in der Nähe ist, wirklich ein Geräusch macht. Aber lass mich jetzt weiter sprechen, sonst vergesse ich noch, was ich sagen wollte.
Wir stellen uns die Dinge in unserem Kopf nun mal rational erklärbar vor, und Dinge, die man nicht rational erklären kann, werden sofort als Verkleidung, oder gar als Halluzination umgesetzt. Sicher gibt es Halluzinationen, Luftspiegelungen, oder sonst welche Erscheinungen dieser Art, aber sie alle werden sofort rational erklärt, weil wir die Welt nun mal auf diese Art und Weise in uns haben.

„Ich fürchte, du kannst diese Wesen, die es geben könnte, kaum mit den Menschen vergleichen, weil das nun mal eine vollkommen andere Dimension mit vollkommen anderen Vorstellungen und einer vollkommen anderen Lebensweise wäre. Das, was sich diese Wesen in ihrem so genannten Kopf vorstellen…“

Warum so genannter Kopf?

„Weil sie keinen Kopf wie Menschen haben. Ihre Erscheinung wäre unvorstellbar für dich. Nicht einmal du hättest die Fantasie dazu, um sie dir vorstellen zu können, weil sie weder mit Menschen, Tieren, Pflanzen oder sonst welchen Formen, die dir geläufig sind, etwas gemeinsam haben. Also - das, was sich diese Wesen in ihrem so genannten Kopf vorstellen, ist jenseits der Vorstellungen der Menschen. Diese Wesen haben andere Bedürfnisse. Außerdem wurde ihnen ihre Welt nie erklärt, denn in gewisser Weise haben sie keine Welt.“

Heißt das, sie wurden ins Nichts geboren?

„Im weitesten Sinn kannst du es so nennen, obwohl es sicher nicht das Nichts ist.“

Das Nichts ist gewissermaßen etwas Unvorstellbares für uns Menschen. Demnach könnte es durchaus das Nichts sein, denn auch diese Wesen sind, deinen Worten nach, unvorstellbar für uns Menschen.

„Es ist sinnlos darüber zu reden, ob es das Nichts ist, oder nicht. Besser wäre, du stellst dir einen Menschen vor, der blind geboren wurde. Blinde haben keine optische äußere Welt. Zwar wurde auch ihnen die Welt erklärt, aber doch haben sie viel mehr eine innere Welt, da die so genannte äußere Welt nicht sichtbar für sie ist.“

Sozusagen kommen diese Wesen blind auf die Welt.

„Ich sagte, du könntest es dir eher so vorstellen, obwohl sie nicht wirklich blind sind. Es ist so, dass die Vorstellungen in ihrem so genannten Köpfen sofort sichtbar und wahrnehmbar werden. Der Begriff – Vorstellungen – ist auch wieder nicht richtig, denn es handelt sich keineswegs um irgendeine Fantasie, da diese Wesen gar keine Fantasie haben. Diese Wesen sind wie Projektoren, die aus ihrem Inneren die Welt entwerfen.“

Du sprichst so, als würde es diese Wesen wirklich geben, Kim.

„Sicher gibt es sie! Ich habe sie irgendwann einmal auf einer meiner Reisen durch das Universum selbst gefühlt. Ja, gefühlt, weil sie für Augen nicht sichtbar sind.
Nun weiter! Auf eine gewisse Art hast du das ganz richtig erkannt, dass es mit den Menschen ähnlich ist, da auch sie die Welt auf eine ganz bestimmte Art aus sich heraus projizieren. Wahrnehmung ist doch auch so etwas Ähnliches wie eine Projektion. Der Grund, warum das so ist, mag wahrscheinlich daran liegen, dass euch die Welt von klein auf nun mal so erklärt wurde. Ihr wurdet sozusagen auf genau diese Wirklichkeit hingewiesen, denn es ist ja auch eine Wirklichkeit, wenn auch nur eine von vielen.
Andererseits, um ein anderes Argument aufzuführen, könnte es durchaus möglich sein, dass sich in euch eine evolutionäre Wirklichkeit festgesetzt hat. Das heißt, diese Wirklichkeit, die ihr nun wahrnehmt, die für euch die einzig erklärbare Wirklichkeit ist, war schon immer in euch vorhanden, sozusagen seit der Urgeschichte - seit es die so genannten ersten Menschen gibt, die euch diese Wirklichkeit vererbt haben. Also war sie bereits lange vorher in euch, bevor ihr überhaupt etwas wahrgenommen habt, und da sie schon da war, gab es für euch keine andere Möglichkeit, als das, was in euch wie ein inneres Organ lebt, draußen zu sehen und wahrzunehmen.“

Und wo bleibt dann die innere Tür zu allen anderen Wirklichkeiten, die wir Menschen durchaus wahrnehmen könnten?

„Worum geht es denn hauptsächlich in diesem Gespräch, wenn nicht um Bewusstsein? Ich wage zu sagen, dass ihr bis jetzt kaum mehr als 30% davon verwirklicht. Im Grunde genommen hat sich seit den Urmenschen bei euch wenig geändert, denn die Wahrnehmung ist dieselbe geblieben. Sicher, heute wisst ihr mehr, denn in der Urgeschichte gab es kaum einen Wissenschaftler, der eine Relativitätstheorie aufgestellt hat. Es mag sich gigantisch anhören, wenn es heißt, dass es die Menschheit von der Keule bis zur Atombombe geschafft hat - vom aufrechten Gang bis zur Rakete. Trotz allem ist es dieselbe Wahrnehmung geblieben. Daran hat sich nichts geändert. Mit einer anderen Wahrnehmung hättet ihr die Möglichkeit, selbst zu fliegen, euch sogar mit Lichtgeschwindigkeit von einem Ort zum anderen zu begeben - sogar zu einem Ort auf einem weit entfernten Stern.“

Heben sich Schwerkraft und alle anderen physikalischen Naturgesetze in anderen Wirklichkeiten einfach auf?

„Die Menschen haben die Schwerkraft bereits überlistet, wenn du an tonnenschwere Flugzeuge denkst. Klar, auch das lässt sich rational und wissenschaftlich erklären. Eine Kraft hebt die andere auf. Es gibt ja nicht nur eine Kraft, eine Energie - es gibt unendlich viele Kräfte, unendlich viele Energien in euch selbst, die euch zu allem möglichen verhelfen könnten, wenn ihr sie nur erkennen würdet. Aber all das wäre nur Hokuspokus für euch, denn wie könnte man dieses Phänomen rational, oder wissenschaftlich erklären, wenn du plötzlich wie ein Vogel fliegen kannst?“

Woher kommen all die Wirklichkeiten, Kim? Kommen sie aus dem Bewusstsein, aus unserem Kopf, oder sind sie ein eigener Bestandteil des Universums?

„Sie sind wie alles die Quelle der Kraft selbst, kommen aber auch aus dem Bewusstsein, aus eurem Kopf und sie sind genauso ein eigener Bestandteil des Universums. Ihr nehmt ja nicht nur die Wirklichkeit um euch wahr, sozusagen das Äußere, sondern auch euch selbst, das Innere. Ihr seid in dieser Wirklichkeit, die ihr wahrnehmt, mit eingeschlossen, seid ein Teil dieser Wirklichkeit. Und so gesehen gibt es im Grunde genommen gar kein Außen und auch kein Innen.“

Es ist verdammt schwierig, wenn man etwas sucht, wo man nicht weiß, was man überhaupt suchen soll. Das menschliche Bewusstsein ist kein Ort - es ist weder in uns, noch außerhalb von uns - es ist undefinierbar, eben nicht zu erklären. Es scheint so zu sein, dass wir nun mal fix programmiert sind, und erst einmal einer kommen muss, der uns umprogrammiert - uns einfach eine vollkommen andere Vorstellung der Welt eingibt. Anders sehe ich keine Chance für uns Menschen. Wir glauben nun mal fix an das, was wir glauben, und ebenso fix glauben wir nun mal nicht an das, an was wir nicht glauben. Der Glaube kann nicht erzwungen werden.

„Du hast vollkommen recht damit, Mädchen. Der Glaube, der euch weiter führen könnte, lässt sich nicht erzwingen. Und so gesehen, scheint für euch der Weg zu Ende zu sein. Ihr seid gewissermaßen an der Stagnation angelangt. Es gibt nichts Neues mehr, denn alles wiederholt sich immerzu. Mal lebt ihr in Saus und Braus, dann schlägt ihr alles zusammen, um es wieder aufzubauen, und um abermals in Saus und Braus zu leben. Und das alles wiederholt sich immer wieder. Und die Frage, wo es etwas Neues zu finden gibt, bohrt ja doch in eurem Inneren. Aber heißt es nicht so schön: Wer suchet, der findet?“

Du meinst, es ist dem Zufall überlassen?

„Wenn es sich nicht erzwingen lässt, muss es nun mal über dem so genannten Zufall, wie ihr dieses Phänomen nennt, laufen. Ich sagte schon mehrmals, dass niemandem wirklich etwas geschenkt wird, obwohl euch die Quelle der Kraft ständig Geschenke schickt. Auf eine gewisse Art und Weise beschenkt ihr euch aber selbst - nur versteckt ihr eure Geschenke vor euch selbst immer zu gut.“

Sozusagen könnten wir uns selbst nie umprogrammieren, indem wir uns ständig suggerieren, statt einem Baum ein Fantasiewesen zu sehen?

„Das gesamte menschliche Bewusstsein besteht nicht aus Fantasiewesen. Es besteht aus Wirklichkeiten, genauso aus Wirklichkeiten, wie eure im Moment einzige, wahrnehmbare Wirklichkeit eine Wirklichkeit ist. Aus diesem Grunde sagte ich dir, dass du diese Wesen, welche aus ihrem so genannten Kopf die Wirklichkeit realisieren, mit den Menschen kaum vergleichen kannst, denn dort hat jedes einzelne Wesen seine ganz spezielle, eigene Wirklichkeit, und doch kommen sie miteinander unwahrscheinlich gut aus. Das wäre für euch Menschen unvorstellbar, denn ihr müsst eine allgemeine Wirklichkeit haben, um euch dem anderen verständlich mitteilen zu können. Für euch wäre das der Turmbau zu Babel, als plötzlich jeder einzelne eine andere Sprache sprach. Jedoch bei diesen Wesen funktioniert es - bloß frag mich nicht wie. Es ist nun mal ein vollkommen anderes Bewusstsein in einer vollkommen anderen Dimension. Es ist einfach so, dass diese Wesen wissen, dass es unzählige Wirklichkeiten gibt, eben so viele, wie Wesen in dieser Dimension geboren werden. Stirbt ein Wesen, stirbt eine Wirklichkeit. Man könnte sogar sagen, in dieser Dimension werden Wirklichkeiten geboren und sterben auch wieder. Ja, man könnte diese Wesen Wirklichkeiten nennen.
Für dich scheint es so zu sein, als ob diese Wesen etwas erfinden oder fantasieren. Aber dem ist nicht so, denn sie SIND diese Wirklichkeit, die sich aus ihren so genannten Köpfen heraus materialisiert. Im Grunde genommen ist es gar keine Materialisation, also keine feste Materie, deshalb sagte ich dir auch, du könntest sie im weitesten Sinn mit blind geborenen Menschen vergleichen.
Nun, wo ich eben sagte, dass diese Wesen selbst diese verschiedenen Wirklichkeiten sind, könnte man das auch auf euch Menschen beziehen, denn ihr seid auch selbst das menschliche Bewusstsein, obwohl ihr seine gesamte Tragweite noch lange nicht versteht.“

Das verstehe ich bis hierhin, Kim. Aber wie könnte ich das gesamte menschliche Bewusstsein erkennen? Eine rationale Antwort kannst du mir ja doch nicht darauf geben.

„Lehne dich zurück und genieße das Leben - hier und jetzt - und staune - ja, vor allem - staune. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“

5.) Gespräch

Was ist Fantasie für dich, Kim?

„Für mich gibt es keine Fantasie, - weil ich weiß, dass jeder Gedanke, - auch wenn er nicht besonders energiereich ist, sehr wirksam werden KANN. Ich will damit nicht sagen, dass er sogleich zur Materie wird, was ja wieder ein Missverständnis zwischen uns auslösen könnte.
Nur ein Beispiel, - wenn dein Mann nicht zur rechten Zeit von der Arbeit nach Hause kommt, was spielt sich dann in deinem Kopf ab?“

Ich weiß, was du mir sagen willst, Kim. Ja, stimmt, - da spielen sich einige Szenarien ab, die nicht sehr angenehm sind. Ich bin dann immer sehr froh, wenn er endlich heil und gesund wieder da. Aber dagegen kann ich kaum etwas tun.

„Ich weiß. Nur – DAS würde ich Fantasie nennen, weil du nicht wirklich wissen kannst, warum er später nach Hause kommt. Es muss ja nicht immer gleich etwas passiert sein, wodurch er sich vielleicht in Lebensgefahr befindet.
Ebenso würde ich Urteile über andere Menschen Fantasie nennen, von denen du nicht wissen kannst, ob sie wirklich so sind, wie du über die urteilst, - oder ob die Meinung, die du dir über sie bildest, wirklich so ist.“

So wie Jesus sagte, dass manche Menschen den Splitter im Auge ihres Nächsten, aber nicht den Balken vor ihren eigenen Augen sehen.

„Welch wahre Worte!“

Aber was ist mit der Fantasie, durch die Märchen entstehen? Also, ich halte Fantasie für die größte Macht der Menschen. Etwas Ähnliches hat auch schon Einstein gesagt.

„Vorstellungsvermögen, - es ist nur Vorstellungsvermögen und nichts anderes, als das, worüber wir eben gesprochen haben. Oder meinst du, durch Fantasie ließe sich irgendetwas erklären? Selbst bei Einstein war es nichts anderes als Vorstellungsvermögen oder eben eine Kombination mit Bekanntem. Kein Mensch würde etwas völlig Neues auf Grund der Fantasie erfinden können. Wie weit reichte denn die Vorstellung von Engel? Ein Mensch mit Flügel! Dass ich nicht lache! Weißt du, die Natur hat mehr Fantasie als eine Million Menschen, wenn du die herrliche Vielfalt der Bäume, Blumen, wie auch Tiere betrachtest.“

Das sagst du jetzt nur, weil ich dich auch für Fantasie halte.

„Jetzt hast du aber meinen wunden Punkt getroffen, Mädchen.“






6.) Gespräch

Sollte nicht jeder Mensch seine innere Welt entdecken? Und erst, wenn er sie entdeckt hat, ist er vollständig und hat die 100% menschliches Bewusstsein sozusagen erfüllt. Ich würde aber auch sagen, dass es genauso auch um die Taten geht, die im menschlichen Bewusstsein zu erfüllen sind.

„Die erfüllt er sowieso.“

Ja, weil auf eine gewisse Art schon alles passiert ist.

„Nicht auf eine gewisse Art – denn gleichzeitig ist immer alles da.“

Könntest du dieses Phänomen genauer beschreiben, Kim?

„Vergiss nicht, dass du hier über DEINE innere Welt schreibst. Du hast keine Formel für die Allgemeinheit. Also, wozu sollten wir dieses Phänomen lang und breit schlagen?
Aber okay, denn du scheinst ja nicht aufzugeben.
Also, ich würde sagen, dass jeder Mensch seinen ganz speziellen Faden der menschlichen Wahrnehmung bei der Geburt mitbekommen hat.“

Das mit dem Faden und der Wahrnehmung klingt nach Castaneda.

„Das war Absicht!“

Warum das?

„Weil er, wie du selbst stets sagst, deiner inneren Welt am nächsten kommt.“

Vielleicht ist die innere Welt viel mehr das Akzeptieren des eigenen Schicksals, eben das WIE, wie ich mit meinem Schicksal am besten umgehe.

„Melanies Begleiter auf der Leuchtenden Welt, namens Toma, war stets darauf aus, sein Inneres mit dem Äußeren in Einklang zu bringen. Er brachte sich selbst in Einklang mit allem. Ja, – genau um dieses WIE geht es, und das ist eben von Lebewesen zu Lebewesen verschieden.“

So viel ich mitbekomme, schaffen das nur sehr wenige Menschen, wenn überhaupt.

„Meinst du, dass du dein Schicksal voll und ganz akzeptierst?“

Voll und ganz sicher nicht, aber zumindest weiß ich, dass es durch Klagen und Jammern nicht besser wird. Verzweiflung bringt niemanden weiter, sondern eher noch tiefer in das so genannte Jammertal.

„Hast du denn ein Rezept, WIE man die Verzweiflung überwinden kann?“

Natürlich nicht, Kim. Das ist es ja, worüber wir hier reden. Es ist das WIE, welches jeder für sich selbst herausfinden muss.

„Schon okay, – ich wollte nur sicher gehen, ob wir beide vom Gleichen reden.“

Das Problem ist nur, dass dieses Akzeptieren niemals aufhört, weil wir Lebewesen sind, die alles Schritt für Schritt erleben und nicht wie du, bereits die Ganzheit des Selbst sind.

„Mädchen – es geht vorwiegend ums Loslassen. Ich werde dir jetzt eines meiner kleinen Geheimnisse verraten. Als ich noch auf der Erde lebte, hatte ich große Angst vor dem Moment, wenn ich auf die Leuchtende Welt gehen muss. Ich war mir sicher, dass ich meine Freunde nie wieder so, wie ich sie kannte, wieder sehen werde. Ich hatte im Park vor unserem Haus meine Lieblingsbäume, meinen Lieblingsplatz – auch das hielt mich gefangen. Jedes Mal wenn ich an den endgültigen Abschied dachte, kamen mir unweigerlich die Tränen. Ich tat mir selbst leid, weil ich mich von all dem, was ich liebe, irgendwann einmal für immer trennen muss. Es war, einfacher gesagt, der Tod vor dem ich Angst hatte. Ja, ich hatte wirklich Angst vor dem endgültigen Abschied, der nichts anderes ist als der Tod.“

Das verstehe ich nicht, Kim. Was hat das nun mit dem Akzeptieren unseres Schicksals zu tun?

„Lebewesen formen sich von Moment zu Moment immer wieder neu. Wie du schon sagtest, musst du dein Schicksal immer wieder akzeptieren, weil ja immer wieder andere Situationen dazu kommen. Logisch! Und das geschieht eben Moment für Moment. In jedem dieser unzähligen Momente deines Menschenlebens verbinden sich Energien mit deiner Urenergie – und dabei handelt es sich immer um andere Energien. Sozusagen ist jeder Moment neu, den du stets neu akzeptierst.
Mir war vollkommen bewusst, dass ich nichts besitze, dass ich nichts für immer mitnehmen kann – und doch war etwas in mir, das mir sagte, dass genau das passiert, bloß auf eine andere Art, die ich jetzt noch nicht kenne, nicht kennen kann, weil ich auf meinem Lebensfaden noch nicht so weit geklettert bin.“

Jetzt habe ich eine Frage, Kim.

„Ich weiß. Du verstehst doch, dass wir nicht wirklich etwas besitzen, oder? Nicht einmal der Bettler kann seinen Bettelstab mit in den Tod nehmen.“

Klar!

