Hallo ihr Lieben!

Lizzy hat mich wieder mal dran erinnert, dass ich schon ewig nimmer da war. Unglaublich, wenn ich daran denke, was für ein fixer täglicher Bestandteil das Forum früher für mich war.

Nun sitze ich hier in Kroatien am Meer, die Grillen zirpen neben mir, es wird langsam finster. Ich bin etwas zur Ruhe gekommen und nehme mir mal Zeit für meine Gedanken.

Ja, es hat sich vieles geändert, ich bin älter geworden, die Schwerpunkte sind andere geworden. Als junge Erwachsene hatte ich viel Zeit und Gelegenheit, um mich zu hinterfragen, mir Gedanken von der Seele zu schreiben, auf Zeichen zu achten, zu meditieren,...

Nun bin ich keine junge Erwachsene mehr, eigentlich in der Mitte meines Lebens mit großen Schritten dem 40er entgegen. Verheiratete und arbeitende Mutter von 2 Kindern und jeder Tag ist durchstrukturiert von A-Z. Aufstehen, Kinder wecken, 2 x Pausenbrot schmieren, Kind zum Kindergarten bringen, wieder retour, an den Computer, arbeiten bis Mittag, Kind vom Kindergarten holen (der Schüler geht seinen Weg mittlerweile allein), an den Herd, Essen kochen, Essen wegräumen, HÜ machen, spielen, Essen, bettfertig machen - dann ist es 20:00 und ich habe entweder noch Arbeit liegen, die ich bis 12:00 nicht geschafft habe und die noch erledigt gehört (das ist das Tolle an Teilzeit, man arbeitet die 40 Stunden in 25 ;) ), oder es wartet Pfusch (ja, ich hab immer noch nicht gelernt, nein zu sagen), bisschen doof in den Computer glotzen oder ein paar Hobbies nachgehen, mit meinen liebsten Freundinnen telefonieren, dann ist es Mitternacht, höchste Zeit fürs Bett und der nächste Tag beginnt...

Das klingt jetzt nach furchtbarem Hamsterrad, das ist aber nur bedingt wahr. Denn es ist das Leben, das ich mir ausgesucht habe und mir immer gewünscht habe. Und es ist gut so (zwischen Überstunden und Geschwisterstreitigkeiten, gebrochenen Händen und Platzwunden...). In dem Moment beginnt ein lauer Sommerregen, er prasselt auf die Markise über mir - ja, wir haben uns meinen Lebenstraum erfüllt und ein Wohnmobil gekauft. Ich liiiieeeebe es!!

Ich bin also die meiste Zeit ganz zufrieden mit meinem Leben und kann gut akzeptieren, dass jetzt, mit 2 noch eher kleinen Kinder, relativ wenig bleibt für die Gedanken von früher, für in mich lauschen, für ruhig werden. Aber ich bin mir auch bewusst, dass diese Zeit wieder kommt, dass meine Kinder immer weniger von mir brauchen werden und dass jeder Lebensabschnitt etwas Anderes bringt. An Aufgaben, an Herausforderungen, an Tagesplanung.

Nichtsdestotrotz werde ich aber versuchen, mich wieder ein bisschen einzulesen und Teil zu haben an den vielen wertvollen Inputs dieser Gruppe! <3
Im Nachbarort startet in diesem Moment ein Feuerwerk ;) also so viel zu den Zeichen.

Liebe Grüße also erst mal, Dani

Wo kam Dein Opa denn her? Meine Oma ist gebürtige Kroatin, allerdings nicht von der Küste, sondern von Slawonien aus Sotin, einem Vorort von Vukovar.

lg, Dani

PS: zum Lernen motivieren müssen kenn ich leider schon 😬

Ich habe eine irre Liebe zu dem Land, der Musik, der Sprache (leider spreche ich sie nicht, meine Oma aber immer noch fließend). Ich bin ja ein österreichischer Promenadenmischling, also mit sehr vielen Nationalitäten in meinem Stammbaum. Aber die emotionale Nähe zu Kroatien ist darunter die größere.