„Und nun denke an die Gleichzeitigkeit. Denn genau das war es, was in mir war und mir sagte, dass ich ja doch alles für immer mitnehmen kann, aber auf eine ganz andere Art, nämlich auf die der Gleichzeitigkeit. Das bedeutet: Es geht kein Moment verloren – alle Momente sind ständig DA.
Als ich dann gehen musste – als mir bewusst wurde, dass ich nur mehr wenige Stunden auf der Erde zu leben habe, wurde ich seltsam ruhig. Ich habe mir diesen Moment sehr oft vorgestellt und daran gedacht, was auf der Erde mein letzter Blick, mein letztes Wort, mein letzter Geruch, mein letztes Gehörtes, meine letzte Berührung sein wird. Ich habe mir das irgendwie schon ausgemalt, dass ich am letzten Tag jeden meiner Lieblingsplätze im Park besuchen werde, dass ich jeden meiner Lieblingsbäume umarmen werde, usw.
Aber was geschah? Es wurde ein Tag wie jeder andere auch. Seltsam, nicht wahr? Obwohl jeder Moment neu ist und sich von jedem stets unterscheidet, fühlt man den Alltag – fühlt man gar keine Veränderung. Man steht morgens um dieselbe Zeit auf, wäscht sich, zieht sich an, frühstückt. Kein Moment gleicht dem des vorigen Morgens, und doch scheint alles gleich und eintönig zu sein.“

Warum hast du das an deinem letzten Abend nicht wahrgenommen?

„Ich habe es wahrgenommen, aber ich habe auch die andere Seite wahrgenommen. Weißt du, ich war unfähig vor Trauer etwas anders zu machen als sonst. Ich bin, wie immer, aufgestanden und habe aus dem Fenster geblickt, um noch einmal den herrlichen Park zu sehen, der in seiner Blüte schon damals einmalig war, weil zu dieser Zeit alles andere in der Natur vergiftet war. Und dann kam der Moment, den ich zu meinen Lebzeiten auf der Erde so sehr gefürchtet habe. Ich wusste plötzlich, dass ich an diesem Tag ein letztes Mal aufgestanden bin und aus dem Fenster geblickt habe.“

Kim, ich glaube nicht, dass du Angst hattest.

„Glaube es mir. Ich hatte Angst vor dem Moment des endgültigen Abschieds, der Endgültigkeit schlechthin. Heute weiß ich, dass jeder Moment genauso einzigartig ist, wie der letzte. Sozusagen ist jeder Moment endgültig, denn kein Mensch kann in die Vergangenheit zurück und alles noch einmal genauso erleben. Für den Menschen selbst scheint es nichts zu geben, was er wirklich besitzt, aber für die Ganzheit geht nichts, nicht einmal der winzigste Augenblick verloren.“

7.) Gespräch

„Hast du dich schon einmal gefragt, warum Menschen vor dem Hässlichen Angst oder Abscheu empfinden?“

Vielleicht liegt es an den gängigen Märchen, die einem als Kind vorgelesen werden. Die Guten sind immer schön und vor allem blond - und die Bösen sind immer hässlich und schwarz. Eine Ausnahme, was die Haarfarbe betrifft, ist Schneewittchen, deshalb war es immer mein Lieblingsmärchen.

„Aber Schneewittchen war nicht hässlich.“

Die böse Stiefmutter war auch nicht hässlich. Bevor Schneewittchen geboren wurde, war sie die Schönste im ganzen Land.

„Kennst du noch ein Märchen, in welchem eine Böse oder ein Böser schön ist?“

Da fällt mir der Glöckner von Notre-Dame ein, der äußerlich furchtbar hässlich gewesen sein soll, aber ein überaus gutes Herz hatte. Das schönste, aber auch traurigste an dieser Geschichte ist, als er sich unglücklich verliebte und zu den Steinfiguren sagt: ‚Ach, wäre ich doch, wie ihr, aus Stein.’
Dann gibt es noch die Geschichte vom Elefantenmenschen, dem sich ein Arzt, oder Wissenschaftler, ich weiß es nicht mehr so genau, erbarmte und ihn vor der Zurschaustellung am Jahrmarkt, wo man ihn wie ein wildes Tier behandelt hat, rettete. Der Arzt oder Wissenschaftler stellte fest, dass der Elefantenmensch höchst intelligent und ebenso sensibel ist.
Im Film „Die Maske“ geht es um einen Jungen, dessen Gesichtsknochen ständig wachsen. Cher spielt in diesem Film seine Mutter. In diesen Jungen verliebt sich ein blindes Mädchen, das sein gutes Herz fühlen kann, weil es durch sein Aussehen nicht beeinflusst wird.
Ich glaube, es gibt unzählige Geschichten und Filme, wo es darum geht, das Hässliche nicht zu verdammen, sondern den Mut zu haben, ihm wortwörtlich ins Gesicht zu sehen, um das Wesentliche, nämlich das Herz, zu erkennen. Antoine de Saint-Exupéry ließ seinen kleinen Prinzen sagen: Man sieht nur dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.
Wie bist du in deinem Leben auf der Erde dazu gestanden, Kim?

„In meiner Kindheit fühlte ich mich hässlich. Aber das lag wohl daran, wie ich behandelt wurde. Was die Menschen um mich herum betrifft, war ich dem kleinen Prinzen sehr ähnlich. Aber ganz schloss ich das Äußere nie aus, denn jede Bewegung, wie auch jede Körperhaltung sagte mir etwas über einen Menschen aus. Du siehst, auch hier ist der so genannte Mittelweg das Beste.“






8.) Gespräch

Kim, erzähle mir etwas über die Quelle der Kraft.

„Die Quelle der Kraft lässt sich nur schwer, wenn überhaupt, mit Worten erklären. Wenn ich dir sage, dass sie das einzig Wesentliche ist und alles leitet, wirst du sagen, dass sie beeinflusst, euch Menschen zu Marionetten macht und alles vorbestimmt ist.“

Dann erkläre es mir genauer, Kim.

„Wie könnte ich das, wenn du dich in einer Welt zu befinden scheinst, in der das Ich regiert?“

Vielleicht hast du Recht, denn für mich hört sich das auch mehr als absurd an, wenn die Kraft alles steuert und sie Menschen als Werkzeug missbraucht, indem sie einen zum Täter und einen anderen zum Opfer macht. In dem Fall kann man niemals einen Menschen verurteilen, weil ja die Kraft die eigentliche Schuldige ist. Und in dem Fall können wir immer tun und lassen, was wir wollen, weil wir die großartige Ausrede hätten, dass ja nur die Kraft an allem Schuld hat.

„Ich wusste, dass du das so siehst, Mädchen.“

Wie soll ich es sonst sehen? Wozu haben wir denn Intelligenz, unser Denkvermögen? Oder handeln wir nur scheinbar selbständig? Kam das auch von der Kraft, um uns in die Irre zu führen, dass wir uns nur scheinbar selbständig fühlen und glauben, wir würden eigenständig denken und handeln? Was bedeutet Freiheit dann noch, wenn es da eine übermächtige und allgegenwärtige Kraft gibt, die uns ständig kontrolliert?

„Wahre Freiheit existiert nur, wenn du dein Ich an seinen wahren Platz zurück scheuchst. Das wäre einmal die erste Antwort.“

Wie soll ich mein wahres Ich an seinen wahren Platz zurück scheuchen, wenn es der großen Quelle der Kraft nicht genehm ist? Das könnte ich demnach auch nur dann schaffen, wenn mich die große Kraft dazu bringt - wenn sie es mir sozusagen erlaubt.

„Du bist ein Teil dieser Kraft - sie liegt weder außerhalb, noch innerhalb von dir. Vielleicht fällt es dir leichter zu verstehen, wenn ich sage, dass das Universum eine Idee der Quelle der Kraft ist.“

Du meinst, sie ist der große Regisseur? Die Quelle der Kraft ist der Überboss und der Regisseur, der alles vollkommen in der Hand hat? Er bestimmt, wie der Film gemacht wird, wie sich die einzelnen Schauspieler zu verhalten haben, und - und – und?

„Das ist auch Schwachsinn, Mädchen.“

Dann erkläre es mir endlich so, dass ich das auch verstehen kann.

„Ich könnte noch sagen, dass die Kraft das gesamte Universum führt, weil das gesamte Universum die Kraft ist. Und dazu gehörst du genauso. Du bist ein Teil des Universums, und so gesehen auch ein Teil der Kraft, die du so verdammst. Aber damit verdammst du nur dich selbst, sozusagen deine Ganzheit, welche diese Wahrheit schon längst erkannt hat.“

Erkannt hat - ist wahrscheinlich auch falsch, wenn man an die Gleichzeitigkeit denkt, nicht wahr?

„Dein Zynismus hat recht, Mädchen.“

Da muss man ja wütend werden, Kim.

„Das ist, weil du dich zu wichtig nimmst, um dich als Teil des Ganzen betrachten zu können.“

Mir ist das Ganze einfach zu widersprüchlich, um es verstehen zu können, Kim. Was ist mit all der Vielfalt im Universum. Soll all das nichts sein?

„Die Vielheit der Einheit, Mädchen. Bedenke, woraus die Einheit besteht. Sie besteht nicht aus lauter grauen, gleichförmigen Würfeln, sondern aus bunten, verschieden großen Würfeln, aus bunten verschieden großen Kugeln, und - und - und. Kein Würfeln gleicht dem anderen - keine Kugel der anderen. Es ist wie bei den Eiern - auch hier gleicht keines dem anderen, selbst wenn es so scheint. Und doch ist alles Eins - all das ist aus einer einzigen Idee, aus einer einzigen Kraft hervor gegangen, die in all dem enthalten ist.“

Und was haben wir davon, wenn wir diese Erkenntnis haben?

„Dann werdet ihr euch nicht mehr fragen, was ihr davon habt.
Ist es nicht so, dass dir das Leben manchmal sinnlos erscheint, obwohl du alles hast, was du zum Leben brauchst? Du musst weder hungern, noch frieren, hast ein Dach über dem Kopf, einen gut funktionierenden Körper, Familie, einen Mann, der immer gut zu dir ist und einen gesunden Sohn. Es gäbe noch unzählige Dinge, die ich aufzählen könnte, wo du dich wirklich glücklich schätzen könntest - und doch bist du manchmal unzufrieden.
Versteht mich nicht falsch, es geht nicht um Dankbarkeit, auch nicht darum, dass du dich einmal in einen Menschen hinein versetzen sollst, der auf der Straße täglich ums Überleben kämpfen muss, der unheilbar krank ist und einem qualvollen Tod entgegen sehen muss. Es geht darum, dass keiner von euch voll und ganz zufrieden ist - nicht einmal der reichste Mensch der Welt, der ja wirklich alles hat, was sein Herz begehrt, wie man so schön sagt. All das liegt daran, weil sich die meisten Menschen mit dem Ich identifizieren.“

Woher kommt denn dieses Ich, wenn es nicht aus der Quelle der Kraft, aus dieser Idee, entstanden ist?

„Es ist aus dieser Idee entstanden - es ist ein winziges Pünktchen - zumindest soll es winzig sein.“

Dann ergeben wir uns ja einer Illusion.

„Ja und nein, denn genau dieser Kampf zwischen dem Ich und der Kraft ist das Tor zur Erkenntnis.“

Und wenn ich das Tor der Erkenntnis nicht erreiche, werde ich so lange wiedergeboren, bis ich irgendwann einmal erkenne.

„Es gibt in Wirklichkeit keine Wiedergeburt. Dieses Phänomen wird nur deshalb so genannt, weil du linear wahrnimmst. In Wirklichkeit passiert alles gleichzeitig. Die Ganzheit des Selbst erkennt und lebt jeden ihrer Aspekte gleichzeitig.“

Dann ist es ja wirklich egal was wir tun. Selbst als Massenmörder müssten wir nichts bereuen.

„Im Grunde genommen hast du Recht. Aber ich weiß, dass du erstens kein Massenmörder bist und auch nie einer sein wirst und zweitens, dass du sehr wohl bereust, wenn du etwas tust, was du selbst nicht für richtig hältst.“

Dann erkläre es mir, dass ich einen Sinn dahinter erkennen kann.

„Es gibt keinen Sinn dahinter. Wann kapierst du das endlich? Es ist das Ich in dir, das nach einem Sinn fragt und ebenso fragt es, was für dich bei all dem herausspringt. Menschen wollen allem einen Sinn geben, deshalb haben auch Worte immer ganz bestimmte Bedeutungen.“

Du sagtest, der Kampf zwischen dem Ich und der Kraft ist das Tor zur Erkenntnis. Aber wenn die Kraft nicht will, dass wir durch dieses Tor schreiten, was dann? Wir selbst haben nach deinen Angaben ja keinen eigenen Willen.

Kim seufzt.

„Mädchen, du bist die Kraft! Du und alles, was dich umgibt! Die Entscheidung liegt immer bei dir selbst, ob das Ich, oder die Kraft gewinnt. Aber nimm das nicht zu wörtlich.“

Jetzt wird es wieder finster, Kim.

„Das ist klar, weil ich nicht für dich erkennen kann. Das musst du schon selbst tun.“

9.) Gespräch

„Das Ich verschwindet nicht, wenn es an seinem wahren Platz ist. Alles ist allgegenwärtig in diesem Universum, - wirklich alles. Aber vielleicht hilft dir diese Erklärung weiter, wenn ich sage, dass sich das aufgebauschte Ich an seinen wahren Platz zurück sehnt. Wäre das nicht etwas Neues?“

Egal, auf jeden Fall klingt es etwas verständlicher. Sprich weiter, Kim.

„Weil sich das Ich an seinen wahren Platz, zu seiner wahren Größe, die ja minimal ist, zurück sehnt, ist es stets unzufrieden und verlangt mehr und mehr. Man könnte also durchaus sagen, dein wahres Ich ist das Ich an seinem wahren Platz.“

Warum drängt sich das Ich dann immer wieder vor? Warum dauert dieser Kampf ewig?

„Weil man nur durch diesen Kampf zusätzliche Energien gewinnen kann.“

Obwohl man nichts gewinnt, nichts verliert?

„In dieser Hinsicht gibt es keine Regeln. Ein Mensch, der sein Ich an seinem wahren Platz hält, kann weder Erkenntnis haben, noch ist ihm irgendein Glück, was ihr Menschen eben Glück nennt, gewährt. Er lebt in Armut und Hunger - trotzdem akzeptiert er makellos sein Schicksal.“

Hat er sich vielleicht etwas erwartet?

„Auch das nicht. Es ist nun mal so. Du vergisst dabei die Gleichzeitigkeit, also kannst du nicht sagen, dass dieser Mensch vom Schicksal vernachlässigt wird. Für dich sieht es nur so aus, weil du nun mal nicht mehr als einen Punkt des Ganzen erkennen kannst.“

Er aber auch nicht.

„Nein, er auch nicht, aber im Gegensatz zu dir kann er fühlen, nämlich die wahren Gefühle, und sie verraten ihm ja doch einen sehr großen Teil des Geheimnisses des Universums, obwohl er damit absolut nichts anfangen kann. Er kann sie weder bewusst erkennen, geschweige denn bewusst erleben, aber er fühlt sie, denn nur mit einem Ich am wahren Platz sind dir wahre Gefühle möglich.
Wenn du dein Ich reduzierst, wäre es durchaus möglich, dass sich für dich absolut nichts ändert, außer vielleicht die Gefühle, weil du dann nicht mehr interpretierst und weil dich selbst nichts mehr betrifft. Du siehst und erkennst wie alles ist, frei von Interpretation, frei von Symbolen und frei von allen Idealen. Sozusagen hast du die Welt auf den Kopf gestellt, sie ausgeschüttelt, bis nichts mehr übrig bleibt - und das ist nun mal die Welt, wie sie wirklich ist - frei von Interpretationen, Symbolen und Idealen.“

Wenn es so werden würde, würde ich mich mehr als leer und wohl auch kraftlos fühlen.

„Ganz im Gegenteil, Mädchen! Wenn du stets so handeln würdest, indem du dir nichts erwartest, dich treiben lässt, dich von nichts und niemandem persönlich angegriffen fühlst, wird mehr Kraft in dich strömen. Kraftlos würdest du werden, wenn du dich zu etwas zwingst, etwas verdrängst, was ja die meisten Menschen tun. Das kostet natürlich Kraft. Aber das reduzierte Ich tut sich nicht mehr leid - es ist endlich an seinem wahren Platz und möchte dort auch bleiben. Und trotzdem braucht es den ständigen Kampf, weil es nur dadurch Kraft tanken kann. Es gibt nichts Unnötiges in diesem Universum, alles hat seinen Sinn, obwohl du nie einen Sinn dahinter entdecken kannst und alles so sinnlos für dich erscheint. Aber bedenke, warum? Das ist ja wohl noch immer dein aufgebauschtes Ich. Und für das aufgebauschte Ich ist sicher alles sinnlos, bis es nicht endlich an seinem wahren Platz ist.“






10.) Gespräch

Es ist eine wunderschöne Vorstellung, dass es eine Welt der Ideen geben könnte, vor allem eine einfachere als die Welt der Gleichzeitigkeit. Auf der einen Seite ist die Welt der Körper, der Kopien, des Vergänglichen - und auf der anderen Seite, der wahren Wirklichkeit, ist die Welt der Ideen, des Ewigen, Absoluten und Unendlichen.

„Die Welt des Ewigen, Absoluten und Unendlichen ist die Gleichzeitigkeit. Nichts vergeht, nichts verschwindet, auch wenn es für euch Menschen so scheint. Im Grunde genommen besteht kaum ein Unterschied zwischen Platons Philosophie und der Gleichzeitigkeit, außer, dass es keine zwei Welten gibt. Das, was du nicht verstehen kannst, ist, dass die Gleichzeitigkeit auch eure Wirklichkeit mit einbezieht, in der du stets Veränderungen erkennst. Und weshalb? Weil du und wohl auch alle anderen Menschen Schritt für Schritt wahrnehmen.
Es gibt auch keine Seelenwanderung, obwohl das für euch Menschen sicher eine wunderbare Vorstellung ist, hervorgerufen durch eure eindimensionale Moment-für-Moment-Wahrnehmung. Der Körper und die so genannte Seele sind immer Eins - Körper und Seele können niemals getrennt werden - selbst im so genannten Tod werden Körper und Seele nicht wirklich getrennt, denn auch das ist nur eure scheinbare Wahrnehmung. Und hier ist wohl der so genannte Minuspunkt der Gleichzeitigkeit, den ihr Menschen leider noch nicht verstehen könnt, weil ihr meint, eure geistigen Schätze wären unvergänglich, im Gegensatz zum Körper, den ihr verwesen seht und dem Materiellen, das ihr zurücklassen müsst. Eure geistigen Schätze verwesen ebenso, genauso wie eure Körper, wenn sie begraben werden. Und doch existieren sie weiterhin, aber diese Existenz ist für Menschen kaum zu verstehen. Das Unvorstellbare an der Gleichzeitigkeit ist, dass ihr lebt und zugleich tot seid.
Lass mich einen Satz sagen, der das, was ihr den Tod nennt, vielleicht ein bisschen besser erklärt: Sobald ihr eure Köpfe aus dem Schoß eurer Mütter steckt, seid ihr bereits dem Tod geweiht - und von diesem Moment an lebt ihr den Tod, den ihr Leben nennt.
Verstehst du? Im Grunde genommen gibt es weder Leben noch Tod, denn alles ist Eins.“

Sagtest du nicht, dass wir nur Ideen der Quelle der Kraft sind? In diesem Fall müsste es ja auch zwei Welten geben - die körperliche Welt, die alle Aspekte der Ganzheiten beinhaltet und die geistige Welt, die alle Ganzheiten beinhaltet.

„Die Ganzheiten sind an keinem ‚Ort’, genauso wenig wie dein Ich an einem Ort oder Platz ist, obwohl ich das so ausdrückte. Ich spreche von reiner Energie. Reine Energie kann man weder messen, noch sehen, aber man kann sie fühlen. Und genau das ist es, Mädchen. Du fühlst diese reine Energie als Materie, - mal als feste, mal als flüssige und mal als gasförmige Materie. Natürlich gibt es in eurer so genannten Welt auch etwas, was ihr Energie nennt, aber sie ist mit dem, wovon ich spreche, nicht zu vergleichen, denn auch das, was ihr Energie nennt, ist jene reine Energie.
Das menschliche Bewusstsein vermenschlicht alles, und das ist nun mal logisch. Dagegen kannst du nichts tun, weil alles andere weit über deine Vorstellungskraft hinausgeht. Es gibt kein höheres und kein niederes Bewusstsein - es gibt immer nur ein ANDERES Bewusstsein, und jedes Bewusstsein, was nicht das menschliche ist, geht über deine Vorstellungskraft hinaus.
In Zeichentrickfilmen lässt ihr Tiere und Pflanzen sprechen und sperrt sie in euer Schema, in euer System ein. Ich will nicht sagen, dass Tiere und Pflanzen nicht sprechen - alles spricht, aber sicher nicht in eurer Sprache, mit euren Worten. Für euch ist alles immer menschlich, weil ihr nun mal Menschen seid und euch in allem, was ihr wahrnehmt, reflektiert. Ihr seht euch sozusagen selbst in allem.
Dennoch, ob es sich um menschliches, pflanzliches oder tierisches Bewusstsein handelt – es ist einerlei, denn auch das IST reine Energie, nämlich die Quelle der Kraft selbst.“






11.) Gespräch

Was ist das, was wir Geburt und Tod nennen wirklich?

„Du hast in einem Buch gelesen, dass jede Geburt so etwas wie ein Wunder ist. Die Chance, dass absolut niemand von deinen Ahnen in seiner Kindheit stirbt, stand eins zu vielen Millionen. Und jedes Mal, wenn Pfeile durch die Luft schwirrten, wurde deine Chance, geboren zu werden, auf ein Minimum reduziert. Nun, das wäre deiner Vorstellung gerecht, wenn du bedenkst, dass du in all diesen Ahnen bereits gesteckt hast. Dein Leben wäre sozusagen schon damals DA gewesen - in diesen Ahnen, die du bis zur Urgeschichte - ja, bis zum angeblichen Urknall zurückverfolgen könntest. Aber was war vor dem Urknall? Auch damals warst du bereits DA. All das lässt sich bis ins Unendliche zurückverfolgen.
Dasselbe bedeutet der so genannte Tod, denn es kann nichts verschwinden - es verändert sich bloß. Nur vergiss nicht, dass sich die Veränderungen nur in Zeit und Raum wahrnehmen lasen. Eure Körper werden verwesen und sich mit der Erde und all den Kleintieren vereinigen. Und auch diese Veränderung setzt sich bis ins Unendliche fort. Wie also willst du hier etwas Geburt oder Tod nennen? Nur, weil du meinst, dass du dir erst seit deiner Geburt der Existenz bewusst bist, und dieses Bewusstsein im Tod verlierst? Aus diesem Grund sagte ich vorhin, Bewusstsein ist immer Bewusstsein - und alles in diesem Universum hat Bewusstsein. Es ist nur ein anderes Bewusstsein, ein für euch JETZT unvorstellbares. Und das macht euch Angst, weil ihr nun mal Angst vor dem Fremden, dem Unbekannten habt. Das, was ihr jetzt Leben nennt, ist bloß ein ganz winziger Punkt eures eigentlichen Daseins.“

Und wie ist es dann möglich, sich der Gleichzeitigkeit bewusst zu werden, wenn das menschliche Dasein unendlich ist?

„Glaube mir, wenn du das so genannte unendliche menschliche Dasein wirklich erkennst, dann erkennst du auch die Gleichzeitigkeit.“

Warum nennst du es – so genannt? Ist es nicht so, dass wenn du das Wort – so genannt - verwendest, dass das nächst folgende Wort für dich eine zweifelhafte Bedeutung hat?

„Der Zweifel liegt alleine bei dir. Du bist es doch, die diese Worte tippt.
Um wieder zum Thema zurück zu kommen: Denke an ein Blatt Papier, welches in unzählige kleine Teile zerrissen und irgendwann einmal wieder zusammen geklebt wird. Es geht nicht um den Klebstoff, sondern darum, dass das Blatt Papier wieder ein Ganzes ist und sich dieser Ganzheit auch bewusst ist. Der Ganzheit kann man sich aber erst bewusst sein, wenn man erkannt hat, dass jedes Teilchen Papier etwas Unendliches ist.“

Was ist der Mensch vor der Geburt und nach dem Tod?

„Siehst du? Genau deshalb habe ich – so genannt – gesagt, weil Unendlichkeit bei den meisten Menschen danach fragt, was vorher und was nachher ist.“

Wie ist es dann möglich, dass die Ganzheit meines Selbst aus mehreren unterschiedlichen Lebewesen besteht?

„Wir stammen wir nicht von einer einzigen Energie ab, - wir SIND die einzige Energie. Demnach können wir alles sein - Mensch, Tier, Pflanze, Mineral, jedes Element dieses Universums. Warum also sollte es nicht möglich sein, dass die Ganzheit deines Selbst, wie natürlich auch andere Ganzheiten des Selbst aus mehreren unterschiedlichen Lebewesen bestehen? Jedes Leben dieser Lebewesen ist unendlich - jedes einzelne. Es beginnt nie, und es endet nie. Es ist nun mal ALLES gleichzeitig und ebenso unendlich.“

12.) Gespräch

„Die Wissenschaft erklärt alles, was früher einmal ein Geheimnis war. Das beste Beispiel sind Kinder, wenn sie an das Christkind glauben. Wie schön war damals die Vorweihnachtszeit, wenn du durch den Schnee gestapft bist und das Glitzern bemerkt hast und jemand dir sagte, dass dies die Spuren des Christkindes sind. Und plötzlich soll dieses Glitzern bloß eine Reflektion des Lichts sein. Ich denke, da muss doch eine gewaltige Welt zusammen stürzen.“

Aber es ist die Wahrheit, Kim - es ist eine Reflektion des Lichts.

„Klar ist es das. Aber hast du dich schon einmal gefragt, ob es nur das ist? Bestünde vielleicht doch die Möglichkeit, dass dieses Glitzern gleichzeitig bedeuten könnte, dass hier ein Wesen aus einer anderen Wirklichkeit seine Spuren hinterlassen hat? Und wie sagte schon Castaneda in seiner besten Zeit? ‚Die Welt ist nicht nur so wie wir sie wahrnehmen’.
Ich spreche eurer Wissenschaft nichts ab, aber könnte nicht auch eine andere Möglichkeit zutreffen?
Erinnere dich an den Film - Die Götter müssen verrückt sein – als ein Eingeborener die Colaflasche in die Luft geworfen hat, in der Hoffnung, die Götter würden sie auffangen und behalten. Was wäre gewesen, wenn die Colaflasche wirklich in der Luft geblieben wäre. Der Eingeborene wäre zufrieden gewesen. Er wäre sicher gewesen, dass die Götter die Flasche wieder zurück genommen haben. Hätte ein so genannter zivilisierter Mensch diese Szene beobachtet, würde er in einer Baumkrone nach der Colaflasche suchen, weil er von der Schwerkraft weiß und nicht an Götter glaubt, welche Colaflaschen mir nichts dir nichts auffangen.
Der Eingeborene würde sich vielleicht von der Schwerkraft überzeugen lassen, aber der zivilisierte Beobachter würde kaum an Götter glauben, die Colaflaschen auffangen. Und was würde passieren, wenn sich der Eingeborene von der Schwerkraft überzeugen lässt? Er würde seinen alten Glauben wahrscheinlich sofort verwerfen. Seine geheimnisvolle Welt würde mit einem Schlag zerbersten, und damit auch sein Inneres, weil dadurch sein Inneres schrumpft und genauso abgestumpft wird, wie das Innere der zivilisierten Menschen.
Ich sage dir, dass beide Unrecht haben, weil beide immer nur nach einer ganz bestimmten Richtung leben. Sie lassen keine anderen Türen offen. Sie können nicht an andere Möglichkeiten, z.B., an beide glauben, - an Götter, wie auch an Schwerkraft.
Der Mensch, vor allem der so genannte zivilisierte Mensch, sucht immer nach Erklärungen. Er will immer Beweise, Bestätigungen haben. Und warum? Weil er sich wichtig nimmt, weil er meint, so groß und so genial zu sein, um alle Geheimnisse ergründen zu können. Und findet er nun eine Möglichkeit, eines dieser Geheimnisse zu ergründen, dann ist das so und nicht anders. Es muss ja so sein, denn ER hat es entdeckt. Verstehst du ungefähr, was ich meine?“

Ich glaube, du willst sagen, dass man alles immer von allen möglichen Seiten betrachten soll - und von jeder Seite sieht es anders aus.

„Du hast es auf den Punkt gebracht!“








13.) Gespräch

Kim, du bist alle Momente, aus denen du bestehst, gleichzeitig. Wir Menschen nehmen nur Moment für Moment wahr und erkennen nicht, dass wir selbst all diese Momente sind. Das wäre doch DIE Erklärung! Oder nicht?

„Diese Existenz, die du mir durch diese Erklärung unterjubeln willst, hört sich sehr nach Stagnation an. Das ist sie aber nicht, obwohl ich, wie du richtig geschrieben hast, aus all diesen Momenten bestehe, die für euch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bedeuten. So gesehen würde das bedeuten, dass ich alles schon erlebt habe, - auch die so genannte Zukunft. Aber wie ich dir bereits im ersten Gespräch sagte, gibt es selbst für mich eine Zukunft, da ich das so genannte Ende dieses Universums noch nicht erlebt habe. Dennoch gibt es einen Unterschied, da ich mich selbst als Zukunft erkenne, genauso wie ich mich selbst als Vergangenheit und Gegenwart erkenne. So gesehen bin ich eine Unendlichkeit.
Aber die Unendlichkeit, von der ich spreche, ist für dich etwas Unvorstellbares. Also ist deine Erklärung noch immer nicht DIE Erklärung, obwohl sie durchaus nicht falsch ist - sie ist eben wieder nur ein Teil des Ganzen.“

Ich meinte ja nicht wirklich DIE Erklärung, sondern viel mehr das, was wir Menschen uns gerade noch vorstellen können. Es muss ein tolles Gefühl sein, wenn man sich bewusst ist, dass man all diese unzähligen Momente selbst ist. Man springt ja nicht von einem Moment zum anderen, denn man IST all diese unzähligen Momente gleichzeitig. All das ist man im allumfassenden Jetzt. Doch, ich könnte mir diese Existenz schon irgendwie vorstellen - eben nur irgendwie, denn für mehr ist mein Hirn zu klein.

„Das hat nichts mit Hirn zu tun.“

Womit dann?

„Kraft! Energie! Immer wieder das Selbe - immer wieder nur Kraft und nichts anderes als Kraft. Jene unteilbare Kraft, die du selbst bist.
Aber ich würde sagen, es gibt durchaus einige Menschen, denen es möglich ist, einen Teil dieser Multidimensionalität wahrzunehmen, eben genau diesen Teil, den du DIE Erklärung genannt hast. Es ist aber noch immer Wahrnehmung nach außen. Das heißt, diese Menschen erkennen die Multidimensionalität noch nicht als sich selbst - denn sie nehmen das Ganze außerhalb wahr - sie erleben es nicht selbst.“

Ich habe in einem Buch von Oliver Sacks, einem Professor für klinische Neurologie, über Patienten, mit einem sehr niedrigen IQ, gelesen. Trotzdem haben sie Fähigkeiten, die für einen Durchschnittsmenschen mehr als phänomenal sind. Alles, was sie gesehen, gelesen, wovon sie je gehört haben, können sie wie ein Computer speichern und jederzeit genau wiedergeben. Sacks schrieb über Zwillinge, die ein geniales Zahlengedächtnis haben. Und hier schrieb Sacks folgendes:
>Ich habe jedoch nicht den geringsten Zweifel, dass die Zwillinge ein gewaltiges Panorama überblicken, eine Art Landschaft oder Physiognomie von allem, was sie je gehört, gesehen, gedacht oder getan haben, und dass sie mit einem Augenzwinkern, nach außen sichtbar als kurzes Rollen und Fixieren der Augen, in der Lage sind, mit dem „geistigen Auge“ fast alles zu erfassen und zu „sehen“, was sich in dieser ungeheuren Landschaft befindet.<

„Solche Menschen habe ich gemeint, als ich sagte, dass sie nur wahrnehmen, ihnen aber noch nicht bewusst ist, dass sie selbst diese ungeheure Landschaft sind - und aus diesem Grund können sie diese Landschaft nicht selbst (er)leben - sondern, wie bereits gesagt, nur sehen oder wahrnehmen.“

Ich habe auch über eine Patientin gelesen - ebenfalls mit einem sehr geringen IQ. Sie war nicht einmal fähig, sich selbst richtig anzukleiden. Sie konnte weder lesen noch schreiben, aber in ihr steckte etwas ganz anderes, nämlich ein überdurchschnittliches Gefühl für Mystik und Kunst.

„Werden diese Menschen nun über- oder unterbewertet? Entweder schreibt ihr so genannte debile Menschen sofort ab, oder ihr hebt sie zu etwas hoch, indem ihr sie Heilige oder Genies nennt, weil sie ein so überdurchschnittliches Zahlengedächtnis oder eben sonst was haben. In diesem Fall grenzt ihr sie immer aus, egal, wie euer Urteil ausfällt. Diese Menschen werdet ihr niemals mit der so genannten Allgemeinheit gleich stellen. Entweder steckt ihr sie in die tiefste oder in die höchste Schublade. Aber niemals kommt ihr auf den Gedanken, dass diese Menschen sich überhaupt nicht von euch unterscheiden, eben, weil jedes Lebewesen für sich selbst ein Unikat ist. Also, worin liegt für euch der Sinn, zu unterscheiden, wenn ohnehin alles unterschiedlich ist?“

Was hat denn das jetzt mit der Gleichzeitigkeit zu tun, Kim?

„Sehr viel, Mädchen! Nicht nur, weil in diesem Wort das Wörtchen – gleich – steckt, aber es trifft durchaus zu, denn die Gleichzeitigkeit macht euch alle GLEICH.“






14.) Gespräch

Aus welchem Grund wollen viele Menschen daran glauben, dass angepriesene Weisheiten, entweder aus Büchern oder durch Seminare oder was auch immer, ihr Leben verändern können?

„Weil sie anscheinend mit ihrem Leben unzufrieden sind.“

Kim, meinst du, dass Menschen, welche mit ihrem Leben unzufrieden sind, Weisheiten aus Büchern wirklich verändern können?

„Vielleicht kurzfristig?“

Oder sie glauben, sich durch irgendwelche Weisheiten umerziehen zu können, - sich von sich selbst zu lösen. Viele östliche Weisheiten handeln vom Reduzieren des Ichs. Du hast mir auch geraten mich loszulösen und mein Ich zu reduzieren. In diesem Fall bist du auch so ein Weisheitslehrer.

„Moment! Loslösen bedeutet nicht, plötzlich ein Anderer oder eine Andere zu werden. Loslösen bedeutet viel mehr mit sich selbst ins Reine zu kommen, eine Einheit mit sich selbst UND seiner Umgebung zu werden. Auch wenn du dadurch erkennst, welch ein Arschloch du bist: Steh dazu! Steh ganz einfach dazu, ohne wenn und aber. Erst wenn dir das möglich ist, hast du dich losgelöst und kannst eventuell zum nächsten Schritt übergehen. Aber vor diesem nächsten Schritt darf absolut nichts mehr da sein, was dich an dir selbst stört. Loslösen heißt nicht alles zu vergessen oder sich von sich selbst abzunabeln. Es ist das genaue Gegenteil, - nämlich Selbsterkenntnis!
Und Weisheitslehrer? Mädchen, ich bin alles andere als ein Weisheitslehrer. Eher könntest mich du noch deine innere Stimme nennen.“

Aber wäre das nicht auch eine Veränderung?

„Indem du mich deine innere Stimme nennst?“

Nein! Ich meine, dass ich voll und ganz zu mir stehe.

„Es ist eine wirkliche Veränderung, wenn du endlich voll und ganz zu dir stehst, wobei du nichts mehr bereust, dich nicht mehr vor anderen und vor allem vor dir selbst beweisen musst.“

Du meinst, dadurch, dass sich meine Vergangenheit in einem anderen Licht zeigt, werde auch ich verändert sein?

„Im Grunde genommen verändert sich absolut nichts - nicht im Geringsten. Alles ist immer wie es ist. Und das Beste, was ihr Menschen tun könnt, ist, diesem – Alles ist immer wie es ist – so nah wie nur möglich zu kommen. Nichts anderes als Tatsachen, die sich weder durch Freude noch Leid, weder durch Scham noch Stolz deinerseits wirklich verändern.
Ich spreche nicht von Gleichgültigkeit, sondern bloß von dem natürlichen Wissen, dass sich Tatsachen nie und nimmer verändern. Kein Moment kann heraus geschnitten und durch einen anderen ersetzt werden. In diesem Universum sitzt niemand mit einer Schere und schneidet deine angeblichen Missgeschicke heraus, um sie mit dem, was du Entschuldigung oder Wiedergutmachung nennst, zu ersetzen, denn das ist wieder ein ganz anderer Moment.“

Menschen freuen sich, wenn man sich bei ihnen entschuldigt.

„Ja, weil sie Narren sind. Es bläht ihr Ich auf - das ist alles. Und falls du nun sagen willst, dass es dir nach einer Entschuldigung besser geht, dann handelt es sich bei dir auch nur um das Ich, welches sich ständig vor anderen, wie auch vor sich selbst, beweisen und gut dastehen muss.“

Hat nicht auch dieses Ich verletzt oder beleidigt?

„Vergiss das Ich! Es ist nun mal das, was du wahrnimmst, und in diesem Fall ist es egal, ob du positiv oder negativ wahrnimmst. Wahrnehmung ist nie etwas Persönliches dem anderen gegenüber, sondern immer nur gegen oder für dich selbst. Auch das gehört zum Loslösen.“

Schön, Kim! Du siehst das so, aber Menschen sind vollkommen anders. Sie bestehen auf Höflichkeit, selbst wenn sie geheuchelt ist.