Ich war vor 1,5 Jahren in dem kleinen Ort, aus dem meine Oma stammt. Es ist ein winzing kleines Dörfchen an der direkten Grenze zu Serbien, das im Lauf der Geschichte immer wieder viel mitgemacht hat, auch immer noch eher ärmlich und gezeichnet von vielen Schicksalsschlägen. Zum Beispiel ist der exakte Geburtsort meiner Oma Ovčara, das war eine kleine Siedlung, die zu Sotin gehörte, ihre väterliche Linie lebte dort seit Generationen als Schmiede. In Ovčara fand eins der größten Massaker im Bürgerkrieg (nach Srebrenica) statt. Dort wurden 200 unbewaffnete Zivilisten in einer Schweinefarm abgeschlachtet und in einem Feld vergraben. Es ist ein großes Denkmal dort erreichtet worden. Der Spomen Dom Ovčara. Wir sind dran vorbei gefahren. Ich habe die Hausruinen aus dem Fenster fotografiert, weil ich weiß, die Mauern der Häuser meiner Vorfahren sind darunter. Aber ich habe es nicht gewagt, dort einen Fuß aus dem Auto zu setzen oder den Spomen Dom zu betreten. Im Nachhinein tat mir das sehr leid. Aber ich war zu feige. Ich weiß, ich hätte die Bilder und Gedanken lange nicht mehr aus meinem Kopf und meiner Seele bekommen. Obwohl dieses grauenhafte Schicksal Ovčaras nicht mehr Teil meiner eigenen Familiengeschichte ist, ist doch der Platz, an dem meine Vorfahren lebten mit dem Blut Unschuldiger getränkt.

Jedenfalls war ich in Sotin, ich war am Friedhof, ich habe das Haus gesucht, in dem meine Oma aufgewachsen ist (ich habe ihr vorher Screenshots von google streetview gezeigt und sie konnte das sehr spezielle Nachbarhaus sofort wieder erkennen). Ein kleines Häuschen, in dem sie mit Eltern, Geschwistern und Großmutter wohnte. Es steht immer noch, es ist bewohnt und liebevoll renoviert. Das hat mich sehr gefreut. Dazwischen stehen viele alte, baufällige Ruinen, die an längst vergangene Zeiten erinnern. Es gibt kein Kanalsystem, es gibt Wassergräben neben der Straße, über die zu jedem Haus ein Holzbrett führt.

Naja, ich liebe meine Oma sehr, mittlerweile ist sie aber schon dement und pflegebedürftig. Und das, was mir immer zu denken gibt, sie erinnert sich an die Dinge, die ihr emotional am Wichtigsten waren (Erlebnisse, die sie mit uns als Kinder hatte zum Beispiel), aber sie reist gefühlt durch die Zeit. Und sie denkt meistens, dass sie nicht zu Hause ist (sie lebt in ihrer Wohnung seit 1960). Sie sagt dann, dass sie sich fühlt, als wäre sie hier gar nicht zu Hause, dass sie schon froh ist, wenn sie wieder heim kann. Und mit "heim" meint sie ihr Zuhause in Kroatien, umgeben von Menschen, die zum größten Teil nicht mehr am Leben sind. Das ist so tragisch und schön zugleich, dass ich manchmal gar nicht damit umgehen kann.

Ihr Cousin lebt noch in Vukovar, ihre Cousine in Zagreb. Ich habe mit Hilfe eines Freundes einen Brief an ihn geschrieben, er ist der Vorsitzende eines großen Veteranenvereines und war leicht zu googeln. Zwischen uns ist diese riesige Sprachbarriere, aber ich freue mich über jedes Mail, das ich von ihm bekomme.

Naja, ich bin halt jetzt in Kroatien, aber sozusagen am ganz anderen Ende. Ich werde aber ganz bestimmt nochmal wieder kommen und mir mehr Zeit nehmen, als ich damals hatte. Ich habe auch Vukovar nur auf der Durchreise gesehen.

Was hat Deinen Opa nach Österreich verschlagen?

lg, Dani

Noch eine Anekdote kommt mir in den Sinn.

Meine Oma hat ein sehr prägendes Erlebnis aus ihrer Kindheit bewahrt. Ihre Oma hatte eine schwarze Katze, die eines Tages ein paar Küken gefressen hat. Als Strafe hat ihre Oma die Katze am Gartenzaun aufgehängt (rauhe Sitten, ja...) und sie traute sich dort nicht mehr vorbei gehen, weil tagelang die tote Katze am Zaun hing.

Jedenfalls kam ich von meinem Ausflug nach Sotin zurück und zeigte ihr die Fotos, wie es heute dort aussieht. Und dann fragte sie mich, ob ich die schwarze Katze am Zaun gesehen hätte. Da war mir dann klar, dass sie Raum und Zeit nicht mehr wirklich differenzieren kann...