„Was kümmerst du dich schon wieder um andere Menschen? Außerdem sind andere Menschen auch nichts anderes als du und ich.“

15.) Gespräch

Früher, viel früher, gab es Großfamilien, wo das Leben viel leichter erschien. Es war immer jemand zu Hause und niemand von den Alten musste in ein Altersheim. Nur heute scheint das nicht mehr zu funktionieren. Warum nicht, Kim?

„Damals zählte viel mehr die Gemeinschaft, das Zusammensein. Früher lebten mehrere Menschen oft in einem einzigen Raum zusammen, was heute bei euch unvorstellbar wäre. Ihr würdet euch mit der Zeit gegenseitig umbringen, weil ihr die Nähe des anderen nicht ertragen könnt. Ihr seid schwach geworden.“

Das ist wieder eine sehr interessante Sichtweise, Kim. Du meinst also, weil wir die Nähe anderer Menschen nicht ertragen, sind wir schwach?
Da fällt mir ein, wie ist es dann mit Autisten? Diese Menschen ertragen nicht mal eine kurze Berührung anderer Menschen. Sind sie deswegen am schwächsten?

„Ich rede nicht von Ängsten, Mädchen. Es geht darum, dass bei euch sehr viele Menschen keine Gemeinschaft mehr kennen. Anstatt miteinander zu reden, verkriechen sie sich lieber im TV-Gerät oder in einem Buch. Nichts gegen Bücher, aber auch so was kann zu einer Vereinsamung führen. Es ist für manche von euch auch schon viel leichter, sich übers Internet zu unterhalten. Hier sagen viele etwas, was sie zu einem realen Gesprächspartner nicht sagen würden.“

Was hat das mit Schwäche zu tun?

„Sehr viel! Wenn sich der einzelne Mensch von allem abkapselt – woher soll er Kraft bekommen? Es liegt nicht alleine am Essen und Trinken, um Kraft zu bekommen.
Wenn ein Mensch täglich in einer Fabrik arbeitet, wo – sagen wir – 5000 Menschen angestellt sind, will er nach der Arbeit seine Ruhe und sich zurückziehen. Früher gab es natürlich auch Fabriken, aber selbst da war die Arbeit gemeinschaftlich. Früher kannten sich die Menschen, aber heute kennt kaum ein Mensch die anderen in der nächsten Fabrikhalle.“

Wie stellst du dir das vor? Wie soll es möglich sein, alle 5000 Menschen kennen zu lernen? Die Menschen gehen in die Fabrik, um Geld zu verdienen und nicht, um sich kennen zu lernen und zu plaudern.

„Davon war nicht die Rede, Mädchen. Ich stellte nur Tatsachen fest. Früher arbeiteten auch noch nicht so viele Menschen in einer Fabrik.“

Es gibt heute auch viel mehr Menschen als damals, Kim.

„Auch das ist mir klar, Mädchen.“

Also, worauf willst du nun hinaus?

„Es geht um Energie – darum, dass der Mensch heute kaum eine Chance hat, Energie zu bekommen. Und aus diesem Grund ist er nach der Arbeit auch erschöpft und will nur mehr alleine sein, um in Ruhe auszuspannen. Aber selbst dann haben sie nicht die Ruhe, die sie sich wünschen und gehen zu Therapeuten, weil sie zuviel Stress haben.“

Was ist mit Eremiten? Willst du sagen, dass sie keine Energie haben?

„Ich würde sagen, die meisten Eremiten haben mit der gesamten Welt abgeschlossen. Dazu muss ich wohl nicht mehr sagen, oder?“

Und Mönche?

„Sie leben in einer Gemeinschaft. Und sehr viele Mönche, wie auch Nonnen, verrichten Dienste an anderen Menschen. Sie haben noch Energien, um anderen beizustehen, um für andere da zu sein.
Aber was machen Menschen, die tagtäglich verbissen zur Arbeit gehen? Wofür arbeiten sie wirklich? Doch nur für sich selbst.“

Für die Familie, Kim!

„Lass uns darüber nicht streiten, Mädchen. Für die Familie - ist meist eine sehr faule Ausrede, denn wenn sie keine Familie wollen, haben sie auch keine. Und wenn sie eine wollen, müssen sie auch etwas dafür tun, und das wissen sie auch. Also fällt das Ganze ja doch wieder auf den Einzelnen zurück.“

Willst du damit sagen, dass wir nur dann Energie bekommen, wenn wir etwas für andere tun?

„Ist es nicht so, dass die Freude, die du anderen machst, mehrfach auf dich selbst zurückkommt? Und Freude, Leid, Trauer, Glück – all diese Gefühle sind nichts anderes als Energien. Freude ist vor allem eine sehr erquickende, gesunde Energie, wie ihr sagen würdet.“

Sagtest du nicht, dass man bei Freude oder Glück nicht euphorisch werden soll?

„Man sollte sich nie in irgendwelchen Gefühlen gehen lassen, weil Gefühle stets eine menschliche Interpretation sind. Es sind Energien, die dich treffen, und nichts anderes. Und wenn du diese Energien würdevoll annimmst, stärken sie dich – lässt du dich in ihnen gehen, schwächen sie dich. So einfach ist das. Und dabei kommt es wirklich nicht darauf an, ob du Glück oder Trauer empfindest. Nur ist es jetzt so, dass dich Trauer sicher sehr viel mehr schwächt und auch krank machen kann, wobei Glück in dieser Beziehung eine eher harmlose Energie ist.“

Das klingt so, als ob Freude und Glück eher schwache Energien sind und demnach weniger stärken, als Trauer und Leid. Wie kommt es dann, dass Mönche oder Nonnen so viel mehr energiereicher sind?

„Weil sie vielleicht ständig Glück und Freude empfinden. So genau weiß ich das nicht. Ich kann nur sagen, was ich ‚sehe’. Und wenn ich einen Mönch ‚sehe’ – erkenne ich, dass er energetisch sehr viel kräftiger ist, als ein Mensch, der täglich nur für sich selbst arbeitet.“

Das heißt dann auch, dass sich Mönche oder Nonnen in ihrer Freude nicht gehen lassen.

„Ich kann natürlich nicht für alle sprechen, Mädchen. Dennoch muss ich sagen, dass Mönche oder Nonnen energetisch kräftiger sind, als Menschen in der so genannten Zivilisation. Und ebenso kräftiger sind Naturvölker.“

Es geht also um die Gemeinschaft.

„Ja, weil der Mensch von Natur aus ein Herdentier, und kein Einzelgänger ist.“






16.) Gespräch

Gibt es einen Gott, Kim?

„Warum willst du das wissen? Brauchst du einen Gott?“

Jeder Mensch braucht etwas zum Anklammern.

„Klammere dich an den Tisch, der vor dir steht.“

Mach keine Witze, Kim.

„Das tu ich in diesem Fall nicht, wirklich nicht. Es klingt für mich sehr seltsam, was du eben gesagt hast, und erinnert mich an mich selbst, als ich damals ein Kind in England und ein junger Mann in Wien in der Herberge war. Damals wollte ich auch etwas zum Anklammern haben.
Es gibt nichts zum Anklammern, Mädchen. Du hast dich selbst. Du brauchst nichts zum Anklammern. Nun, du kannst dich an die Erde klammern, weil dein Körper sich einmal mit ihr vereinigen wird.“

Was ist mit der Liebe zweier Menschen?

„Wenn du liebst, lass die Freiheit regieren. Bei Liebe ist Anklammern der Tod. Je mehr du dich an Liebe klammerst, um so eher verlierst du sie, weil du sie ohnehin nichts besitzt. Du besitzt überhaupt nichts – nicht einmal dich selbst, so ist das. Du bist eins mit allem, das ist alles.“

Bedeutet dir Maria nichts mehr, weil du so sprichst?

„Sie bedeutet mir alles. Sie bedeutet mir sogar so viel, dass ich mir jetzt schon Sorgen über das nächste Universum mache – ob ich sie dort auch wieder finde. Und trotzdem – ganz tief in mir drinnen weiß ich, dass all das bedeutungslos ist.“

So gesehen finde ich unser menschliches Dasein sinnlos.

„Wie kommst du denn auf diese absurde Idee? Leben ist niemals sinnlos. Bedenke, was dir alles möglich ist. Sinnlos ist hier nur deine Fragerei.“

Was ist sinnvoll?

„Sinnvoll wäre, wenn du alles was du tust, aus ganzem Herzen – wie zum letzten Mal tust.“

Ich wäre traurig bei dem Gedanken, etwas zum allerletzten Mal zu tun.

„Das dachte ich auch einmal. Aber bedenke, dass du immer alles ein letztes Mal tust, denn kein Moment gleicht einem anderen.
Übrigens, wie siehst du mich, Mädchen? Siehst du mich so, wie auf deinen Zeichnungen?“

Kennst du meine Zeichnungen?

„Bitte, keine Gegenfragen! Also – siehst du mich so wie auf deinen Zeichnungen?“

Annähernd, aber doch viel, viel schöner – so schön, dass ich mir dich eigentlich gar nicht vorstellen kann.
Darf ich dir jetzt die Frage stellen, ob du meine Zeichnungen kennst?

„Klar kenne ich sie. Du bist manchmal sehr genau und willst sehr oft die Perfektion selbst zeichnen oder malen, was dir aber nie gelingt. Zumindest meinst du selbst, dass es dir nicht gelingt. Ich hingegen finde deine Zeichnungen sehr gelungen. Sie machen einen richtigen Menschen aus mir.“

Siehst du dich selbst nicht als Mensch?
Kim lacht.
Warum lachst du, Kim?

„Weil es nicht einfach ist, sich selbst zu beschreiben. Als Leuchtendes Wesen wirke ich eher zierlich, obwohl ich so ziemlich das größte Leuchtende Wesen bin.“

Warum fragst du nach meinen Zeichnungen von dir?

„Weil das auch etwas mit Anklammern zu tun hat. Dasselbe ist mit deinen Büchern, an die du dich ebenso klammerst. Das sagte ich dir bereits, als wir über Ernst gesprochen haben. Im Grunde genommen wiederholen wir uns nur. Aber wahrscheinlich muss das bei dir so sein, weil du eventuell schwer von Begriff bist.“

Jetzt wirst du gemein, Kim.

„Das ist nichts anderes als meine schonungslose Offenheit, die ich auch über mich selbst ergehen lasse. Ich bin auch schwer von Begriff, Mädchen. Glaube mir das. Wie sonst könnte ich diese Eigenart bei anderen Lebewesen erkennen?
Wieder einmal gebe ich dir einen Tipp, der das Anklammern fast wie Zauberei wegwischen kann: Geh immer mit großen, fragenden Augen durchs Leben und beobachte alles, was du beobachten kannst. Bleibe ein fragendes, staunendes Kind, dann wird das Leben voller Überraschungen sein. Das Leben IST übrigens voller Überraschungen. Das ist doch das Schöne – das wirklich Sinnvolle. Und glaube mir, ein Mensch, der meint, er sei klug und voller Wissen, der ist es nicht, denn er versäumt durch seine scheinbare Erhabenheit so viel. Er klammert sich an sein Wissen, das nicht einmal so groß wie ein winziges Staubkörnchen ist.“

17.) Gespräch

„Jeder Mensch nimmt für sich selbst wahr. Für jeden Menschen ist die Farbe grün immer die Farbe grün, es sei denn, er ist farbenblind, oder gar vollkommen blind. Aber das Wahrnehmen der Farbe grün ist nicht alles, da hier noch eine Energie hinzukommt, nämlich die Urenergie jedes Einzelnen. Und diese Urenergie nimmt nun mal unterschiedlich wahr.“

Und du meinst, diese Wahrnehmung geht vom Willen der Urenergie jedes Einzelnen aus?

„Genau, Mädchen.“

Aber dies ist dem Einzelnen nicht bewusst, oder?

„Nein, denn kaum ein Mensch kann seine Wahrnehmung steuern – sozusagen seinen wahren Willen mit einbeziehen, denn wenn er das könnte, würde er die Farbe grün so wahrnehmen, wie er das will.“

Das ist absoluter Unsinn, Kim.

„Ist es nicht, Mädchen.“

Das klingt so, als könnte ich, wenn ich mich vor etwas ekle, diesen Ekel im nächsten Moment als etwas Schönes wahrnehmen. Und das ist für mich Unsinn, Kim.

„Du meinst also nicht, dass man die Wahrnehmung willentlich ändern kann?“

Es mag schon sein, dass man seine Einstellung ändern kann, wenn man mit etwas nicht zufrieden ist, denn die Welt selbst wird sich nicht auf der Stelle ändern. Das kann ich gerade noch gelten lassen, aber das mit der Farbe – nein, Kim.

„Es ist aber nichts anderes. Es geht nur darum, dass du dir bewusst wirst, wie du wahrnimmst. Und dieses – Wie – ist nichts anderes als ein Teil des wahren Willens.“

Und wie wird uns dieser wahre Wille bewusst?

„Mädchen – muss ich dir wieder die alte Leier aufzählen? Ich reduzieren, dich von allem lösen, usw.“

Du sagtest aber auch, dass etwas vollkommen Anderes eintreffen kann, was wir uns absolut nicht erwarten, sogar, dass uns die Kraft zum Mörder macht.

„Wesen der Kraft erwarten sich nichts. Nur das aufgebauschte Ich erwartet sich etwas.“

Und du meinst, dann kann ich alles, was ich will, wahrnehmen?

„Wenn du dein Ich reduziert hast – wenn du also mit – ich – nicht das aufgebauschte Ich meinst – ja, Mädchen. Nur tritt dann etwas in Kraft – im wahrsten Sinne des Wortes ‚Kraft’ – das gar nichts mehr will.“

Wie bitte? Das ist doch mehr als paradox! Der wahre Wille soll bedeuten, dass ich gar nichts mehr will?

„Genau! Es ist doch stets das Ich, das mehr und mehr will. Die Kraft selbst, deren Teil du bist, deren Teil wir alle sind, will im Grunde genommen nichts. Sie ist alles. Sie selbst ist der Wille.“

Gehört die wahre Kraft auch zum kollektiven Menschenbewusstsein, Kim?

„Hör auf mit diesem Schubladenspiel. Es ist stets alles mit allem verbunden – es ist stets alles DA. Es muss nur wahrgenommen werden. Alles ist wahre Kraft, Energie.“

Was ist das kollektive Menschenbewusstsein überhaupt?

„Es hängt vorwiegend mit den fünf menschlichen Sinnen zusammen, eben mit der menschlichen Wahrnehmung. Es ist dies die menschliche Dimension, die menschliche Bewusstseinsblase, - wie es unzählige andere Dimensionen, Bewusstseinsblasen, eben so viele, wie es Arten von Lebewesen gibt.“

Und in diesen Bewusstseinsblasen existieren auch individuelle Bewusstseinsblasen, oder?

„Ja und nein. Aber ich kann es irgendwie gelten lassen, da jedes Lebewesen eine Art Urenergie ist. Aber vergiss nicht, - das menschliche Bewusstsein ist ebenso mit allem verbunden. Es steht nicht alleine im Nichts – so, wie du vielleicht die Planeten in eurem Sonnensystem siehst. Der Mars könnte ein x-beliebiges Tierbewusstsein, die Venus ein x-beliebiges Pflanzenbewusstsein und schließlich die Erde das Menschenbewusstsein darstellen – und all diese drei Planeten hängen irgendwo abgeschieden von allem anderen in der Luft. Nein, Mädchen – so ist es nicht. All das ist stets Eins – raum- und zeitlos.“

Du schon wieder mit deiner Gleichzeitigkeit! Und du willst mir sagen, dass du nur in einem anderen, aber keinem höheren Bewusstsein existierst. Dass ich nicht lache, Kim.

„Lachen soll gesund sein, Mädchen.“

Erklär mir das doch mal! Es kann kein anderes Bewusstsein sein, wenn du sagst, dass es in Wirklichkeit keine Zeit und keinen Raum gibt. Es MUSS ein höheres Bewusstsein sein, weil man darin viel, viel mehr wahrnimmt, als im menschlichen Bewusstsein. Im menschlichen Bewusstsein nimmt man nur einen Teil der Gleichzeitigkeit wahr. Also kann die Gleichzeitigkeit kein anderes, sondern ein höheres Bewusstsein sein.

„Es ist aber doch ein anderes Bewusstsein, selbst wenn du meinst, es sei ein höheres. Und auch das sagte ich dir schon mal: Du gehst jetzt vom menschlichen Bewusstsein aus, und im menschlichen Bewusstsein existieren diese ständigen Vergleiche von groß, größer, klein, kleiner, hoch, höher, tief, tiefer, usw. Im Bewusstsein der Ganzheit existieren keine Vergleiche mehr. Hier braucht man keine Vergleiche, um wahrnehmen zu können. Aber als Mensch musst du nun mal unterscheiden, Vergleiche aufstellen, um irgendein Ding erkennen zu können. Das ist nun mal die menschliche Wahrnehmung.“

Und in jedem Bewusstsein, ob es sich nun um pflanzliches oder tierisches handelt, gibt es eine andere Wahrnehmung, die für uns Menschen schier unvorstellbar ist?

„Das müsste doch einleuchtend sein, Mädchen. Oder weißt du, wie Hunde oder Katzen wahrnehmen? Okay, die Wissenschaft hat festgestellt, dass Hunde keine Farben sehen. Aber das ist nicht alles. Wie ich schon sagte, nimmt jeder Mensch die Farbe grün als die Farbe grün wahr. Und auch hier ist das nicht alles. Genau aus diesem Grund kann ich dir sagen, dass das Bewusstsein der Ganzheit nicht höher und nicht tiefer steht als irgendein anderes Bewusstsein.“

Für euch Ganzheiten ist es ja so, dass ihr wisst, was alles DA ist – und deshalb könnt ihr eigentlich alles, was ihr wahrnehmen wollt, wahrnehmen. Ist das richtig, Kim?

„In etwa.“

Und was bedeutet das? Ich meine, wie anders ist eure Selbstwahrnehmung?

„Wahrscheinlich würdest du sagen, dass sie sehr viel tiefer ist, weil wir alle Schichten unserer Aspekte wahrnehmen. Eure Wahrnehmung ist eindimensional – ihr nehmt nur eine Schicht eurer Bewusstheit wahr.“

Und natürlich auch nur ein Bewusstsein, eben das, was wir jetzt sind.

„Das ist nicht richtig, Mädchen – um es mit deinen Worten auszudrücken. Ihr nehmt nicht das wahr, was ihr jetzt seid – ihr nehmt nur eine Schicht von dem wahr, was ihr in Wirklichkeit seid.
Castaneda hat das sehr gut, mit Hilfe des so genannten Montagepunkts*, erklärt. Der Großteil der Menschheit hat den Montagepunkt fixiert, und aus diesem Grund nehmt ihr alle dasselbe wahr – wie eben das Grün einer Wiese, einen Baum – eben alles in eurer Umgebung. Würde nur ein Mensch von euch statt dem Grün einer Wiese etwas vollkommen anderes wahrnehmen, würdet ihr ihn verrückt nennen. Dass er aber seinen Montagepunkt verrückt hat, darauf würde keiner von euch kommen – vielleicht jener, der Castaneda gelesen hat.“

Verrückt klingt aber gut – er hat seinen Montagepunkt verrückt.

„Nur ist es jetzt so: Wenn ich Energie sehe, kann ich keinen Montagepunkt erkennen, was ja nicht heißt, dass es keinen gibt, da Energiesehen etwas sehr Individuelles ist. Aber der Montagepunkt kann die unzähligen Schichten des Bewusstseins sehr gut erklären. Was über das menschliche Bewusstsein hinausgeht, ist ja nicht mehr der Mensch, sondern ein anderer Aspekt der Ganzheit des Selbst. Würde ein Mensch dies schaffen, wäre er bereits ein mehrdimensional wahrnehmendes Wesen. Er würde sich selbst als Mensch und zugleich als ein anderes Wesen wahrnehmen. Würde er auch über das Bewusstsein dieses Wesens hinauskommen, würde er sich zugleich als Mensch und bereits als zwei weitere Wesen wahrnehmen.“

Und natürlich auch all die Schichten, die diese zwei Wesen wahrnehmen können, oder?

„Genau, Mädchen.“

Ist es so, dass du auch nur dich selbst wahrnimmst? Bei uns Menschen sagt man doch, dass sich der Mensch selbst in allem anderen erkennt, - so wie in einem Spiegel.

„Es ist bei mir sicher auch so, denn alles ist mit allem verbunden. Sobald ich ein Ding wahrnehme, geht meine Urenergie durch dieses Ding sozusagen hindurch. Anders könnte ich nicht wahrnehmen, also ist es irgendwie logisch, dass auch dies eine Art von Selbstwahrnehmung ist.“

Kannst du sehen, wie du wahrnimmst, Kim?

„Ja, das kann ich. Wenn man Energie sieht, ist dies sehr einfach.“

Und deine Wahrnehmung ist stets auch dein Wille?

„Ja, Mädchen.“

Das ist für mich unvorstellbar, Kim. Ich kann nur das wahrnehmen, was sich in meiner Umgebung befindet. Wenn ich mich vor etwas ekle, kann ich das durch meinen Willen nicht ändern. Ja, ich weiß schon, dass es davon abhängt, weil ich mein Ich noch nicht reduziert habe.

„All das, was du eben gesagt hast, ist nicht ganz richtig. Erst einmal nimmst du nicht alles wahr, was sich in deiner Umgebung befindet. Du kannst dich stets nur auf einen Punkt konzentrieren, alles andere liegt verschwommen um diesen einen Punkt. Du nimmst von deiner Umgebung sozusagen nur einen Teil wahr Würdest du alles wahrnehmen, würdest du nicht nur eine Wiese wahrnehmen. Es ist dein Wille, dass du NUR eine Wiese wahrnimmst, eben weil dein Wille genau darauf eingestellt ist. Bloß ist dir dieser Wille nicht bewusst, weil er viel mehr von der Kraft als von deinem Ich ausgeht.“

Und du als multidimensionales Wesen der Gleichzeitigkeit würdest mehr als eine Wiese wahrnehmen. Richtig, Kim?

„Ja, Mädchen.“

Ohne Selbstwahrnehmung?

„Selbstwahrnehmung ist immer da, denn die Wahrnehmung geht ja vom Selbst aus.“

Stimmt! Schon Edmund Husserl hat gesagt, dass die Wahrnehmung mit dem Wahrgenommenen nur wenig zu tun hat.

„Er ging sogar so weit, und schloss die Wahrnehmung vollkommen aus, und meinte, dass man erst dann das Wahrgenommene wirklich wahrnimmt.“

So habe ich das eigentlich nie verstanden, weil mir das mehr als unmöglich erscheint. Wie kann ich etwas wahrnehmen, wenn ich meine Wahrnehmung vollkommen ausschließe? Das klingt ja mehr als irre, Kim.

„Dies ist kaum etwas anderes als die zenbuddhistische Blume. Sie ist vollkommen frei vom Begriff Blume, von Vorstellungen, Wahrnehmungen, Idealen, Symbolen. Es ist die Blume in ihrem wahren Sein. Und hier kann von der Selbstwahrnehmung im gewöhnlich menschlichen Sinn wohl kaum mehr die Rede sein.“

Und so nimmst du wahr, Kim?

„Haben wir vorhin nicht gesagt, dass jedes Bewusstsein anders ist? Und wie willst du etwas, das über das menschliche Bewusstsein hinausgeht, verstehen können? Ich kann dir meine Wahrnehmung vielleicht zum Teil erklären – indem ich sage, dass sie so ähnlich ist, aber ich kann dir nie mit Worten erklären, wie sie wirklich ist. Und wenn ich sage, dass Selbstwahrnehmung immer da ist, so ist das ebenso verfälscht, denn wenn ich etwas wahrnehmen WILL, schließe ich mich selbst dabei aus. Ich habe kein Ich mehr, obwohl ich – ich – sage.“

Klar, du bist – mehrere.

„Das hat nichts damit zu tun, dass ich mehrere bin, denn selbst unter diesen –mehreren – existiert kein Ich mehr.“


* Wenn ein Mensch als Konglomerat von Energiefeldern wahrgenommen wird, kann man einen Punkt von besonders intensiver Leuchtkraft sehen, der sich auf Höhe der Schulterblätter, eine Armeslänge hinter dem physischen Körper befindet. Die Seher der Vorzeit, die diesen leuchtenden Punkt entdeckten, nannten ihn "Montagepunkt", weil sie zu dem Schluss kamen, dass dies der Ort sei, an dem die Wahrnehmung zusammengesetzt bzw. "montiert" wird. Mit Hilfe ihres Sehens erkannten sie, dass in jenem leuchtenden Punkt, der sich bei allen Menschen an der gleichen Stelle befindet, unzählige Energiefelder in Form von leuchtenden Fäden zusammenlaufen, die das Universum als Ganzes bilden. Erst durch das Zusammenlaufen in diesem Punkt werden sie in Sinnesdaten umgewandelt, die für den Menschen als Organismus nutzbar sind. Diese Nutzung von in Sinnesdaten verwandelter Energie wurde von jenen Schamanen als ein Akt schierer Magie betrachtet: reine Energie, die vom Montagepunkt in eine wahrhaftige, allumfassende Welt transformiert wird, in der menschliche Wesen als Organismen leben und sterben können. Der Akt der Transformation des Zustroms reiner Energie in die wahrnehmbare Welt wurde von jenen Schamanen einem Interpretationssystem zugeschrieben. Ihre erschütternde Folgerung - erschütternd für sie und vielleicht auch für einige von uns, die genügend Energie haben, aufmerksam zuzuhören - war, dass der Montagepunkt nicht nur der Ort ist, an dem die Wahrnehmung durch die Umwandlung von reiner Energie in Sinnesdaten montiert wird, sondern auch der Ort, an dem die Interpretation der Sinnesdaten stattfindet.
(http://carlos-castaneda.de/tensegrity.htm)

18.) Gespräch

„Ich werde dir etwas aus meinem Leben auf der Erde erzählen, als ich Richard war. Du wirst staunen – ich war wirklich Richard – ich war voll und ganz Richard. Ich arbeitete wie verrückt im Haus und im Garten, putzte alle Zimmern, und wie du weißt, auch die Wohnungen meiner beiden Töchter und Schwiegersöhne – ich putzte und kochte ständig für sie, bereitete meistens auch das Frühstück für sie zu, wusch und reparierte sogar ihre Autos. Ich war so etwas wie ein Haushälter, und später auch so etwas wie ein Kindermädchen.
Natürlich machte Maria auch einige Arbeiten, aber ganz ehrlich gesagt, machte ich das meiste im Haus und im Garten. Ich kehrte sogar den Gehsteig rund um unser Haus. Und die Menschen, die ständig vorbei gingen, wunderten sich keineswegs darüber, denn sie wussten, dass ich Richard bin, der sich sein Dasein durch diese Arbeiten verdient.
Maria fragte mich oft, warum ich das alles mache – vor allem ging es ihr dabei um die Arbeiten, die eigentlich unsere Töchter und unsere Schwiegersöhne betrafen, wie eben das Putzen ihrer Wohnungen, das Kochen usw. Ich sagte darauf, dass ich nicht darüber nachdenke, warum ich das mache. Es ist für mich nichts anderes als das tägliche Aufstehen und die tägliche Morgentoilette. Da sagt ja auch niemand: ‚Mann, das war jetzt großartig von dir, dass du aufgestanden bist!’ Wer wird dich schon loben, wenn du morgens aus dem Bett steigst? Und dasselbe waren für mich diese täglichen Arbeiten. Und glaube mir, sie füllten mich beinahe den gesamten Tag aus, denn in so einem großen Haus, mit Park gibt es immer Arbeit.“

Das heißt, du hast dir absolut keinen Dank erwartet.

„Nein, denn wie gesagt, ich erwartete ja auch keinen Dank dafür, wenn ich morgens aus dem Bett steige. Aber auch damit hatte das nichts zu tun. Ich packte einfach mein Schicksal beim Schopf – und mein Schicksal war es nun mal, Richard zu sein, der all diese Arbeiten macht, weil er sich dadurch Kost und natürlich auch Unterkunft verdient. Mir ging es auch nicht um Bewunderung. Mir ging es überhaupt nicht um mich selbst.
Es war reine Intuition, denn wenn ich gespürt hätte, dass es meinen Töchtern und Schwiegersöhnen nicht recht ist, wenn ich mich in ihren Wohnungen aufhalte, indem ich putze, hätte ich es sofort sein lassen. Es war auch meine Intuition, die mir sagte, dass meine Hilfe erwünscht ist. Weißt du, viele Menschen sind zu stolz, - besser gesagt, ihr Ich ist zu stolz, um andere um etwas zu bitten. Schon Jesus sagte: ‚Bittet, und es wird euch gegeben’. Aber wie so vieles, was er sagte, wurde auch das missverstanden.
Dazu muss ich dir noch etwas sagen! Wenn du auf deine Intuition hörst, dich sozusagen der Kraft ergibst und nicht mehr dem Ich, erkennst du auch wahre Sensibilität. Was bedeutet für Menschen sensibel zu sein? Doch nichts anderes als Selbstmitleid oder Mitleid. Aber damit hilfst du niemandem, denn nur TATEN können verändern. Und eben durch diese wahre Sensibilität konnte ich fühlen, wann und wo meine Hilfe wirklich erwünscht war, ohne mich aufzudrängen.
Also drängte sich das Putzen geradezu für mich auf. Es rief mich sozusagen, und ich reagierte. Und als unsere Kinder von der Arbeit nach Hause kamen, und ich ihre schmutzigen Autos sah, riefen mich auch die Autos, und ich putzte sie. Und auch hier dachte ich mir nichts dabei.“

Was sagten sie dazu?

„Sie konnten gar nichts sagen, weil sie sich zu sehr über mich gewundert haben.“

Sagten sie nicht einmal – danke?

„Schon möglich, aber wie gesagt, darum ging es mir nicht.
Es war auch kein Spiel meinerseits – es war das eigentliche Leben, welches mir das Schicksal vorgeschrieben hat, denn ich war jetzt Richard, da Kim für die Öffentlichkeit tot war. Das war der Hauptgrund für mein Verhalten, für meine Arbeit im Haus und im Garten.
Als Kim noch lebte, ließ er sich kaum im Garten blicken. Das heißt, ich mähte damals sicher auch den Rasen und putzte ebenso im Haus – aber das alles geschah im Hintergrund. Vorher hatten wir Maggie und nebenbei einen Gärtner, die diese Arbeiten verrichteten – und ich ging noch immer auf Tournee und beschäftigte mich viel mehr mit meiner Musik.
Aber als ich Richard war, war ich voll und ganz Richard. Wenn die Schwiegereltern unserer Töchter kamen, musste ich mich nie darauf vorbereiten, mich also nicht unbedingt verstellen, außer, dass ich meine Ausstrahlung zurück nahm – aber mein Verhalten war immer dasselbe – ich arbeitete ständig im Haus, oder im Garten.“

Die Schwiegereltern kamen ja nicht allzu oft, oder?

„Nein, aber sie kamen oft unvorbereitet – sozusagen unangemeldet. Es kam auch noch anderer Besuch, als nur unsere so genannten eingeweihten Freunde, für die Kim und Richard ein und der Selbe war.“

Das erinnert mich wieder an Castaneda – an die Kunst des Pirschens. Jeder Krieger aus Don Juans Truppe hatte eine ganz bestimmte Rolle in der Alltagswelt zu spielen. Und keiner der gewöhnlichen Menschen erkannte, wer diese Menschen wirklich sind. Bei dir schien es dasselbe gewesen zu sein. Niemand, außer deinen eingeweihten Freunden, wusste, was du wirklich tust, als du Richard warst.

„Nun, das wussten sie vorher auch nicht, als Kim noch lebte. Aber ich kann dir sagen, Kim war irgendwie wirklich tot, denn auch, als die eingeweihten Freunde kamen, arbeitete ich weiter. Ich setzte mich schon zu ihnen und unterhielt mich auch mit ihnen, aber sicher nicht den ganzen Tag, sondern höchstens ein bis zwei Stunden, weil ich ja wirklich viel zu tun hatte.“

Was willst du mir eigentlich mit all dem sagen, Kim?

„Das Schicksal machte mich zu Richard – das will ich dir damit sagen. Als Richard musste ich im Haus und im Garten arbeiten, weil das von vorne herein so festgelegt wurde. Man nahm diesen Jungen im Haus auf, weil er unabhängig war, was so viel heißt, dass er alleine war – und so einen Job gut gebrauchen konnte. Zuerst kaufte man ihn, um für Kim einzuspringen, der sehr überraschend gestorben ist – und dann bat man ihn, zu bleiben, weil man in diesem großen Haus und dem ebenso großen Garten, der ja viel mehr ein Park war, ohnehin einen Arbeiter brauchte. Maria war Millionärin. Wer erwartet schon von einer Millionärin, dass sie selbst arbeitet?“

Willst du damit sagen, dass du Richard gar nicht gespielt hast?

„Genau! Ich war Richard – ich war voll und ganz Richard und nahm all diese Arbeiten vollkommen ernst, nicht nur, weil sie ohnehin gemacht werden mussten, sondern weil ich es war, der sie machen musste. So schrieb es das Schicksal nun mal vor. Ich fühlte es also nicht nur – ich wusste es auch.
Nun, und irgendwann bei einem ähnlichem Gespräch, wie diesem, das ich nun mit dir führe, stellte Maria fest, dass ich irgendwie nicht ganz richtig im Kopf bin, und man mich wahrscheinlich in der Alltagswelt bei gewissen Arbeiten, wie sie nun mal Durchschnittsmenschen machen, nicht mehr brauchen könnte. Ich sagte, dass das überhaupt nicht zutrifft, denn gerade jetzt wäre ich für alle möglichen Arbeiten zu gebrauchen. Ich würde alles perfekt machen – sogar am Fließband würde ich perfekt arbeiten. Maria erinnerte mich an meine Vergangenheit, als ich sagte, dass ich mir nie eine für mich befriedigende Arbeit vorstellen konnte. Ich sagte, dass ich damals mein Eigendünkel noch nicht abgelegt hatte – dass ich damals noch im Selbstmitleid schwelgte. Das heißt, ich nahm mich damals viel zu wichtig, denn nur aus diesem Grund konnte ich sagen: Nein, ich doch nicht! Dazu bin ich mir ja viel zu schade! Ich lass mich doch zu nichts zwingen, was ich nicht will! Damals erkannte ich nichts von meinem Schicksal, obwohl es mich ständig vorwärts prügelte. Aber als Richard wäre ich in jeder Sparte fast ein Perfektionist gewesen.
Du siehst, das Loslösen kann durchaus etwas Alltägliches sein – etwas, womit man im alltäglichen Leben viel leichter zurechtkommt, weil absolut kein Eigendünkel mehr vorhanden ist. Ich war mir zu nichts mehr zu schade, denn ich verband mich voll und ganz mit meinem Schicksal, das mir nun mal vorschrieb, voll und ganz Richard zu sein. Ich hätte also niemals Richard werden können, wenn ich mich der Kraft nicht ergeben hätte. Und die Kraft zeigte mir Richard – sie schickte mir auch seine Papiere, zeigte mir seinen ‚Tod’ in der Wüste – und ich wunderte mich darüber keineswegs. Ich nahm das Schicksal nur an – mehr tat ich nicht dazu.“

Sozusagen ist unser Schicksal unsere eigentliche Individualität, oder zumindest ein Teil unserer Individualität.

„Genauso ist es. Es geht nicht darum, was du dir wünschst, oder was du willst – es geht nur darum, wie du dein jeweiliges Schicksal löst, wie du es erkennst und akzeptierst. Und das kannst du nur, wenn du dich in ihm treiben lässt. Was du vielleicht auch noch tun kannst, ist, alles mit Humor zu nehmen.“






19.) Gespräch

Wenn Leuchtenden Wesen eine Art von undefinierbare Lichtwesen sind, - wo bleibt die Entwicklung vom Menschen zum Leuchtenden Wesen?

„Hat einer von euch Menschen jemals irgendeine Entwicklung bewusst miterlebt? Hat einer von euch gesehen, wie ein Fisch an Land schwamm, sich seine Bauchflossen in Beine verwandelten, seine Kiemen zu Lungen wurden – und so weiter? Oder ist euch Menschen wirklich bewusst, dass ihr einmal vollkommen behaarte Wesen wart, die auf allen Vieren gekrochen sind?“

Nein, aber das muss ja nicht heißen, dass es nicht so war.

„Und wenn ich dir sage, dass alles schon immer DA war, DA ist und DA sein wird?“

Wo bleibt dann die ständige Veränderung, Kim?

„Sie passiert, Mädchen.“

Nur Verfall und Tod?

„Wenn du es so nennst, ist das deine Sache. Die Veränderung passiert in der Urenergie selbst, und doch verändert sich die Urenergie nicht. Wenn du über Verfall und Tod sprichst, ist das die Wahrnehmung, bedingt durch die Bewusstseinsblasen, die eine Art Arena des Theaters sind. Das heißt aber nicht, dass aus einem Menschen mit der Zeit ein vollkommen anderes Wesen wird.“

Aber es bleibt in der Gleichzeitigkeit jeder Moment für immer erhalten, - sozusagen ist jeder Moment stets DA, wie du immer sagst.
Wenn ich mir vorstelle, Energie zu sein, die sich unendlich nach allen Seiten ausdehnt, und diese Energie in Bewusstseine unterteilt ist, bin ich zugleich alles, - sozusagen ein Mineral, eine Pflanze, ein Tier, usw.

„Richtig, Mädchen. Aber anscheinend willst du hier einen Übergang erkennen, weil diese Übergänge zur eindimensionalen Wahrnehmung gehören. Es gibt keine Übergänge dieser Art. Dort, wo das menschliche Bewusstsein aufhört, beginnt gleichzeitig ein anderes Bewusstsein – sozusagen ohne Entwicklung, wie ihr euch das vorstellt. Und dieses Ding ohne Entwicklung nennt ihr wahrscheinlich Tod.“

Hab ich eben die Worte – aufhört – und – beginnt – vernommen, Kim?

„Mädchen, wie soll ich dir dieses Phänomen sonst übermitteln? Und sage ich nicht andauernd, dass im Grunde genommen immer alles Eins ist, - dass du das mit den Dimensionen, Bewusstseinen, und – und – und beizeiten vergessen sollst?
Ich kann dir die Existenz der Leuchtenden Wesen nicht anders erklären, als nur auf diese Art, um sie dir deinem Verständnis etwas näher zu bringen. Es ist nun mal ein anderes Bewusstsein, welches jenseits des alltäglichen menschlichen Bewusstseins liegt.“

Aber du sagtest, die Leuchtenden Wesen sind eine Weiterentwicklung der Menschen, genauso wie die Leuchtende Welt eine Weiterentwicklung der Erde ist.

„Ja, weil es im menschlichen Bewusstsein so erscheint. Menschen nehmen Moment für Moment wahr.
Stell dir einmal ein unendliches Meer vor, - das Meer der Kraft, in dem unzählige, kleine Wellen erscheinen. All diese Wellen stellen einzelne Bewusstseine dar, in denen es scheinbar um Entwicklung geht.“

Und eine Welle davon ist jene der Menschen und gleichzeitig die der Leuchtenden Wesen?

„So könntest du es durchaus sehen.“

Aber somit findet ja doch eine Entwicklung statt, nämlich die der Menschen, die sich zu Leuchtende Wesen entwickeln.

„Mädchen, ich halte nichts von Entwicklung. Erstens, weil sie im Grunde genommen für jeden einzelnen von euch Menschen absolut keine Bedeutung hat. Oder meinst du, wenn du als Mensch stirbst, wirst du irgendwann in absehbarer Zeit als Leuchtendes Wesen wiedergeboren? Mädchen, der Mensch stellt, bildlich gesprochen, in der Welle nur einen Tropfen Wasser dar.“

Das klingt nicht sehr tröstlich, Kim.

„Ja, aber nur wenn du dich als menschliches Fleischbündel betrachtest und nicht als unendliche Energie, die in der Gleichzeitigkeit aus unzähligen Bewusstseinen besteht, wie du weiter oben bereits gesagt hast.“

20.) Gespräch

„Die Dimensionen der Erde sind nicht wirklich getrennt. Es ist nur so, - Menschen können sie nicht real wahrnehmen. Würden heute, zu deiner Zeit, Menschen wie Jesus oder Buddha geboren werden, ihr würdet sie nicht wahrnehmen, weil sie einer Dimension angehören, vor der ihr eine Tür in eurem Inneren geschlossen habt. Natürlich habt ihr noch andere Türen geschlossen, was ich jetzt gar nicht erwähnen will. Sozusagen wären die anderen Dimensionen, die ich jetzt nicht nur Erddimensionen nenne, für euch keine Realität.“

Was dann, Kim?

„Ich würde sagen, das ist unterschiedlich, - eben wie jeder Mensch diese Worte – andere Dimensionen – interpretiert.“

Was meinst du mit – interpretieren?

„Viele Wissenschaftler schließen andere Dimensionen nicht aus. Es gibt auch Menschen, die an eine Dimension der Gedanken glauben, was ja auch nicht so verkehrt ist.“

Worauf willst du hinaus, Kim? Etwa, dass in den anderen Erddimensionen etwas ganz anderes passiert, obwohl in den Büchern über dich steht, dass sie sich gar nicht so sehr unterscheiden, bis auf die sechste, in der es dich gibt?

„Egal, was in den anderen Erddimensionen passiert, - ich möchte viel mehr auf den Gesamtmenschen hinaus.“

Ich kann noch immer nicht erkennen, worauf du wirklich hinaus willst. Oder willst du damit irgendetwas am Menschen entschuldigen, wie etwa, dass ein Teil eines Menschen in einer Dimension einen Mord begeht und in einer anderen Dimension ist er eine Art Heiliger?

„Weder noch, Mädchen. Es geht mir darum, aufzuzeigen, dass ein und derselbe Mensch nicht nur das lebt, was ihm bewusst ist. Wenn also die gesamte Menschheit einmal so weit ist und keine, absolut keine Hoffnung mehr hat, betrifft das den Gesamtmenschen und er erkennt seine Ganzheit, wodurch sich die Dimensionen wieder vereinigen. Das ist es, worauf ich hinaus wollte.“

Ich glaube kaum, dass ein Mensch jemals die Hoffnung aufgibt.

„Abwarten, denn ich bin der Ansicht, dass die gesamte Menschheit gewaltig eins auf den Deckel bekommen muss, um wirklich zu begreifen.“

Du drückst dich nicht sehr gewählt aus, Kim.

„Das war und ist auch nie meine Art, - und jetzt werde ich kaum mehr etwas daran ändern, Mädchen.“

Ich kann noch irgendwie verstehen, dass es Dimensionen gibt, die wir nicht wahrnehmen können, - aber, dass wir selbst in anderen Dimensionen existieren?
Wenn ich davon ausgehe, dass die Menschen viele Türen in ihrem Inneren geschlossen haben, womit die Wahrnehmung gemeint ist, - so denke ich, haben sie sich auch von den Dimensionen, die sie früher, als Jesus oder Buddha auf Erden wandelten, wahrnehmen konnten, ausgeschlossen.

„Wenn sie ihre Türen schließen, heißt das nicht, dass hinter diesen Türen nichts ist. Vergleiche dies mit einem Haus, in dem du lebst. Das Haus ist in diesem Fall deine Ganzheit als Mensch. Anfangs bewegst du dich durch alle Räume deines Hauses. Nach und nach schließt du Räume ab und betrittst sie nie wieder, bis nur mehr ein einziger Raum übrig bleibt. Das heißt nicht, dass es die abgeschlossenen Räume nicht mehr gibt, denn sie gehören genauso zu deinem Haus. Es heißt viel mehr, dass deine Wahrnehmung nicht mehr weiter hinaus kann, als nur in diesem einen Raum zu bleiben. Sie hat vergessen, dass sie selbst es war, welche alle Türen im Haus verschlossen hat, und nur sie die Schlüssel dazu hat.“

Zuerst sagst du, ich soll all das mit Bewusstseinen und Ganzheiten vergessen und jetzt spaltest du sogar den Menschen auf.

„Ich spalte nichts und niemanden, Mädchen. Das hast du in den Büchern über mich schon selbst getan. Du warst es doch, die über sechs Erddimension geschrieben hat und die siebente Erddimension zur Leuchtenden Welt gemacht hat. Und du hast ebenso von der Hoffungslosigkeit der letzten Menschen geschrieben, als die sechs Erddimensionen bereits vereint waren. Ja, du hast geschrieben, dass…“

Ich weiß schon, was ich geschrieben habe, Kim. Ich hoffte nur, dass du mir etwas Genaueres über die Erddimensionen sagen kannst und vielleicht auch, wodurch sie entstanden sind.

„Wodurch? Nun, einfach gesagt würde ich sagen: Durch dein Vorstellungsvermögen.“

Spaßverderber!

„Also gut! Es gibt gar keine Erddimensionen. Es gibt nur eine einzige Erde im Universum und das ist jene, auf der du lebst. Materiell gesehen! Verstehst du?“

Nein, Kim!

„Gut! Geistig gesehen gibt es unzählige Erddimensionen, - eben so viele, wie es Menschen gibt. Es heißt doch, dass Menschen das höchste Bewusstsein auf der Erde haben, oder?“

Angeblich, ja.

„So gesehen gibt es also nicht nur sechs – genau genommen sieben, da du die Leuchtende Welt auch zu den Erddimensionen zählst, sondern so viele, wie es Menschen gibt, da jeder Mensch eine ganz eigene Vorstellung von der Erde hat.“

Das glaube ich nicht, Kim.

„Das kannst du mir durchaus glauben, Mädchen. Ich könnte auch sagen, dass es unzählige Universen gibt, - ebenso viele, wie es Lebewesen gibt, - aber Lebewesen, die mit ihrem Bewusstsein auch etwas anfangen können, wie Menschen das so sagen würden.“

Und wieso vereinigt die Hoffnungslosigkeit die Erddimensionen?

„Weil sich der Mensch dadurch von allen möglichen, wie wohl auch unmöglichen Vorstellungen löst. Er erwartet sich nichts mehr und sieht den Tatsachen endlich ins Auge. Wenn es anfangs vielleicht auch etwas weh tut und in Verzweiflung ausartet, - aber mit der Zeit wird der Mensch erkennen, dass er viel fröhlicher und vor allem freier in den Tag hinein leben kann, als wenn er sich ständig irgendwelchen Anforderungen ergibt. Wunschlos glücklich bedeutet nicht, alles zu haben, was man sich wünscht. Wunschlos glücklich bedeutet viel mehr, keine Wünsche mehr zu haben. Alles passiert, wie es passieren soll. Wir fügen uns ins große Weltgeschehen ein, bis wir erkennen, dass wir selbst das große Weltgeschehen sind. Tun, ohne zu tun. Verstehst du?“

Nicht wirklich. Es klingt, als würden wir die Hände in den Schoß legen und den lieben Gott einen lieben Gott sein lassen.

„Das mit dem lieben Gott ist gut. Ja, lasst ihn ruhig einen lieben Gott sein. Aber das mit den Händen im Schoß ist absoluter Schwachsinn. Das Tun, ohne zu tun heißt nicht, dass du nichts mehr tust. Es ist ein Tun ohne Erwartung, ohne Wünsche. Du tust einfach das, was du immer tust und zwar so – wie wir bereits sagten – als wäre es das Letzte, was du tust. Nun, was erwartest du dir, wenn du dir bewusst bist, dass es dein allerletztes Tun auf Erden ist?“

Nichts, Kim.

„Na, also! Dann gibt es für dich auch keine anderen Erddimensionen mehr, auf denen so viel mehr und so viel Interessanteres passieren könnte, als in deiner kleinen Welt.“






21.) Gespräch

Bedeutet der Tod, dass ein Aspekt der Ganzheit in ein anderes Bewusstsein übergeht?

„Nein, Mädchen, - und das wohl nicht zum ersten Mal. Der Aspekt, der sich als Mensch in der menschlichen Bewusstseinsblase wahrnimmt, ist immer nur der Aspekt, der er nun mal ist. Das sind nun mal die Momente eines einzigen und ewigen Jetzt, die ihre ewige Gültigkeit haben. In der Gleichzeitigkeit, die ja nichts anderes als das einzige und ewige Jetzt ist, gibt es keine Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft, wie im menschlichen Bewusstsein. Im menschlichen Bewusstsein aber existiert die Wahrnehmung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, - und so erscheint es euch Menschen, dass ein vergangener Moment verloren und unwiederbringlich ist.
Das menschliche Leben ist nichts Verächtliches, wie es in vielen Religionen dargestellt wird. Deshalb sollte jeder Moment bewusst gelebt werden, was aber nicht heißt, dass all diese bewusst gelebten Momente ständig wiederholen werden, was zur Gewohnheit führt. Und genau das ist es, was in sehr vielen Religionen, vor allem in den Weltreligionen missverstanden wird. Dort heißt es, sich von den Sinnen befreien, keine Wünsche mehr haben, usw. Alles Schwachsinn, - denn bereits der Gedanke, wunschlos glücklich zu werden, ist ein Wunsch.
Viel mehr geht es um Gewohnheit und der darauf folgenden Bequemlichkeit. Was zur Gewohnheit geworden ist, wird nicht mehr wirklich bewusst erlebt. Ihr steckt in einem Kreislauf, aus dem ihr sehr schwer herauskommt. Das ist euer Dilemma. Okay, ihr könnt durchaus ein Leben in Askese führen, aber auch dieses Leben wird bald zur Gewohnheit und bringt euch keinen Schritt weiter. Es ist also kein Unterschied zwischen enthaltsamen und übermäßigen Leben, da beide Arten zur Gewohnheit führen können, wenn nicht jeder Moment bewusst gelebt wird.
Eines Tages wacht ihr auf und seid 60 Jahre alt. Ihr fragt euch, wohin all die Jahre gegangen sind, die euch nur wie einige wenige Jahre vorgekommen sind. Und was meinst du, woran das liegt? An nichts anderem, als an eurem alltäglichen, gewohnheitsmäßigen Leben. Wenn ihr nur eine Kleinigkeit täglich etwas anders machen würdet, wäre dem schon geholfen.“

Das sagte Castaneda auch, Kim. Was aber hat das mit dem Tod zu tun?

„Der Tod ist auch nichts anderes als ein Moment. Er ist eben der Moment, wo ein Energieteil bewusst die menschliche Bewusstseinsblase verlässt und die Einheit in allem erkennt.“

Das verstehe ich. Aber wenn Körper und Energieteil ein und dasselbe sind, warum bleibt der Körper dann zurück? Warum verschwindet er nicht, wie der Energieteil?

„Der Energieteil verschwindet nicht, Mädchen!“

Eben sagtest du, dass er das tut!

„Ich sagte nicht, dass er verschwindet, - ich sagte, der Tod ist der MOMENT, wo der Energieteil bewusst die menschliche Bewusstseinsblase verlässt. Der MOMENT, Mädchen! Das heißt nicht, dass sich deswegen alle anderen Momente in Nichts auflösen. Sie sind noch immer da, auch wenn sie nicht mehr bewusst wahrgenommen werden. Warum also soll der Körper verschwinden, - sich in Nichts auflösen?“

Weil sich der Aspekt der Gesamtenergie nicht mehr als Mensch wahrnimmt! Der Energieteil hat sich inzwischen schon eine andere Bewusstseinsblase gesucht, in der er sich als dementsprechende materielle Form wahrnimmt.

„Nicht DER Aspekt, welcher in der menschlichen Bewusstseinskapsel existiert! Das ist dein Unverständnis. Die Ganzheit des Selbst besteht aus unzähligen Aspekten. Jeder dieser unzähligen Aspekte stellt ein Lebewesen dar. Und vergiss nicht, dass auch die Erde, das Wasser, wie auch Luft zu den Lebewesen gehören. So gesehen kann ein Aspekt der Ganzheit deines Selbst durchaus ein Sandkörnchen sein.“

Und wie ist es dann den Aspekten möglich, zur Ganzheit des Selbst zu werden?

„Gleichzeitig gesehen SIND sie die Ganzheit des Selbst. Sie müssen nichts werden. Das ‚Werden’, der so genannte Prozess des Werdens, existiert in den unzähligen Bewusstseinsblasen, die natürlich auch nur durch jene Aspekte DA sind, die sie sozusagen bewohnen.“

Irgendwie verstehe ich, - aber nur irgendwie. Du sagtest einmal, so wie ich eben jetzt wahrnehme, kann ich nicht die Ganzheit meines Selbst sein, und doch bin ich die Ganzheit des Selbst. Das ist es, was ich nicht verstehe. Ich nehme mich nicht als Ganzheit des Selbst wahr, sondern als Mensch im menschlichen Bewusstsein. Wie also soll es mir jemals möglich sein, mich als Ganzheit des Selbst wahrzunehmen? Deinen Worten nach niemals!

„Du hast eben einen Zeitbegriff verwendet, – nämlich ‚niemals’. Woher willst du denn wissen, was du in Zukunft wahrnimmst? Du vergisst, dass du dich in Raum und Zeit befindest, - dass du Momente in Raum und Zeit sammelst, die du durchaus brauchst, um einmal die Ganzheit deines Selbst in der Gleichzeitigkeit zu leben.
Man könnte sagen, du bist im Moment in dem Stadium, wo ein Menschenkind zu lernen beginnt. Du bist noch nicht so weit, um die seltsamen Zeichen auf dem Papier als Buchstaben zu lesen. Verstehst du? Niemand und nichts kann irgendeine Entwicklung überspringen. Evolution ist also nichts anderes als ein Lernprozess des Geistes und hat im Grunde genommen mit Materie nur sehr wenig zu tun.
Du kannst im jetzigen Moment nicht einmal die nächste Sekunde voraussagen. Du magst voraussagen können, dass, wenn du jetzt ein Glas fallen lässt, es in der nächsten Sekunde zu Boden fällt. Aber du wirst nicht voraussagen können, ob du das noch erleben wirst. Oder?“

Nein, Kim.

„Wenn du es nicht mehr erlebst, gehört das zu Boden fallende Glas nicht mehr zu deinen Momenten, die dich selbst ausmachen.“

Ich verstehe, dass es die erlebten Momente sind, die mich ausmachen, - nur verstehe ich nicht, dass ich ebenso die Ganzheit meines Selbst bin.

„Vielleicht liegt es daran, weil du dich zu sehr mit deinem materiellen Körper identifizierst. Meinst du nicht, dass da noch mehr ist?“

In einer utopischen Fernsehserie sagte eine Außerirdische, dass die Seele zu groß ist, um nur in einem einzigen Körper zu sein. Meinst du so etwas Ähnliches, Kim?

„In der Tat, so etwas Ähnliches meine ich. Dennoch besteht ein kleiner Unterschied, denn die Seele – wobei ich es lieber die Ganzheit des Selbst nenne – IST gleichzeitig reine Energie, wie auch Materie. Da gibt es nichts, was in einen materiellen Körper hinein schlüpft.“

Aber etwas, nämlich die Aspekte schlüpfen in die Bewusstseinsblasen.

„Auch das ist ein kleines Missverständnis deinerseits, Mädchen. Die Bewusstseinsblasen SIND die Aspekte.“

22.) Gespräch

Ich habe diesen Satz im Internet entdeckt: „Nicht ein Teil, nicht eine Weise von Diesem, sondern identisch mit Diesem, dem absoluten Geist der Welt.“ Dieser Satz sagt viel mehr das Einssein mit der Quelle der Kraft aus, als das, was du mir bis jetzt erzählt hast.

„Das ist das Phänomen der so genannten Erinnerung.“

Und was bedeutet das?

„Linear gesehen müsstest du die Bedeutung erkennen.“

Dass am Anfang alles Eins war?

„Genau! Am Anfang war die Quelle der Kraft.“

Und daraus entsprangen einzelne Urenergien, die wir die Ganzheiten des Selbst und die Wesen der Anderen Seite nennen.
Es gab ja anfangs kein Bewusstsein. Die Bewusstseinsblasen entstanden erst in dem Moment, als sich die Ganzheiten in unzählige Aspekte teilten. Und du sagtest einmal, dass die Bewusstseinsblasen ebenso aus der Quelle der Kraft entstanden sind.

„Ja klar ist alles aus der Quelle der Kraft entstanden. Aber nur dann, wenn du es linear betrachtest. Ich würde eher sagen, dass alles die Quelle der Kraft IST.
Was du sehr richtig erwähnt hast, ist, dass die Bewusstseinsblasen in dem Moment entstanden sind, als sich die Ganzheiten in unzählige Aspekte teilten. Ein Makel wäre zu beanstanden, - nämlich die Vergangenheitsform.“

Mitvergangenheit – um genau zu sein, Kim.

„Ach, Mädchen belieben zu scherzen? Aber du weißt schon, was ich meine, oder?“

Was das Scherzen betrifft?

„Nein, eher was die Vergangenheitsform betrifft.“

Ja, klar, Kim. Du sprichst, wie immer, von der Gleichzeitigkeit, in der es weder Vergangenheit, Gegenwart, noch Zukunft gibt, da sie ein ewiges und wohl auch unendliches Jetzt darstellt.

„Sehr gut! Nun, Mädchen, weißt du auch, was du mit diesem, deinen Satz, den ich vorhin über die Bewusstseinsblasen wiederholt habe, gemeint hast?“

Erkläre du es mir, denn du bist hier der Meister und ich deine dumme Schülerin.

„Habe ich wirklich jemals erwähnt, dass du dumm und ich ein Meister bin? Okay, okay – ich erkläre es schon. Du brauchst nicht mit deinen Augen zu rollen.
Also! Bildlich gesprochen, fügen sich unzählige Aspekte zu riesigen energetischen Blasen zusammen. Alleine durch dieses Zusammenfügen passiert etwas. Es entsteht so etwas wie Bewusstsein. Jede einzelne dieser Blasen entwickelt so etwas wie Bewusstsein.
Du siehst also, - die Bewusstseinsblasen sind nichts anderes als ein Haufen unzähliger Aspekte, aus denen sich das, was du und wohl die meisten Menschen das Bewusstsein nennen, entwickelt. Natürlich glauben Menschen, die einzigen zu sein, die Bewusstsein HABEN, - wobei – haben – sicher nicht das richtige Wort ist, denn durch dieses Zusammenballen der Aspekte ENTSTEHT so etwas wie Bewusstsein. Vielleicht verstehst du jetzt, wenn ich sage, dass alles Bewusstsein IST.“






23.) Gespräch

Wäre es möglich, im menschlichen Bewusstsein so etwas wie Wunder zu vollbringen.

„Was hättest du davon? Würdest du damit Geld verdienen, oder angeben, weil du dich dadurch von der Allgemeinheit unterscheidest? Und bedenke, warum du dich von der Allgemeinheit unterscheiden würdest. Nur durch die Allgemeinheit selbst, da sie dich hervorhebt, aber niemals durch dich selbst. Immerhin unterscheidet sich jeder, - selbst die Menschen, die sich zur Allgemeinheit zählen. Der Wunsch, anders mit der Materie umzugehen, so genannte Wunder zu vollbringen, bindet dich nur noch mehr an dein Ego.
Wirklich erleuchtete Menschen beherrschen keine Zauberkunststücke, mit denen sie ein mögliches Publikum verblüffen. Sie leben unter den Menschen, - mit den Menschen, ganz so wie gewöhnliche Menschen es tun. Und Menschen, die so genannte Zauberkunststücke vollbringen, stehen meist unter dem Bann eines Dämons.“

Das klingt aber sehr gefährlich, Kim. Ich meine, wir müssten bereits aus der Zeit des Mittelalters hinaus sein, als Hexen und Zauberer verfolgt wurden, - dennoch befürchte ich, dass es doch nicht ganz so ist. Außerdem schreibst du dem Menschen dadurch wieder einiges ab.

„Es gibt bei euch doch so etwas wie den Durchschnitt. Sozusagen ist ein durchschnittlicher Mensch zu solchen Handlungen nicht fähig. Ebenso wenig hat ein durchschnittlicher Mensch Beziehungen zu anderen Welten oder Wirklichkeiten, weil er sich auf seine ihm gegebenen fünf menschlichen Sinne verlässt. Man könnte auch sagen, ein durchschnittlicher Mensch ist immer das Kollektiv zu einer ganz bestimmten Zeit, eben das, was gerade im menschlichen Bewusstsein überwiegt.
Damit sage ich nicht, dass dem Menschen nicht mehr möglich ist, denn ihm ist aus eigener Kraft sehr viel mehr möglich, - vor allem dann, wenn er die Möglichkeit hat, seine ureigenen Fähigkeiten, oder Talente zu entwickeln. Somit würde er den vollkommen natürlichen Weg seiner Entwicklung gehen und sich nicht auf ‚andere’ Energien oder Mächte verlassen. Dann gibt es auch Menschen, wobei das nur sehr wenige zu deiner Zeit sind, die sich wirklich den Wesen der Anderen Seite ergeben und mit deren Kräften handeln.
Beide Wege sind weder gut, noch schlecht, denn jeder Weg führt schlussendlich zur Urquelle, zur Quelle der Kraft.“

Willst du damit sagen, dass es nur der Energie der Wesen der Anderen Seite möglich ist, unsere Naturgesetze aufzuheben?

„Genau das will ich damit sagen. Und oftmals stört diese Aufhebung der Naturgesetze die Ordnung des Universums, wobei dann ein Wesen eingreifen muss, um diese Ordnung wieder herzustellen. Du siehst also, dass solche Wege nie wirklich etwas bringen, - außer eine noch tiefere Beziehung zu dem größten aller Dämonen, - genannt das Ich.“

Dieses Wesen, das die Ordnung wieder herstellt, bist sicher du. Nicht wahr?

„Unter anderem bin ich dieses Wesen.“

Dennoch glaube ich, dass dem Menschen mehr möglich ist, als er heute weiß und kann.

„Das streite ich nicht ab, - deshalb sprach ich ja auch von seinen ureigenen Fähigkeiten und Talenten, die der Mensch entwickeln kann.“

Aber vielleicht sind diese ureigenen Fähigkeiten und Talente für einen Menschen, der sie nicht anwendet, so genannte Wunder.

„Du hast dich wohl von den Büchern über Krsna beeinflussen lassen, in denen von Welten geschrieben steht, in denen Menschen mit der Materie wahre Zauberkunststücke vollbringen, in denen sie nicht altern und doch mehrere 100 Jahre alt werden.“

Krsna ist doch so etwas wie ein Gott, - sozusagen ein Wesen der Anderen Seite. Kann es demnach sein, dass die Wesen der Anderen Seite vor langer, langer Zeit mit den Menschen zusammengelebt haben.

„Du kennst doch den Unterschied dieser beiden Urenergien, - jene der Ganzheiten des Selbst und jene der Wesen der Anderen Seite. Fakt ist auch, dass die Aspekte der Ganzheiten das, was du Leben nennst, wirklich leben, während die Energie der Wesen der Anderen Seite an allen Orten und Zeiten Gestalt annehmen kann. Sozusagen kannst du die Energie der Wesen der Anderen Seite durchaus auch mit Hexen, Zauberern, Feen, Kobolden, Gnome, Naturgeister aller Art gleichsetzen.“

Willst du damit sagen, dass es zwischen Religionen und Märchen keinen Unterschied gibt, Kim?

„Das sagte ich schon immer. Nur meine ich damit nicht, dass es keine Götter, wie auch keine Märchenfiguren gibt. Nun – es gibt sie sozusagen nicht wirklich, - wobei hier das Wort ‚wirklich’ schwer zu definieren ist.“

Weil die Energie der Wesen der Anderen Seite alle möglichen, wie auch unmöglichen Gestalten annehmen kann, wie es in Science-Fiction-Filmen Formwandler tun, aber zum Unterschied der Formwandler sind sie reine Energie.

„Auch die Ganzheiten sind reine Energie, aber eben eine Energie, die unterschiedliche Bewusstseine erschaffen. Das heißt nicht, dass Wesen der Anderen Seite kein Bewusstsein erschaffen. Gerade sie sind Meister aller Bewusstseine, da sie stets alles durchdringen und dadurch die Momente stabilisieren.
Das Wort – wirklich – ist deshalb schwer zu definieren, weil die Aspekte der Ganzheiten des Selbst die Energie der Wesen der Anderen Seite sozusagen anrufen oder gar herauf beschwören.
Die wohl ärgste Zeit dieser Beschwörungen war lange vor deiner Zeit, denn heute gibt nur wenige Menschen, die wirklich an Hexen, Zauberer und ähnliches glauben. Es gibt zwar noch den Glauben an einen Gott, wie auch an Götter und Göttinnen, wenn du an den Hinduismus denkst, aber das ist noch lange nicht so verhängnisvoll, wie es damals war.“

Warum ist es wirklich so verhängnisvoll, Kim?

„Du hast es bereits angeschnitten. Damals wurden Menschen verfolgt und getötet. Ganze Volker wurden ausgerottet. Das lag zwar nicht nur an den Wesen der Anderen Seite, aber doch waren sie es, wodurch all das ausgelöst wurde.“

Also gab es eine Zeit, als die Wesen der Anderen Seite einst auf der Erde unter den Menschen lebten. Oder?

„Erinnere dich, als ich dir sagte, dass zu deiner Zeit Buddha, Jesus oder Krsna nur von sehr wenigen Menschen wahrgenommen werden würden. Aber noch vor etwa 2000 Jahren wurden sie allgemein wahrgenommen. Nur bedenke, dass Jesus oder Buddha Menschen waren, wenn auch sehr energiereiche Menschen. Angeblich war Krsna auch ein Mensch, - ein Hirtenjunge. Dennoch gibt es über alle drei Schriften, in denen über eine außergewöhnliche Geburt geschrieben steht. Über Jesus wird gesagt, er sei Gottes Sohn gewesen. Wäre das so, wäre Jesus ein Wesen der Anderen Seite.“

Du redest schon wieder um den heißen Brei herum, Kim.

„Das nur, um dir die wahre Natur der Wesen der Anderen Seite näher zu bringen. Ich komme schon noch zu deiner Frage, Mädchen.
Es gibt auch heute noch einige wenige Wesen der Anderen Seite, die unter euch wandeln, die aber nur mehr von wenigen Menschen wahrgenommen werden. Und wenn, ist diese Wahrnehmung im Gegensatz zu früheren Zeiten, sehr schwach. Meist hören die Menschen in ihrem Inneren Stimmen, oder sehen in ihrem Inneren Bilder, die meistens als Illusion oder Halluzinationen ausgelegt werden.
Früher gab es für die Menschen kaum einen Unterschied, denn sie nahmen die Wesen der Anderen Seite genauso wahr wie ihre Stammesbrüder und Stammesschwestern. Der einzige Unterschied zwischen ihnen war, dass die Wesen der Anderen Seite für diese Menschen Zauberer, Magier, wie auch Hexen oder Feen waren. Die Menschen damals waren stark genug, die Energie der Wesen der Anderen Seite zu ertragen, sogar so stark, dass sie einen Teil dieser anderen Urenergie in sich aufnehmen konnten und selbst so etwas wie Magier wurden.
Wenn heute ein Mensch so eine Erscheinung hat, ist es nicht ungefährlich, diese Erscheinung zu berühren. Meist warnt das Wesen den Menschen auch davor, weil der Mensch durch die Berührung in ein Bewusstsein gezogen wird, das er energetisch nicht verkraftet.“

Das bedeutet also, dass die Menschen damals energiereicher waren als die heutigen.

„Ja, weil sie nicht trennten und von Anfang an eine Einheit erkannten. Für die sehr frühen Menschen war es auch keine Hexerei, sich mit Tieren oder Pflanzen zu verständigen. Du fragst dich oft, wie die Menschen damals den Unterschied zwischen giftigen und ungiftigen Pflanzen erkannten und wie viele sterben mussten, bis sie wussten, was essbar ist und was nicht. Es war ganz einfach, denn sie verstanden die Pflanzen mit Hilfe der Energie der Wesen der Anderen Seite, und das Wissen darüber wurde stets von Generation zu Generation weitergegeben.“

Ich habe Büchern gelesen, dass die so genannten Götter der spirituellen Völker sehr oft Tiergestalten hatten, oder zumindest Köpfe von Tieren. Zeigten sich die Wesen der Anderen Seite ihnen auf diese Art, oder war es eher die Vorstellung der damaligen Menschen?

„Es war beides, da die Wesen der Anderen Seite sehr feinfühlig sind und sehr gut wissen, WIE sie den Menschen erscheinen sollen.“

Weiters habe ich auch gelesen, dass sich ein Gott mit Hörner gezeigt hat, wobei diese Erscheinung für mehrere Völker gilt, die jedoch an jeweils anderen Orten, wie auch zu anderen Zeiten lebten. Und als die Christianisierung kam, wurde aus dem gehörnten Gott der biblische Teufel.

„Was die Christianisierung betrifft – damals ging es den meisten Menschen wohl mehr um Macht und Ansehen, als um den Glauben an ihren Gott. Wichtiger sind die so genannten Mystiker der christlichen Religion, die eine ebenso natürliche Verbindung zu den Wesen der Anderen Seite hatten wie die alten Völker.
Was nun den gehörnten Gott betrifft – der mit Pan gleichzusetzen wäre – hat nichts mit dem so genannten christlichen Teufel, genannt Luzifer zu tun, obwohl es so scheint, als hätte die Kirche ihn damals zum Satan oder Teufel verdammt. Diejenigen Menschen, die dafür verantwortlich waren, diese Wesenheiten in ein und dieselbe Schublade zu stecken, hatten keine Verbindung zu den Wesen der Anderen Seite, denn ihnen ging es, wie ich eben sagte, nur um Macht und Unterdrückung. Das war auch die Zeit, als sich viele Menschen von den Feen und Naturgeistern, wie auch Naturgöttern abwandten oder besser gesagt – abwenden mussten.“

Ich denke dabei an die wunderschöne Geschichte „Die Nebel von Avalon“ von Marion Zimmer Bradley, als das Christentum die keltische Religion mehr und mehr verdrängte.
Mir gefällt der Gedanke, dass sich in jedem Baum, in jeder Pflanze ein Geist befindet und Feen in Blumenwiesen herumtanzen.

„Und dass es Zauberer gibt, die dich innerhalb eines winzigen Augenblicks in einen quakenden Frosch verwandeln? Ja? Wirklich?“

Das sicher nicht, aber mir sind Naturgeister dieser Art lieber als ein strafender Gott, der den Menschen Gebote zukommen lässt. Und wenn sie diese nicht befolgen, kommen sie in die Hölle.
Aber was bewirkte diesen Glauben an Naturgeister, oder auch den Glauben an einen Gott?

„Schwer zu sagen, - es waren, wie auf der Erde, nun mal die Menschen selbst, die im Bewusstsein herum gekramt haben und mehr sein wollten, als sie sind. Ich nenne das schlichtweg Größenwahn.“

Na ja, es gibt heute auch noch Menschen, die mehr sein wollen, als sie sind. Darunter gibt es auch welche, die Verbindungen mit gottesgleichen Wesen haben wollen. Und dann gibt es auch jene, die behaupten, Kontakt mit Außerirdischen zu haben.
Könnte man das auch Missbrauch der Urenergien nennen?

„Nun, vergiss nicht, dass es bei den meisten dieser Menschen, von denen du eben gesprochen hast, ein Wunschgedanke ist. Wahre Wunder jedoch, - wie der Kontakt zu einem Wesen der Anderen Seite, bleiben der Öffentlichkeit meist verborgen. Und ja – ich würde es auf jeden Fall Missbrauch nennen, denn die Natur der Wesen der Anderen Seite ist das Stabilisieren der Momente und nicht angebetet zu werden, oder den Schaden, den ein Mensch angestellt hat, wieder gut zu machen.“

24.) Gespräch

In dem Buch „Ich hab dir nie einen Rosengarten versprochen“ von Hannah Green geht es um die Heilung eines 16jährigen Mädchens, namens Deborah. Deborah ist schizophren und lebt zum Teil in einer Welt, die sie Yr nennt. In dieser Welt existieren Götter. Zu zweien von ihnen fühlt sie sich besonders hingezogen, - zum Feuergott Anterrabae und zum schwarzen Gott Lactamaeon. Anfangs war Yr ein Zufluchtsort, eine Art Paradies, in dem Deborah die Königin war, aber mit der Zeit verwandelte sich das Paradies in eine Hölle, die das Mädchen immer tiefer hinab zog. Vor allem Anterrabae, der stets fallende Gott, mit dem flammend roten Haar nahm sie immer tiefer mit in seine Hölle. Am Ende der Heilung, mit Hilfe einer sehr sensiblen Ärztin, stellt sich heraus, dass Deborah den Feuergott Anterrabae einst auf einem Gemälde von William Blake gesehen hat, und er zu einer zwanghaften Vorstellung wurde.

„Und du möchtest jetzt von mir wissen, ob es den Feuergott und den schwarzen Gott wirklich gibt?“

Es wäre doch interessant, wenn es diese beiden Götter, wie auch das Reich Yr wirklich gibt, bloß konnte das 16jährige Mädchen nicht wissen, dass es mehrere Wirklichkeiten gibt. Es war die Angst, die Deborah immer tiefer in Yr hineinzog, und dadurch wurde aus dem Paradies eine Hölle. Auch geht es darum, was Deborah in der so genannten realen Welt erlebt hat, dass es eigentlich diese Erlebnisse waren, mit denen sie nicht klar kam und die sie in eine Fantasiewelt trieben.

„Das ist auch logisch. Wenn du Angst oder Wut für die Außenwelt empfindest, dann nimmst du Angst oder Wut mit in die Innenwelt. Und früher oder später breiten sich diese Gefühle in deinem Paradies, in das du geflüchtet bist, aus.“

Das hört sich so an, als sollte man Außen- und Innenwelt nicht trennen. Aber wie kann man ein Reich wie Yr, mit Götter und engelhaften Wesen, in der Außenwelt integrieren? Immerhin sind Götter Wesen der Anderen Seite und haben mit der Innenwelt der Menschen nicht wirklich etwas zu tun, außer, dass sie die Energie der Menschen umpolen und sie zu ihresgleichen machen, was wiederum das Gleichgewicht der beiden Urenergien stört.
Ich verstehe, dass Außen- und Innenwelt stets in Wechselwirkung agieren, da ja alles Wahrnehmung ist und jeder die Außenwelt ebenso individuell wahrnimmt. Aber hier reden wir ja von einer etwas tieferen Innenwelt, die diesem Buch nach, eine Fantasiewelt darstellt. Yr wird nur von Deborah wahrgenommen, und das sehr wahrhaftig, denn Anterrabae und Lactamaeon, wie der gesamte Chorus der Götter in Yr, sprechen zu ihr.

„Du meinst, sie greifen in ihre Wahrnehmung ein, wogegen Deborah nichts tun kann.“

Genau! Das war, laut Buch, von Anfang an so. Es geschah von Deborah aus nie willentlich, da das Reich Yr sehr plötzlich aufgetaucht ist. Ich würde das wirklicher nennen als meine fantastische Innenwelt und die Gespräche mit dir, wo ich mir auch nicht mehr so ganz sicher bin, ob du nicht wirklich existierst.

„Wünsche es dir nicht, Mädchen!“

Wäre es denn möglich, dass du mich urplötzlich in dein Reich ziehst und ich dann für Beobachter irgendwie weggetreten wäre?

„Ich würde so etwas nicht tun. Aber bei Wünschen dieser Art besteht die Gefahr, dass sich Wesen der Anderen Seite angesprochen fühlen. Und für sie ist es ein Leichtes, dich in eines ihrer Reiche zu ziehen. Sie sind wie Drogen, wo du auch nie wissen kannst, wer dein Bewusstsein übernimmt, - du selbst, die Drogen, oder die Wesen der Anderen Seite.
Bei Wesen, die nicht beeinflussen, ist es eben immer ungewiss, - so wie es bei dir nun mal ungewiss ist, da du dir manchmal sagst, dass du Selbstgespräche führst, wenn du schreibst, - und genauso willentlich versetzt du dich in mich und meine Welt, was dich ebenso denken lässt, dass alles nur deine Fantasie ist. Aber wir sagten auch schon, dass zwischen Fantasie und Fantasie auch ein Unterschied besteht, - vor allem dann, wenn ein kreativer Mensch seine Fantasie zu einer Art Eigenreligion oder Eigenphilosophie macht, wie es bei dir ja der Fall ist.
Der göttliche Funke, wie du mich auch manchmal nennst, ist ja ein Teil von dir, genauso wie du ein Teil von ihm bist. Er ist also keine fremde Energie, sondern ein Teil deines Selbst.“

Anterrabae und Lactamaeon gibt es nicht in der Außenwelt. Dich und dein Reich, wie etwa die Leuchtende Welt gibt es auch nicht in der Außenwelt. Und doch ist all das ebenso Wahrnehmung, aber eben nur die innere Wahrnehmung. Also nehme ich ja doch etwas wahr, was es in der Außenwelt nicht gibt, - und gleichzeitig mache ich es durch meine Gespräche mit dir zu einem Teil einer möglichen Außenwelt. Deborahs Anterrabae und Lactamaeon könnten Wesen der Anderen Seite sein, aber auch außerirdische Wesen, die in sehr feinstofflichen Welten leben, die von Menschen eben nur auf diese Art wahrgenommen werden, indem sie jeder Mensch als Fantasiefiguren wahrnimmt. Du bist mein göttlicher Funke, - existierst teilweise in mir und zeigst mir dein Reich, - das zuerst die sechste Erddimension und später die Leuchtende Welt war. Diese Art von Wahrnehmung ist nichts anderes als Fantasie. Wobei sich bei Deborah herausgestellt hat, dass ihre Götter nur Abbilder fantastischer Gemälde waren.
Yr war aber nicht umsonst. Yr und seine Götter und engelhaften Wesen, die sich zwar später in Dämonen verwandelt haben, waren sogar DIE Heilung, denn sie zeigten Deborah, wenn auch zwanghaft, dass sie etwas bewältigen muss. Ohne Hilfe der Ärztin hätte sie es vielleicht nicht geschafft, aber der ganze Prozess, - die Selbstmordversuche, die Einweisung auf Station D im Sanatorium, - all das gehörte zur Heilung, hervorgerufen durch das Reich Yr, das Deborah direkt dazu zwang, sich mit ihrer Geisteskrankheit auseinander zu setzen.

„Eine Geisteskrankheit ist es nur dann, wenn der eigene Geist nicht mehr zur Steuerung fähig ist. Dann ist der Geist durch etwas beeinträchtigt, was durchaus von einem Wesen der Anderen Seite ausgelöst werden kann.
Den Ärzten in solchen Krankenhäusern geht es ja darum, die Menschen wieder dazu zu bringen, nur das wahrzunehmen, was sozusagen allgemein wahrnehmbar ist. Sie mögen durchaus viele andere Welten kennen, bedingt durch die Arbeit mit den Patienten, - aber niemals halten sie andere Welten für genauso wahr wie die Welt, in der sie selbst leben.“

Woran lässt sich der Unterschied zwischen Wesen der Anderen Seite und Wesen aus anderen Welten erkennen?

„Wesen der Anderen Seite beeinflussen und ziehen dich in ihre Welt. Sie übernehmen dich sozusagen mit Haut und Haaren. Natürlich kann dir das auch bei Wesen aus anderen Welten passieren, wenn du es zulässt. Also, einen wirklichen Unterschied kann ich dir nicht nennen. Ich kann dir nur sagen: Du brauchst kein anderes Wesen als nur dich selbst. Die Quelle der Kraft hat dir alles gegeben, was du für dein Leben brauchst. Finde es, Mädchen – IN DIR SELBST.“






25.) Gespräch

Warum wurden und werden so viele Lebewesen von den Wesen der Anderen Seite verschlungen? Es besteht doch kein Unterschied, wenn alles Eins ist. Ich verstehe schon, dass es in der Einheit auch Vielheit gibt, aber wenn du sagst, dass in der Quelle der Kraft alles Eins ist und es keine Unterschiede gibt, - warum dann hier?

„Wie sagte Jesus? Sagte er nicht, dass das Reich Gottes in jedem selbst ist? Mädchen, wo suchst du die Quelle der Kraft? Etwa im Tod? Oder meinst du nicht, wenn alles aus ihr hervorgeht, dass sie dann genauso DA ist, wie alles andere auch da ist? Die Quelle ist nichts, was erst im Tod oder nach dem Tod erkannt werden kann. Selbst ihr Reich ist kein Reich, das erst im Tod oder nach dem Tod erkannt werden kann. Wenn du all das nicht jetzt erkennst, dann wirst du es auch im oder nach dem Tod nicht erkennen. Oder meinst du, irgendein Wesen setzt eine Injektion bei dir an und impft dir die Glückseligkeit der Quelle der Kraft ein, dass du im oder nach dem Tod erkennst? Das, was JETZT nicht in dir ist, wird nie in dir sein. Aber sei getröstet, die Quelle IST in dir, so wie in ALLEM, denn sie IST ALLES.“

Alle Aspekte der Ganzheit haben auch die Ganzheit in sich, und die Ganzheit hat auch die Quelle der Kraft in sich - so wie ein Tropfen Meerwasser von derselben Qualität ist, wie das Meer selbst. Dasselbe ist mit der Energie der Wesen der Anderen Seite und doch scheint es so, als würde diese Energie, obwohl sie EINS mit der Quelle ist, den Ganzheiten oder vielmehr den Aspekten der Ganzheit Schaden zufügen. Das ist es, was ich nicht verstehe, Kim.

„Hast du etwas zu verlieren, Mädchen?“

Was soll diese Frage?

„Ich meine, selbst wenn alles ein Irrglaube ist, was hast du schon dabei zu verlieren?“

Worauf willst du jetzt wieder hinaus?

„Einst sagte ich dir, dass dir die Quelle der Kraft alles gegeben hat, was du zum Leben HIER und JETZT brauchst. Sie gab natürlich nicht nur dir alles, - sie gab es jedem und allem, selbst den Wesen der Anderen Seite. Und sie gab es ebenso einigen Ganzheiten, wie meinen Helfern und mir selbst, um wieder eine so genannte Ordnung in den Erscheinungswelten zu schaffen. Das, Mädchen, bedeutet, dass alles EINS ist.“

Das hört sich schon wieder so an, als wäre alles egal, was wir tun oder was wir nicht tun, denn es wird ja doch alles wieder in Ordnung kommen.

„Ist das nicht tröstlich?“

Nein, Kim! Denn so erscheint unser aller Leben mehr als sinnlos.

„Wenn einer oder eine von euch etwas nicht so getan hätte, wie er oder sie es getan hat, wäre die Quelle der Kraft nicht das, was sie ist? Willst du dem einen Sinn absprechen?“

Da bin ich mir nicht so sicher. Vor allem, wenn ich an eine Frau denke, über die ich gelesen habe, dass sie ständig lächelt und sich absolut zufrieden fühlt, weil sie Eins mit Gott ist. Ich kann nun mal nicht ständig lächeln und zufrieden sein, wenn ich Menschen leiden sehe.

„Verlangt das jemand von dir?“

Das nicht, aber ich selbst würde gerne ständig lächeln und zufrieden sein können.

„Aber in der Welt, in der du lebst, ist das für dich nicht möglich. Das meinst du doch, oder?“

Ja, Kim.

„In Zeiten, wo alles rosig erscheint, ist es ja sehr leicht, Liebe und Zuversicht zu verbreiten. Schwierig wird es hingegen, wenn die Zeiten nicht mehr so rosig sind. Und was ist da herzerfrischender, als ein Mensch, der trotz allem noch immer lächeln kann? Ist er nicht wie ein Sonnenstrahl in der Dunkelheit? Und man wird sich fragen, wie es diesem Menschen nur möglich ist, in Zeiten wie diesen, zu lächeln. Und vielleicht erfährt man auch, warum es diesem Menschen möglich ist, zu lächeln, - darum, weil er bedingungslos vertraut und anscheinend weiß, dass nie etwas verloren geht und alles einen Sinn hat, auch wenn man selbst diesen Sinn niemals wirklich erkennen kann.“

Dazu würde ich jede Menge Überwindung brauchen, Kim.

„Ja, Selbstüberwindung, die du nur mit Stärke erreichen kannst, indem du stark gegen dich selbst bist. Ich glaube, dieser Frau gelang es auch nicht von heute auf morgen, ständig zu lächeln und zufrieden zu sein. Vielleicht erkannte sie in einem bestimmten Moment, dass Verzweiflung nichts an den Tatsachen ändert und sie diese Verzweiflung selbst krank und traurig macht und sie für ihre Umgebung dadurch kaum eine Hilfe ist.
Ich sagte dir schon immer, dass du die Welt nicht ändern kannst. Also, - willst du durch Verzweiflung, Traurigkeit und Angst das ganze Elend noch mehr in die Tiefe ziehen, - oder wäre es nicht besser, ein kleiner Sonnenstrahl in der Dunkelheit zu sein?
Es gibt todkranke Menschen, die für andere todkranke Menschen ein Sonnenstrahl sind, weil sie den Mut nicht verloren haben. Und wenn du das Ganze nüchtern betrachtest, sind alle Menschen todkrank, da ihr ja nicht für immer lebt. Was also hast du zu verlieren? Absolut nichts, weil du nichts besitzt! Wäre es da nicht viel einfacher, diese Tatsache mit einem Lächeln zu akzeptieren, - eine Tatsache, die sich ohnehin nicht ändern lässt? Und vielleicht wäre das auch der einzige Sinn, den ihr eurem kleinen Leben auf der Erde geben könnt.“

Manchmal sprichst du von der Quelle der Kraft wie von einem persönlichen Gott, dem man vertraut, weil er ohnehin wieder alles in Ordnung bringt.

„Da missverstehst du etwas, Mädchen. Ich vertraue mir selbst. Ich vertraue der Energie, aus der ich bestehe und diese Energie ist nichts anderes als die Quelle der Kraft selbst. Und wie schon gesagt, - ALLES ist diese Energie, nämlich die Quelle der Kraft, die durch nichts – durch absolut nichts – ausgelöscht werden kann.“

Aber ich werde einmal ausgelöscht, Kim. Und so gesehen werde ich diese Einheit weder jetzt, noch nachdem ich ausgelöscht bin, bewusst erkennen können.

„Das ist, weil du dich mit dem Ich identifizierst. Die Quelle der Kraft gab dir auch etwas, das Intuition genannt wird und dir vielleicht sagt, dass das Ich nichts anderes als ein Gedankenkonstrukt ist. Jetzt stell dir einmal vor: Das Ich denkt sich selbst. Ist so etwas überhaupt möglich?“

Ja, ist es! Das erfahre ich tagtäglich, aber ich erfahre keine Einheit mit allem. Die Welt steht mir wie ein einziges Du gegenüber, wie es der Philosoph Kierkegaard einst niedergeschrieben hat. Und die Welt wird bleiben, während ich einst gehen werde.

„Der Gedanke ‚Ich’ wird einst gehen. Die Welt wird wahrscheinlich auch einst gehen und mit ihr alles andere. Vielleicht geht einst sogar das gesamte Universum. Und wenn schon! All das sind Erscheinungen, Mädchen. Dadurch zeigt sich die Quelle der Kraft als Materie. Materie, die sich ständig verändert. Aber die Quelle der Kraft selbst wird sich nie verändern. Sie ist immer das, was sie war, ist und sein wird – und das GLEICHZEITIG.“

Das ist nichts als Gerede, Kim.

„Das ist nun mal die Kommunikation zwischen euch Menschen.“

Sehr witzig!

„Na, wenigstens habe ich dich jetzt zum Lachen gebracht.“






26.) Gespräch

Kim, wäre es möglich, dass die Quelle der Kraft durch Träume zu uns spricht?

„Aber sicher ist das möglich, wobei ich lieber sagen möchte, dass ihr selbst zu euch sprecht.“

Du klingst genervt, Kim.

„Ist das nicht verständlich? Zuvor habe ich versucht, dir zu erklären, dass zwischen dir, der Welt, wie allem, was DA ist und der Quelle der Kraft absolut kein Unterschied besteht und jetzt stellst du mir so eine Frage!“

Dann stell ich dir eine andere Frage über Träume. Kann es sein, dass wir, wenn wir träumen, in andere Wirklichkeiten gelangen?

„Oh, ja! Das ist sogar sehr oft der Fall. Und wenn du aufwachst, heißt das nicht immer, dass der Traum zu Ende ist, denn in der anderen Wirklichkeit geht er weiter. Es ist dann nur so, dass es dir nicht mehr bewusst ist, dass du ebenso in einer anderen Wirklichkeit existiert. Damit meine ich aber nicht dich selbst, wie du dich hier und jetzt wahrnimmst, sondern viel mehr einen Aspekt deiner Ganzheit. Ja, Träume sind etwas sehr Wichtiges. Nicht nur, weil Menschen dadurch auch ihre täglichen Probleme leichter verarbeiten. Sie zeigen den Menschen auch die unergründlichen Geheimnisse des Universums.“

Nur glaubt kaum jemand an seine Träume. Weißt du, mir passiert es oft, dass ich im Traum alles verstehe. Wenn ich aber aufwache, denke ich mir: Was hast du jetzt wieder für einen Schwachsinn geträumt!

„Das liegt am Bewusstsein. Schon Castaneda schrieb, dass sich im Traum der Montagepunkt verschiebt und dadurch eine andere Wahrnehmung ausgelöst wird. Auch schrieb er, dass es durch den Traum möglich ist, in andere Welten zu gelangen. Und glaube mir, es gibt viele Welten, in die man nur durch Träume gelangen kann.
Als ich noch auf der Erde lebte und noch nichts über meine Aufgabe wusste, träumte ich oft von einem sehr seltsamen Wesen. Es war irrsinnig groß und bestand eigentlich nur aus einem Kopf, aus dem unzählige, lange Tentakel wuchsen. Die Tentakel waren die Hände und Füße dieses Wesens.“

War es grau und lächelte es ständig?

„Ja, Mädchen! Aber es lächelte nicht wirklich, denn dieses Lächeln war sein normaler Gesichtsausdruck.
Als ich es das erste Mal sah, kam es gerade aus dem Wasser, - übrigens ein See, der wirklich aus rotem Wasser bestand.“

Hattest du keine Angst vor diesem Wesen?

„Seltsamerweise hatte ich keine Angst. Ich sprach es sogar an.“

Du hast was?!

„Ich habe es angesprochen. Was ist daran so furchtbar, dass ich gleich hinter dem Fragezeichen ein Rufzeichen heraushöre?“

Weil ich dieses Wesen auch kenne, Kim. Und ich habe es nicht angesprochen, weil ich anfangs glaubte, es habe ein Gehirn, das kleiner als eine Erbse ist und dieses Wesen deshalb nicht einmal das Bewusstsein einer Ente hat.

„Klar, die menschliche Arroganz! Und ich weiß natürlich, dass du dieses Wesen kennst. Du hast auch darüber geschrieben und dir – wie du sicher glaubst – eine neue Fantasiefigur geschaffen, so wie du mich einst geschaffen hast.
Nun, ich stellte mich diesem Wesen mit meinem Namen vor und sagte ihm auch, dass ich eben träume und wenn ich nicht träume, auf der Erde lebe. Das Wesen war sehr höflich und reichte mir eines seiner langen Tentakel zum Gruß, während es sich selbst als Bobo Graudinger vorstellte. Später führte es mich in seine Stadt, die sich auf einem Plateau befindet.“

Eine sehr seltsame Stadt.

„In der Tat, Mädchen. Seltsam und höchst interessant. Jedes dieser Wesen, die sich übrigens alle ‚Graudinger’ nennen, baut sich sein Haus selbst nach eigenen Vorstellungen. Nachdem ich einige dieser Graudingers kennen gelernt habe, spürte ich instinktiv, in welchem Haus welcher Graudinger wohnt. Es war mir, als würde eine Symbiose zwischen den Wesen und ihren Häusern bestehen.“

So wie zwischen den Wesen und der Wiese unter dem Plateau.

„Richtig! Und die Wiese ist nicht nur ein Teil der Nahrung der Graudingers, sie ist auch das so genannte Baumaterial der Häuser.“

Warst du auch unter dem roten See, wo sich noch so eine Stadt befindet, Kim?

„Natürlich! Ich wanderte mit Bobo auch über das Plateau hinaus in die höher gelegenen Berge, wo wir einige andere Träumer antrafen und interessante Gespräche führten.“

Wie oft warst bei den Graudingers?

„Das weiß ich nicht mehr, Mädchen. Es war sicher sehr oft, weil ich die Gesellschaft dieser liebenswerten Wesen sehr schätzte.“

Du hast dich bewusst in ihre Welt geträumt?

„Nun, als Leuchtendes Wesen, welches als Mensch auf der Erde geboren wurde, war mir mehr möglich als so genannten gewöhnlichen Menschen und ich konnte unter anderem auch bewusst träumen.
Seltsam fand ich damals auch ihre Namen, die stets aus zwei gleichen Silben bestehen, wie etwa Bobo, Nene, Dada, Mimi, usw. Ebenso seltsam war damals, dass ich sie schnell auseinander kannte, obwohl sie sich wie ein Ei dem anderem gleichen.“

Bobo sagte mir, dass ihre Verständigung untereinander für Menschen nicht erklärbar ist.

„Das glaube ich sofort!“

Ach ja? Aber du – als Leuchtendes Wesen – hast natürlich sofort alles verstanden.

„Höre ich da etwa Eifersucht oder gar Neid heraus?“

Vielleicht ein bisschen, Kim.

„Nun, - ja, ich habe mich mit den Graudingers in ihrer Sprache, oder besser gesagt, auf ihre Art der Kommunikation unterhalten.
Du hast übrigens nur sehr wenig über das Wesen der Graudingers geschrieben. Dabei gäbe es so viel über sie zu sagen.“

Ich weiß, Kim. Damals war ich zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Aber vielleicht hole ich das noch nach, denn es sollte doch noch geklärt werden, wie sie sich vermehren und was sie alles so treiben, wenn sie sich nicht gerade mit Träumer unterhalten.

„Oh ja, das solltest du. Und vielleicht, Mädchen – vielleicht triffst du dann dort auch auf mich, denn ich besuche die Graudingers noch immer gerne, auch wenn ich mich hauptsächlich meiner neuen Aufgabe widme, nämlich in den unendlichen Weiten des Universums eine neue Welt zu kreieren.“